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Aktueller Marktkommentar von Tiberius Asset Management

15.10.2008  |  Redaktion
Smutnoe Vremja - Die Zeit der Wirren

Üblicherweise steht an dieser Stelle ein kurzer Performancerückblick auf die Rohstoffmärkte bevor im zweiten Abschnitt die aktive Performance und in der dritten Rubrik die Perspektiven der einzelnen Rohstoffmärkte erläutert werden. Wir haben uns entschieden, in dieser Ausgabe von der üblichen Dreigliederung abzurücken. Der Grund hierfür ist im Titel angedeutet. "Smutnoe vremja" - eingedeutscht mit "Zeit der Wirren" - war die Zeit in der russischen Geschichte als sich die Herrschenden gegenseitig auf blutigste Weise abmetzelten bevor unter den Romanows ab dem Jahre 1613 wieder Stabilität einkehrte. Wir wollen in der gegenwärtigen Flut der umwälzenden Ereignisse versuchen, die einzelnen Handlungsstränge zu entwirren. Die Rohstoffe stehen nicht im Zentrum dieser Ereignisse, sind aber hinsichtlich der Performance sehr stark davon betroffen. Dementsprechend werden wir diesmal die Marktperspektiven der Rohstoffe sehr kurz halten und vorwiegend aus technischer Perspektive beleuchten.

Wir hatten einen ähnlichen Verlauf der Kapitalmärkte bereits frühzeitig antizipiert und zwei Publikum-Rentenfonds aufgelegt, die wir für diese Phase als sehr gut geeignet betrachten. Für die Tiberius Rentenfonds steht Sicherheit an erster Stelle, dementsprechend beinhalten sie Anlagen bester Bonität, überwiegend Staatsanleihen. Die von vielen anderen Rentenfonds verwendeten "Performancebeschleuniger" (Corporates, Emerging Market Bonds etc.) waren aufgrund der von uns erwarteten Bonitätsrisiken niemals Gegenstand der Anlagepolitik. Gleichzeitig ist es das Ziel des Managements gegenüber dem REXP, der die Geldmarktanlagen in fast allen Jahren outperformt, durch aktives Management einen Mehrwert zu schaffen, was in 2008 gelungen ist. Dieser Marktkommentar enthält deswegen am Ende einen Sonderteil zur erzielten Performance der aktiv verwalteten Rentenfonds von Tiberius.


Das Hauptproblem: Die Vertrauenskrise am Interbankenmarkt

Die gegenwärtige Finanzkrise wurde zwar durch das Platzen der Immobilienblase in den USA ausgelöst, mittlerweile stellen die Kreditausfälle und Abschreibungen im Immobilienbereich nur noch einen Teil des Problems dar. Die Crux besteht vielmehr darin, dass denjenigen Banken, deren Geschäftsmodell auf der laufenden kurzfristigen Refinanzierung am Kapitalmarkt beruht, unabhängig von ihrem Exposure an Immobilienkrediten und auch unabhängig von ihren Geschäftsaussichten, Fremdkapital komplett verweigert wird. War das Scheitern des Geschäftsmodells der semifiskalischen Immobilienfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac durchaus angebracht, weil die Qualität ihres Kreditportfolios bei einem fortschreitenden Immobilienpreisverfall in den USA schlichtweg nicht ausreichend war, so stellt sich die Frage, ob die Geschäftsaussichten der amerikanischen Investmentbanken bzw. der in Schwierigkeiten geratenen Geldinstitute in Europa mittelfristig so wenig tragfähig sind, dass eine Refinanzierung am Kapitalmarkt nicht sinnvoll und möglich ist.

Im Kern haben wir es mit einer tiefsitzenden Vertrauenskrise an den Interbankenmärkten zu tun. Die Liquiditätsausstattung des gesamten Bankensektors halten wir dank der Zentralbankinjektionen für mehr als ausreichend. Das Grundproblem ist, dass das von den Zentralbanken bereit gestellte Geld nicht bei denjenigen Marktteilnehmern ankommt, die es benötigen, sondern vor allem von denjenigen Banken als Sicherheitspuffer nachgefragt wird, die keine Intention besitzen, es an kreditsuchende Geldinstitute weiterzureichen. Deswegen können prinzipiell alle Finanzinstitute, völlig unabhängig von ihren Anlagen auf der Aktivseite und ihren Geschäftsaussichten, in erhebliche Schwierigkeiten geraten, wenn sie keinen direkten Zugang zu Zentralbankgeld haben.

Die Geldpolitik steht dieser Situation weitgehend hilflos gegenüber. Sie kann zwar direkt den Preis für Zentralbankgeld (Leitzins) und die Zentralbankgeldmenge beeinflussen. Die für die Bankenrefinanzierung maßgeblichen Interbankensätze kann sie jedoch nicht direkt steuern. So kam es in den letzten Wochen zu gegensätzlichen Entwicklungen in beiden Marktsegmenten. Während beispielsweise die Effective Federal Funds Rate, die den laufenden Preis für US-Zentralbankgeld widerspiegelt, in den letzten Wochen aufgrund von massiven Zentralbankgeldinjektionen unter den Leitzins von 2% gefallen ist, stieg der Satz für US-Dollar im Overnight-Interbankenmarkt zwischenzeitlich auf knapp 7% an.

Das Marktvolumen im Interbankenmarkt blieb zudem gering, sodass Finanzinstitute ohne direkten Zugang zur Zentralbank sich praktisch am Kapitalmarkt nicht mehr refinanzieren konnten. Die amerikanischen Investmentbanken, deren Geschäfte laufend über den Kapitalmarkt refinanziert wurden, wurden entweder insolvent oder gaben ihren Status auf, um eine partielle Refinanzierung durch die amerikanische Notenbank zu ermöglichen. Im weiteren Verlauf wollen wir versuchen zu erläutern, inwieweit die bisher von der Geldpolitik ergriffenen Maßnahmen ausreichen, um dieses Dilemma zu lösen.

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Ein Nebenproblem: Die Liquidation von Hedge Fonds

Der Hedge-Fonds-Sektor verzeichnete nach Schätzung diverser Marktbeobachter zum 30. September 2008 massive Mittelabflüsse. Dies klingt zunächst paradox, da an einer absoluten Rendite orientierte Anlageformen in einem Umfeld, in dem die klassischen Beta-Anlagen im Aktien-, Rohstoff- und Anleihenbereich (Corporate & Emerging Market Bonds) hohe Verluste aufweisen, eigentlich besonders gefragt sein müssten. Positive Renditen konnte die Hedge-Fonds-Branche in den ersten 8 Monaten des Jahres nicht erzielen. Der Tremont-Index von Credit Suisse First Boston verlor in diesem Zeitraum -3,5%, wobei lediglich der Global Macro Sektor eine positive Rendite (+4,9%) erzielen konnte.

Langjährige Marktteilnehmer im Rohstoffbereich, wie z.B. Ospraie, mussten nach herben Verlusten ihre Fonds liquidieren. Die ernüchternde Performance erklärt sicherlich einen Teil der Fondsrückgaben. Das Kernproblem ist jedoch das Misstrauen vieler Anleger, dass die Gelder bei den Prime Brokern der Hedge-Fonds nicht mehr sicher seien. So sind nach Schätzungen diverser Marktbeobachter immer noch ca. 40 Mrd. US-Dollar eingefroren, die Hedge-Fonds beim mittlerweile insolventen Prime Broker Lehman Brothers verwahrten. Selbst wenn diese Gelder als Sondervermögen nicht in die Konkursmasse von Lehman fallen, so kann es Monate dauern bis sie wieder für den normalen Geschäftsgang eines Hedge-Fonds zur Verfügung stehen.





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