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Aktueller Marktkommentar von Tiberius Asset Management

15.10.2008  |  Redaktion
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Gleichzeitig scheinen viele Institutionelle zum Jahresende 2008 keinerlei Risikopositionen, zu denen auch die Hedge-Fonds gehören, ausweisen zu wollen. Die Folge der massiven Mittelrückflüsse ist ein außerordentlicher Crash von fundamental eigentlich nicht verbundenen Märkten. Die außergewöhnlichsten Volatilitäten sind im Währungsbereich zu beobachten. Die Zwangsrückabwicklung des wichtigsten Carry Trades EUR-JPY ließ den japanischen Yen binnen eines Quartals von 170 Yen je Euro auf 135 Yen je Euro aufwerten. Gleichzeitig sorgten die Zwangsliquidationen bei den gegen den Yen-Kredit eingenommenen Long-Positionen bei Aktien und Rohstoffen für schwere Kurseinbrüche. Wie später im Währungsteil auszuführen sein wird, haben sich die fundamentalen Perspektiven der japanischen Währung in den letzten Monaten keinesfalls verbessert, sondern sind so unattraktiv wie eh und je.

Dass Zwangsliquidationen und nicht fundamentale Überlegungen momentan die Märkte beherrschen, zeigte auch das Verhalten der VW-Stammaktie, die in den letzten Monaten gegen den allgemeinen Aktientrend kontinuierlich zugelegt hatte. Am 7. Oktober schoss die VW-Aktie aufgrund der Eindeckung von Short-Positionen binnen weniger Handelsstunden von 290 Euro auf über 450 Euro je Aktie nach oben, während die restlichen Aktien im DAX, insbesondere die anderen Autowerte, schwach notierten. Im weiteren Handelsverlauf fiel die VW-Aktie dann wieder auf ihren Ausgangswert zurück.

Bei den Rohstoffen sind nach unseren Berechnungen die Long-Liquidationen weitgehend abgeschlossen. Von der ursprünglichen Netto-Long-Position der Hedge-Fonds in allen US-Rohstoff-Futures in Höhe von 75 Mrd. US-Dollar sind bis 7. Oktober gerade einmal 7 Mrd. US-Dollar übrig geblieben. Im Zuge der jüngsten Kursverluste an den Rohstoffbörsen dürfte auch dieser kümmerliche Rest mittlerweile veräußert sein. Damit haben sich die technischen Perspektiven für die Rohstoffmärkte, insbesondere für die zuvor mit hohen Netto-Long-Positionen belasteten Agrarmärkte, enorm aufgehellt.

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Krisenmanagement & wirtschaftspolitische Gegenmaßnahmen

Die Vielfalt der vorgeschlagenen wirtschaftspolitischen Krisenmaßnahmen hinterlässt den Eindruck eines modernen Buchstaben-Scrabbles. Am längsten in der Diskussion war TARP, das Troubled Asset Relief Programme, vorgeschlagen von US-Finanzminister Hank Paulson. Wenige Tage darauf folgte das CPFF – Commercial Paper Funding Facility - der amerikanischen Notenbank. Was verbirgt sich hinter diesen Hieroglyphen? Sind diese Programme geeignet, die aktuellen Schwierigkeiten zu lösen?

Die Grundidee des TARP ist es, einen Sekundärmarkt für notleidende Immobilienkredite oder strukturierte "Wertpapiere" auf Immobilienkredite zu schaffen. Dem US-Finanzministerium stehen als Käufer insgesamt 700 Mrd. US-Dollar zur Verfügung. Als Verkäufer können alle Finanzinstitute auftreten. Das US-Finanzministerium bestimmt unter der Leitung von Neel Kashkari, einem ehemaligen Goldman-Sachs-Banker, die Asset Manager, die die Käufe für den Fiskus abwickeln. Grundsätzlich dürfte das TARP an den Märkten für Immobilienkredite für eine deutliche Entlastung sorgen, da Finanzinstitute die Möglichkeit haben, Kreditportfolien deren innerer Wert sich vielfach nicht genau bestimmen lässt gegen liquide Mittel zu veräußern.

Für das US-Finanzministerium könnte sich daraus ein gutes Geschäft entwickeln, wenn die tatsächlichen Zahlungsausfälle der erworbenen Kreditportfolien unter den implizit in den Marktpreisen gehandelten Kreditausfallwahrscheinlichkeiten liegen. Basierend auf einer Top-Down-Perspektive wäre eine derartige Entwicklung angesichts der aktuellen Panikverkäufe nicht einmal unrealistisch. Allerdings sind viele dieser Papiere so komplex strukturiert, dass es mehr als fraglich ist, ob die Kenntnisse der beauftragten Asset Manager und der sie beauftragenden Staatsbeamten ausreichen, um den inneren Wert der Papiere abzuschätzen. Umgekehrt dürften viele der Verkäufer ebenfalls nicht in der Lage sein, einen "fairen" Preis zu ermitteln. Eine Chance, dass diese Immobilienkredite ohne größere Verluste oder gar mit einem Gewinn durch den Staat abgewickelt werden können, bestünde nur dann, wenn die beauftragten Asset Manager auf die Dienste der ursprünglichen Verkäufer und Strukturierer, die den Wert der Papiere am ehesten kennen, zurückgreifen könnten.

In jedem Fall ist das 700 Mrd. US-Dollar Paket von Finanzminister Paulson durchaus geeignet, die Lage auf den Märkten für Immobilienkredite zu stabilisieren, da durch die Kreation eines liquiden Sekundärmarktes und der dort gehandelten "Marktpreise" für alle Marktteilnehmer die dringend benötigte Transparenz geschaffen wird. Im Gegensatz zur aktuellen Situation, in der Preise für strukturierte "Wertpapiere" oft nicht bestimmt werden können, kennen dann alle Marktteilnehmer ihren Abschreibungsbedarf und es wird offensichtlich, welche Banken überlebensfähig sind und welche nicht. Der gegenwärtige Generalverdacht gegenüber allen Finanzinstituten weicht einem gesunden "Survival of the fittest".

Dabei ist zu beachten, dass sich die den Krediten zugrunde liegenden Fundamentaldaten im US-Immobilienbereich in den kommenden 1-2 Jahren tendenziell weiter verschlechtern werden. Die US-Immobilienpreise sind, gemessen am S&P Case-Shiller Index für die 20 wichtigsten Städte, vom Hochpunkt (Juli 2006) bisher um knapp 20% gefallen. Wir hatten bereits im Sommer 2007 die Prognose abgegeben, dass ein Rückgang der Preise für private Wohnimmobilien um 30%, bezogen auf den Hochpunkt, eine vernünftige Zielmarke sei. Dementsprechend sind vermutlich zwei Drittel der Wegstrecke bereits zurückgelegt. Das verbleibende Drittel dürfte bis Mitte des Jahres 2009 bewältigt werden. Jedoch scheinen im Zuge der schwächelnden Konjunktur nun auch die Preise für US-Gewerbeimmobilien, die bisher vom Hoch "nur" etwas mehr als 10% gefallen sind, unter Druck zu geraten, sodass sich hier eventuell noch einmal ein ähnlicher Problemkreis ergibt.





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