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Aktueller Marktkommentar von Tiberius Asset Management

15.10.2008  |  Redaktion
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In Europa sieht sich die Politik weniger mit Immobilienkrediten, sondern vielmehr mit der allgemeinen Vertrauenskrise am Interbankenmarkt konfrontiert. Bisher haben sich die europäischen Regierungen noch nicht auf ein koordiniertes Vorgehen verständigen können. Zudem scheinen sie eher Getriebener der Entwicklungen am Finanzmarkt zu sein als aktiv das Heft des Handelns in der Hand zu halten. Deutlich wurde dies insbesondere beim Dax 30 Wert Hypo Real Estate, deren irische Tochter Depfa die Anschlussfinanzierung auslaufender Bonds am Geldmarkt nicht mehr sicherstellen konnte.

Die Rettung der Bank durch die Abgabe von Bürgschaftserklärungen seitens der Kreditinstitute und des Bundes war aus unserer Sicht richtig, da ansonsten die Stabilität auf den Pfandbriefmärkten nicht mehr gewährleistet gewesen wäre. Jedoch reagiert die Politik nur auf die scheibchenweise von den in Not geratenen Banken herausgegebenen Informationen. So war vom Management der IKB zunächst zu hören, dass die Bank von der US-Immobilienkrise "lediglich mit einem einstelligen Millionenbetrag betroffen" sei. Wenige Wochen später "musste" die Bank mit hohen einstelligen Milliardenbeträgen gerettet werden. Die Bundesregierung und die Länderhaushalte werden kaum in der Lage sein in jedem Einzelfall für die kurzfristig am Geldmarkt nicht mehr refinanzierungsfähigen Schuldverschreibungen inländischer Banken Bürgschaftserklärungen abzugeben. Vielmehr muss die Krise am europäischen Interbankenmarkt auch auf dieser Ebene gelöst werden.

Was die Garantie der privaten Spareinlagen betrifft, hinterließ das Krisenmanagement der deutschen Bundesregierung ebenfalls keinen souveränen Eindruck. Im Zuge der schwelenden Krise um die Hypo Real Estate sah sich Kanzlerin Merkel an einem Sonntag Mittag verpflichtet, eine Pauschalgarantie der Bundesregierung für private Spareinlagen abzugeben. Als am Abend in einer Talkshow diese Garantie unter Teilnahme eines Mitglieds der Bundesregierung präzisiert werden sollte, wurde festgestellt, dass es sich um keine Garantie in einem "rechtlich verbindlichen" Sinne handelte und dass die Abgrenzung, was unter dem Begriff Spareinlagen zu subsummieren sei, unklar ist.

Der ursprünglich intendierte Effekt eines Befreiungsschlags wurde dadurch wieder zerredet und es wäre letztendlich besser gewesen, eine Erklärung ganz zu unterlassen als ein wachsweiches Statement abzugeben. Für ausländische Beobachter muss sich insgesamt der Eindruck verdichten, dass die Regierungen in Europa zu einem angemessenen Krisenmanagement trotz einer besseren fundamentalen Ausgangssituation weniger in der Lage sind als die Wirtschaftspolitik in den USA.

Dies gilt umso mehr als die Europäische Zentralbank bis vor wenigen Tagen larmoyant gegenüber der Krise im Finanzsektor aufgetreten ist. Nach der EZB-Sitzung am 2. Oktober zeigte sich EZB-Präsident Trichet ignorant gegenüber implodierenden Rohstoffpreisen, einer weiteren starken Abschwächung der Konjunktur und crashenden Aktienmärkten. Die noch im Juli 2008 vorgenommene Zinserhöhung um 0,25% bewies zudem, dass die Ökonomen der EZB in keinster Weise in der Lage waren, die Entwicklungen der Konjunktur und der Inflationsraten zu antizipieren, obwohl die Bondmärkte über eine inverse Zinsstruktur zwischen Leitzins und 10-jährigen Anleihen die Notenbank permanent zum Handeln aufforderten. Dieses Bollwerk der Ignoranz wurde schließlich von der dramatischen Entwicklung an den Kapitalmärkten überrannt.

Am 8. Oktober sahen sich die Fed, die EZB, die Schweizer Nationalbank, die Bank of England, die Schwedische und die Kanadische Notenbank gezwungen, die Leitzinsen in ihren jeweiligen Währungsräumen gleichzeitig zu senken. Diese Maßnahme verpuffte sofort, da sie das oben skizzierte Grundproblem des mangelnden Vertrauens im Interbankenmarkt nicht lösen kann. Was nützt die Verbilligung von Zentralbankgeld, wenn dieses bei denjenigen, die es am dringendsten benötigen, nicht ankommt? Die Interbankensätze sind am selben Tag weiter gestiegen, die Talfahrt an den Aktienmärkten stoppte nur für wenige Stunden. Eine nachhaltigere Lösung wäre, den Zugang zu Zentralbankgeld zu verbreitern, indem die Definition lombard- und repofähiger Papiere weiter gefasst wird. Genau dies versucht die amerikanische Notenbank mit der neu eingerichteten Commercial Paper Funding Facility (CPFF), die ausgerechnet über ein Special Purpose Vehicle (SPV) abgewickelt werden soll. Die amerikanische Notenbank kauft dabei direkt kurzfristige Schuldverschreibungen vorwiegend von Finanzintermediären und wirkt damit dem Zinsanstieg am Markt für Commercial Papers entgegen.

Die zweite Schiene mit der die amerikanische Notenbank versucht, stützend auf die Finanzmärkte einzuwirken, ist die Steuerung der Zentralbankgeldmenge (M0). Die Fed hatte in den Jahren 2002-2004 zweistellige Zuwachsraten der Zentralbankgeldmenge (Bargeld plus Sichtguthaben der Geschäftsbanken bei der Zentralbank = Passivseite der Notenbankbilanz) zugelassen, um die Auswirkungen der geplatzten Aktienblase abzumildern und um einen Konjunkturaufschwung zu unterstützen. In den Jahren 2005-2007 folgte dann eine signifikante Straffung der Geldpolitik, die sich nicht nur in steigenden Leitzinssätzen sondern auch in einer im Vergleich zum nominalen BSP unterproportional wachsenden Zentralbankgeldmenge niederschlug.

Wir hatten bereits im Herbst 2007 auf einem Vortrag im Rahmen der Edelmetall- & Rohstoffmesse in München darauf hingewiesen, dass die zunehmende Differenz der Wachstumsraten zwischen M2 und M0 starken zukünftigen Stress an den Aktienmärkten und im Bankensystem bedeutet, da die ausufernden Kreditexzesse der Geschäftsbanken immer weniger durch zusätzliches Zentralbankgeld alimentiert werden (der damalige Vortrag ist unter www.tiberiusgroup/presse.com abrufbar). Traditionell sehen wir die Zentralbankgeldmenge als einen der wichtigsten Frühindikatoren für die Aktienmärkte aber auch für Gold an. In den letzten Wochen ist die amerikanische Notenbank von ihrer bisher moderat restriktiven Haltung abgerückt und hat die Zentralbankgeldmenge erneut massiv inflationiert. M0 stieg innerhalb der letzten Wochen von 865 Mrd. US-Dollar auf über 1.010 Mrd. US-Dollar an. Dies entspricht einem Zuwachs von 16,8%.

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Fazit: In den USA und in Europa hat eine neue Runde von Zinssenkungen begonnen, die den amerikanischen Leitzins, die Federal Funds Targe Rate, aus unserer Sicht auf unter 1% und den EZB-Refinanzierungssatz auf 2,5% reduzieren wird. Viel wichtiger als die Steuerung der Leitzinssätze ist für die Kapitalmärkte die Erweiterung der Zugangsmöglichkeiten zu Zentralbankgeld und ein hohes Wachstum der Zentralbankgeldmenge. Beides hat in den USA partiell schon statt gefunden. Im Zuge der Panik an den Finanzmärkten könnten die Zentralbanken verleitet werden, eher zu viel als zu wenig zu tun. Zumal Notenbankchef Ben Bernanke, der über die Ursachen und Auswirkungen des Bankensterbens in den USA während der Großen Depression in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts promoviert hat, bereits mehrfach angekündigt hat, im Zweifel auf unkonventionelle Maßnahmen (Notenpresse) zurückzugreifen, um seinen Landsleuten eine Wiederholung der damaligen Krise zu ersparen. Wir sind uns angesichts der vielen strukturellen Probleme der US-Wirtschaft, allen voran die notwendige Konsolidierung der privaten Finanzen dennoch relativ sicher, dass die USA den Weg Japans in den neunziger Jahren gehen wird. Für die internationalen Kapitalmärkte sind die bereits jetzt eingeleiteten Maßnahmen jedoch äußerst bullishe Argumente, die bereits in Kürze eine siginifikante Erholung der Aktienmärkte erwarten lassen.





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