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Orientierungssuche- und Findung in Politik und Finanzwirtschaft

08.05.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.26 Uhr) bei 1.3035, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Tiefstkurse im europäischen Handel bei 1.2974 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 80.00. In der Folge notiert EUR-JPY bei 104.25, während EUR-CHF bei 1.2014 oszilliert.

Gestern kam es erst einmal zu Standortbestimmungen seitens der europäischen Politik. Frau Lagarde als Chefin des IWF sagte zur Zukunft der Eurozone: "Es wird sie geben und sie wird solide sein.“ Diese Sichtweise freut uns, gleichwohl sind die aktuellen Entwicklungen Grundlage für Unsicherheiten, die die Außenwahrnehmung belasten.

Nachdem Herr Westerwelle in seiner Funktion als Außenminister bereits bei den Festivitäten der französischen Botschaft am Sonntag die Möglichkeit und auch hohe Wahrscheinlichkeit eines Wachstumspakts erörterte, kam es gestern zu Einlassungen des Kanzleramts und des Finanzministeriums.

Sowohl Frau Dr. Merkel als auch Herr Kampeter (Staatssekretär Finanzministerium) betonten in marginaler Abstufung der Schärfe, dass der Fiskalpakt als Grundlage der zukünftigen Stabilitätsunion nicht zur Disposition stünde. Alle Euro-Partner hätten sich zu dem Fiskalpakt bekannt, den Weg in eine Stabilitätsunion zu gehen. Der Fiskalpakt sei ein Instrument dafür. Diese Meinung teile ich. Derartige Vereinbarungen/Verträge sind nicht Handelsgut, dass bei Regierungswechseln beliebig abgeändert werden kann. Verfassungen, der Fiskalpakt ist so etwas wie eine Finanzverfassung der Eurozone, sind ja auch nicht beliebig disponierbar. Dazu passen die Einlassungen des EU-Gruppenchefs Juncker.

Juncker lehnt auch nach der Wahl von Francois Hollande zum französischen Präsidenten ein Aufschnüren des Fiskalpakts ab. "Ich habe ihm deutlich gemacht, dass einiges geht und einiges eben nicht", sagte Juncker am Montagabend im ZDF. "Was nicht geht, ist eine Totalaufschlüsselung des verabredeten Fiskalpakts. Das werden viele nicht mitmachen wollen." Einverständnis gebe es indes in Europa, dass man Wachstumsimpulse brauche. Schließlich müsse man in Europa auch Perspektiven bieten und Hoffnung machen. So habe die Wahl in Griechenland gezeigt, dass dort eine gewisse Hoffnungslosigkeit herrsche. "Dieses Dilemma müssen wir beenden." Hollande setzt sich dafür ein, den Pakt um wachstumsfördernde Elemente zu ergänzen. Juncker sagte, Hollande habe ihn heute angerufen und er habe dem designierten Präsidenten seine Position dabei klargemacht.

Erfrischend sind die Adressen aus Deutschland an den zukünftigen französischen Präsidenten Hollande. Frau Dr. Merkel betonte, dass Präsident Hollande in Berlin mit offenen Armen empfangen werde unter Verweis darauf, dass die deutsch-französische Zusammenarbeit essenziell für Europa sei. Regierungssprecher Seibert sagte, dass die gute und enge Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich auch mit Hollande fortgesetzt werde. Die Bundeskanzlerin sei überzeugt, dass der französische Präsident ein verlässlicher Partner sein werde.

Die deutschen Vertreter zeigten sich in ihren Einlassungen Richtung Wachstumspakt einmal mehr als ordnungspolitisch orientiert. So sagte Herr Seibert, dass eine Wachstumspolitik in Europa aus Strukturreformen bestünde. Seibert lehnte eine Wachstumspolitik basierend auf Verschuldung ab. Hier gibt es Raum für Konfrontation mit Frankreich. Die deutsche Position definiert den Ausgangspunkt für einen Kompromiss. Lassen Sie mich bildlich sprechen. Die deutsche Position fordert zunächst zu 100% "gesundes kerniges Schwarzbrot“ als Wachstumspolitik, nachdem es bereits 30 Monate lang das "Schwarzbrot“ deutscher fiskalischer Strukturpolitik als Einheitsdiät gab, während die französische Politik voraussichtlich auch "französische Erdbeerkonfitüre“ als Belag fordern wird. Mit anderen Worten ist eine kurzfristig wirkende konsumtive Komponente gekoppelt mit einer mittel-langfristigen "Schwarzbrotstrategie“ am Ende der Kompromiss. Dabei sollte der Konfitüreanteil die 25%-Marke nicht übersteigen.

Wir haben gestern betont, dass die Politik drei konkurrierende Ziele mittel- und langfristig vereinbaren muss. Neben fiskalischer Solidität sind es konjunkturelle und gesellschaftspolitische Stabilität. Deutschland hat sich 30 Monate damit durchgesetzt, eine solitäre Fokussierung auf fiskalische Reformen in den schwachen europäischen Ländern durchzusetzen. Das war im Hinblick auf die hohen Defizite vertretbar und sachlich angemessen. In den letzten sechs Monaten haben sich in den Reformländern verstärkt konjunkturelle und in der Folge gesellschaftspolitisch ernst zu nehmende Destabilisierungen ergeben. Derartige Entwicklungen dürfen nicht sportlich ignoriert werden. Die Stabilität der Konjunktur und der Gesellschaft ist ebenso elementar wie fiskalische Stabilität für das Fortbestehen und die Weiterentwicklung der Eurozone.

Wir wünschen der bundesdeutschen Regierung die nötige Weitsicht. Die Durchsetzung guter Politik ist kein linearer Prozess, sondern ein diplomatisches Kunststück, bei dem man bisweilen auch zwei Schritte zurückgehen muss, um dann drei Schritte voranzugehen. Das gilt um so mehr, als dass die deutsche Politik sich schlussendlich 30 Monate durchsetzte und damit circa 10 Schritte nach vorn gekommen ist. Diesen Fortschritt sollte man nicht durch solitäre Fokussierung auf ungehemmte Durchsetzung ordnungspolitischer Ansätze riskieren. Ich denke, der Diplomat Otto von Bismarck hätte intern ähnlich argumentiert …




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