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Roland Baaders Traum

06.11.2012  |  Redaktion
Ich träume von einem vollbesetzten Bundestag (wohl nur bei Abstimmung über Diäten-Erhöhung möglich). Plötzlich erhebt sich einer der Abgeordneten, allen anderen als aufrechtes Mannsbild bekannt, und tritt ans Mikrofon:

Meine Damen und Herren, ich bekenne mich zur freiheitlichen, individualistischen und christlichen Kultur, Tradition und Zivilisation des Abendlandes. Genau aus diesem Grund sage ich allen hier versammelten Volksvertretern, allen Parteien, Politikern und Regierungsmitgliedern:

Ich brauche eure Subventionen und Transferzahlungen nicht; ich will nicht euer Kinder-, Mutterschafts- und Sterbegeld, nicht eure tausend Almosen und milden Gaben, die ihr mir vorher aus der Tasche gezogen habt - und mir und meinen Kindern noch in fünfzig Jahren aus der Tasche ziehen werdet.

Ich brauche keine subventionierte Butter, kein Quoten-Rindfleisch und keine preisgarantierte Milch, keine Planwirtschafts-Erbsen und keine ministergelisteten Medikamente; ich brauche keinen Schwerbeschädigten-Ausweis für meine Plattfüße und keinen Almosen-Freibetrag für meine pflegebedürftige Großmutter, auch keine Kilometerpauschale und keinen Kantinen-Essensbon.

All eure Wahlfang-Scheine könnt ihr euch an den Hut stecken. Aber: Lasst mich dafür auch in Frieden.

Ich bin nicht euer Buchhalter, Statistiker und Belegsammler, der die Hälfte seiner Lebenszeit damit zubringt, eure Schnüffel-Bürokratie zu befriedigen, der von einem Paragraphenknäuel zum anderen taumelt und sich wie eine gehetzte Ratte durch alle Kanalwindungen eurer kranken Steuergehirne windet.

Schickt euer Millionenheer von Faulärschen und parasitären Umverteilern nach Hause, eure Vor- und Nachdenker moderner Wegelagerei, eure Bataillone von Steuerfilz-Produzenten, Labyrinth-Pfadfindern und Paragraphen-Desperados, eure Funktionärs-Brigaden von Verordnungs-Guerilleros und Stempelfuchsern, all die nutzlosen Formularzähler und Arbeitsverhinderungs-Fürsten.

Lasst mich einen festen und ein für alle mal fixierten Steuersatz zahlen, und bezahlt damit eine angemessene Verteidigungsarmee und ein verlässliches Rechtswesen, aber haltet euch ansonsten heraus aus meinem Leben. Dies ist mein Leben; ich habe nur eines, und dieses eine soll mir gehören. Ich bin niemandes Sklave, niemandes Kriecher und niemandes Liebediener.

Ich bin ein freier Mann, der für sein Schicksal selbst und allein verantwortlich ist, der sich in die Gemeinschaft einfügt und die Rechte anderer genauso respektiert wie er seinen eigenen Pflichten nachkommt, der aber keine selbsternannten Ammen und scheinheiligen Guten Onkels, keine ausbeuterischen Wohltäter und von mir bezahlte Paradiesverkünder braucht.

Was ich brauche, das sind: Freunde, Familie und rechtschaffene Christenmenschen, in guten und in schlechten Zeiten; und ich bin Freund, Familienglied und Christ, auch dann, wenn es anderen schlecht geht; aber dazu brauche ich keine Funktionäre und Schmarotzer, keine bezahlten Schergen und staatsversorgte Wohltäter.

Dazu brauche ich nur die mir Nahestehenden und den Herrgott.

Hier stehe ich.
Gott helfe mir! Ich kann nicht anders!


© Roland Baader (*1940-2012)
Text entnommen aus seinem Buch "Kreide für den Wolf", erschienen 1991



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