Der Versuch, der Niedrigzinsfalle zu entkommen
20.03.2017 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Wenn also der Zins, nachdem er lange Zeit künstlich auf einem sehr niedrigen Niveau gehalten wurde, wieder steigt, wird es zwangsläufig Wachstums- und Beschäftigungsverluste geben (müssen). Ein Zinsanstieg ist nicht ohne eine unerwünschte Konjunktureintrübung oder gar handfeste Wirtschaftskrise zu haben. Das scheint - zusätzlich zur Verschuldungsproblematik - der zweite wesentliche Grund zu sein, warum die Fed (und übrigens auch alle anderen Zentralbanken) sich derart schwer tun, den Zinsen aus den Tiefen wieder in die Höhe zu befördern. Die Zinsanhebung der US-Zentralbank ist der Versuch, der Zinsfalle zu entkommen - ein lobenswerter Versuch, der aber unter keinem guten Stern steht.Seit Anfang 1980 steigt die Schuldenlast in den USA, und die Zinszahlungen nehmen ab
Quelle: usgovernmentdebt.us
Die obige Abbildung zeigt die Zinszahlungen auf die öffentliche Schuld in den Vereinigten Staaten von Amerika in Relation zum Bruttoinlandsprodukt. In 2016 beliefen sie sich "nur" auf etwa 1,8 Prozent des BIP - obwohl die Schuldenlast bei mittlerweile etwa 105 Prozent des BIP liegt. Wie erklärt sich das? Nun, die Zinsen sind gesunken, beziehungsweise die US-Zentralbank hat die Zinsen im Zeitablauf auf immer niedrigere Niveaus herabgeschleust. Auf diese Weise konnte vor allem seit den 1980er Jahren die Schuldenlast ansteigen, und trotzdem konnte die Zinsbelastung reduziert werden. Wenig überraschend dürfte sein, dass der gleiche Effekt im Euroraum wirksam ist.
Auch im Euroraum: steigende Staatsschulden, sinkende Kreditkosten
Quelle: Thomson Financial
"Crash-Indikator"
Nicht nur die Zinshöhe, sondern auch die Form der "Zinskurve" hat einen wichtigen Einfluss auf die Finanz- beziehungsweise Aktienmärkte. Banken brauchen eine "steile Zinskurve". Das heißt, die Langfristzinsen müssen über den Kurzfristzinsen liegen. Warum? Banken vergeben langfristige Kredite und refinanzieren sie mit kurzfristigen Mitteln. Ist die Zinskurve steil, so verdienen sie bei der Kreditvergabe ("Fristentransformation"). Flacht sich die Zinskurve ab, wird es Banken weniger attraktiv, neue Kredite zu vergeben. Bei einer "inversen Zinskurve" (wenn der Langfristzins unter den Kurzfristzins fällt) treten Banken auf die Kreditbremse.
Die Zinskurve wird in der Regel flacher (steiler), wenn die Zentralbank den Leitzins anhebt (absenkt), und sie wird invers, wenn sie ihn zu stark anhebt. Die Steilheit der Zinskurve ist ein wichtiger Indikator für Investoren: Wird die Zinskurve zu flach oder gar invers wie in 2000/2001 und 2007, ist Gefahr im Verzug - wie die Aktienmarkt-Crashs gezeigt haben. Bislang scheint die US-Zinskurve jedoch noch steil genug zu sein, damit der aktuelle Kreditboom weitergeht. Für Banken ist es nach wie vor lohnend, das Kreditangebot auszuweiten. Das durch die Bankkreditvergabe neu geschaffene Geld treibt unter anderem auch die Aktienkurse weiter in die Höhe.
Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen. 3) US-10- minus 2-Jahreszins in Basispunkten. Graue Flächen: Langfristzins geringer als Kurzfristzins.