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Gefangen im Boom-und-Bust-Zyklus

12.06.2017  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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(3) Die Eingriffe der Zentralbank haben das Anlegerverhalten maßgeblich verändert: Die Risikoscheu der Investoren hat deutlich abgenommen. Investoren sind wieder bereit, ihr Geld in riskante(re) Anlagen zu investieren - und hoffen, dass bei Problemen die Zentralbank zur Rettung kommt. (Man spricht in diesem Zusammenhang auch von "Moral Hazard"). Nur so ist es wohl zu erklären, dass überdehnte Schuldner - Staaten wie Banken - problemlos neue Kredite bekommen, und das zu historisch sehr niedrigen Zinssätzen. Der Kreditfluss ist wieder in Gang gekommen und schiebt eine neue konjunkturelle Scheinblüte an.


Ausufernde Bankbilanzen

Die Übersicht auf der vorherigen Seite zeigt die Entwicklung der Zentralbank- und Geschäftsbankbilanzen seit Anfang 1999 bis April 2017. Wie zu erkennen ist, wächst in allen betrachteten Währungsräumen die Gesamtbilanzsumme - also die Summe aus Zentralbank- plus Geschäftsbankenbilanz. Das ist ein untrügliches Zeichen für die Zielrichtung der Geldpolitiken:

Sie haben in den letzten Jahren vehement in das Marktgeschehen eingegriffen, um das zu finanzieren, was die Geschäftsbanken nicht mehr finanzieren können oder wollen. Dadurch haben sie gezielt ein Schrumpfen der gesamten ausstehenden Kredit- und Geldmenge verhindert - und damit auch die volkswirtschaftlichen Folgen einer solchen Entwicklung abgewehrt.

Die Zentralbanken sind dadurch jedoch mehr denn je zu einem aktiven Spieler in den Kreditmärkten geworden. Sie beschränken sich nicht mehr darauf, den Geschäftsbanken Geld zu leihen, damit diese damit Kredite an die Privatwirtschaft und die Staaten vergeben. Die Zentralbanken füllen jetzt diese Rolle mehr oder weniger selbst aus - beispielsweise indem sie Schuldpapiere von Staaten, Banken und Unternehmen direkt erwerben (und die Käufe mit neu geschaffenem Geld bezahlen). Die "klassische Trennung" zwischen Zentralbank auf der einen Seite und Geschäftsbanken auf der anderen Seite ist damit im Grunde (und für alle sichtbar) aufgehoben.

Im Ergebnis bedeutet das zum einen, dass ein immer größeres Kreditvolumen auf einem gegebenen Eigenkapitalbestand aufgesattelt wird. Dadurch verringert sich der Verlustpuffer, die Zahlungsausfälle, sollten sie denn auftreten, auffangen kann, ohne die Verbindlichkeiten des Bankenapparates gegenüber seinen Kreditgebern und Einlegern zu gefährden.

Zum anderen stehen die Zentralbanken zusehends im Feuer: Sie haben nunmehr ein deutlich erhöhtes Kreditrisiko gegenüber Staaten und Geschäftsbanken. Dadurch steigt der politische Anreiz für die Zentralbanken, die Geldmenge auszuweiten (also zu inflationieren), um Zahlungsausfälle bei ihren Schuldnern zu verhindern. Nach dem Motto: Lieber die Geldmenge vermehren, um offene Zahlungen zu begleichen, als Kreditausfälle erleiden.


Boom-und-Bust

Die aktuelle konjunkturelle Erholung sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Volkswirtschaften nach wie vor in einem Boom-Bust-Zyklus befinden. Der Grund: das ungedeckte Fiat-Geld. Zentralbanken, zusammen mit den Geschäftsbanken, erhöhen fortwährend die Geldmenge durch Bankkreditvergabe. Genauer: Die Geldmenge steigt durch eine Bankkreditvergabe, die nicht durch echte Ersparnisse gedeckt ist. Dadurch wird der Marktzins unter sein "natürliches Niveau" gesenkt (also das Niveau, das sich einstellt, wenn keine künstliche Kredit- und Geldmengenvermehrung zugelassen würde).

Die künstlich gesenkten Zinsen wiederum ermuntern Unternehmen, neue Investitionsprojekte anzugehen. Für Konsumenten und die Staaten wird es attraktiv, auf Pump zu leben. Die Wirtschaft zieht dadurch zunächst an. Früher oder später jedoch merken die Unternehmen, dass die Investitionen sich nicht rechnen - weil entweder die Preise der Produktionsfaktoren stärker steigen als ursprünglich kal-kuliert, oder weil die erhoffte Nachfrage nach den Erzeugnissen ausbleibt. Unternehmen beginnen daraufhin, unrentable Investitionen abzubauen. Arbeitsplätze werden gestrichen.

Die Wirtschaft, die durch den anfänglichen Kredit- und Geldmengeneinschuss, verbunden mit den künstlich gesenkten Zinsen, einen künstlichen Aufschwung (Boom) erfahren hat, fällt in einen Abschwung (Bust). Im Bestreben, die heranna-hende Rezession-Depression abzuwehren (die ökonomisch gesehen in Wahrheit eine Korrektur der zuvor aufgelaufenen Kapitalfehllenkungen ist), senken die Zentralbanken die Zinsen noch weiter und versuchen, den Zufluss von Kredit- und Geldmengen in Gang zu halten. Die "Krise" wird also mit den Mitteln "bekämpft", die sie zuvor verursacht hat.


Was mit Boom-und-Bust gemeint ist

Häufig wird unter "Boom" eine Wirtschaftsphase verstanden, in der die aktuelle Produktion ihren Langfristtrend übersteigt. Ein "Bust" wird entsprechend als Phase verstanden, in dem die Produktionsleistung unter den Trendverlauf fällt. Doch diese Interpretation trifft den Kern der Sache nicht (und daher ist die nachstehende Grafik auch mit Vorsicht zu interpretieren). Ein Boom ist nämlich eine fehlerhafte Ausrichtung der Produktion, eine Kapitalfehllenkung.


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Durch künstliche Zinssenkungen der Zentralbank werden falsche Signale gesetzt. Die Produktion in kapitalintensiven Sektoren nimmt zu, die in weniger kapitalintensiven Sektoren wird zurückgefahren. Diese Entwicklung kann, muss aber nicht dazu führen, dass die Wirtschaftsleistung für alle sichtbar über den Langfristtrend ansteigt. Ein Boom - eine Phase der Kapitalfehllenkung - kann sich auch bei "normalen" Wachstumsraten, die die meisten vermutlich nicht als Boom erkennen würden, auflaufen. Das ist auch die Erklärung, warum ein Boom gewissermaßen "wie aus heiterem Himmel" zu einem Ende kommen und in einen Bust umschlagen kann.


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