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"Diejenigen fürchten das Pulver am meisten, die es nicht erfunden haben."

09.11.2018  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Ja, ich kann - und zwar mit "Market Timing"

Lautet die Antwort Ja - ich kann besser abschneiden als der Gesamtmarkt -, wie soll man dann mit dem Auf und Ab auf den Börsen umgehen? Hier gibt es zwei mögliche Ansätze. Der erste Ansatz besteht darin, dass man mit "Market Timing" versucht, den Aktienmarkt zu übertreffen: Als "Market Timer" bemüht man sich, aus dem Aktienmarkt kurz bevor es zu Kursrückschlägen kommt auszusteigen und nach erfolgtem Kursrutsch frühzeitig wieder einzusteigen.

Vielleicht gibt es erfolgreiche Market Timer. Aber sie sind vermutlich rar gesät. Denn es gibt keine Möglichkeit, bereits schon heute die Faktoren verlässlich zu identifizieren und systematisch vorherzusagen, die die künftigen Aktienkurse bestimmen. In der kurzen Frist bilden sich die Aktienkurse nämlich nicht selten aufgrund psychologischer Gründe wie Euphorie und Angst, Gier und Panik, nicht aber aufgrund fundamentaler Erwägungen wie Marktstellung und Eigenkapitalrendite einer Firma.

Die psychologischen Faktoren zu identifizieren und ihren Einfluss auf die künftigen Aktienkurse verlässlich vorhersagen zu wollen, ist ein - zumindest in wissenschaftli-cher Hinsicht - unmögliches Unterfangen: Es gibt das Wissen nicht, das uns sagen könnte, welche Faktoren bestimmte Gemütszustände der Börsianer bewirken, und wie diese Gemütszustände die Aktienkurse beeinflussen. Das menschliche Handeln lässt sich nicht prognostizieren, wie es in der Naturwissenschaft praktiziert wird.

Wer als Market Timer erfolgreich ist, muss daher über eine "besondere Fähigkeit" verfügen, muss das können, was normalerweise unerreichbar ist: Er muss wissen, was künftig passiert, und welche Wirkung das auf die Aktienkurse hat. Wie gesagt, ausgeschlossen ist es nicht, dass jemand das kann. Aber die "besondere Fähigkeit" kann per definitione nicht jeder haben. Und jeder, der meint, er könne mit Markt Timing herausstechen, sollte daher gut darüber nachdenken, ob er tatsächlich zu den erfolgreichen Market Timern zählt.

Sollte man nicht zu den erfolgreichen Market Timern zählen - unterliegt man fälschlicherweise der Illusion, eine "besondere Fähigkeit" zu haben -, kann einen das beim Investieren sehr teuer zu stehen kommen. Man wird in Boom-Phasen zu früh verkaufen, in Crash-Phasen zu spät kaufen und - und insgesamt wird dadurch die Investment-Rendite geringer ausfallen als die des Gesamtmarktes. Das Resultat ist nicht Outper-formance, sondern Underperformance.


Ja, ich kann - aber nicht mit "Market Timing"

Der zweite Ansatz umfasst die Investoren, die meinen, sie können den Gesamtmarkt outperformen, aber nicht indem sie auf "Market Timing" setzen. Die Investoren, die versuchen ohne Market Timing eine Outperformance zu erzielen, halten sich strikt an das "Preis versus Wert"-Prinzip. Der Preis einer Aktie ist der Börsenkurs. Er ist während der Handelszeit jederzeit und von allen einsehbar und zeigt, für wieviel Geld eine Aktie den Besitzer gewechselt hat.

Der Wert einer Aktie findet sich hingegen nicht auf dem Kurszettel (und viele Börsianer, die Aktien kaufen und verkaufen, kennen ihn nicht). Er muss vielmehr ermittelt werden - und entspricht der Summe der abgezinsten Gewinne, die ein Unternehmen erzielt. Um den Wert einer Aktie bestimmen zu können (nicht auf die Nachkommastelle, aber zumindest doch innerhalb einer gewissen Bandbreite), sind eingehende Analysen, Fachwissen und Entscheidungssicherheit gefragt.

In der Praxis angewandt, bedeutet das "Preis versus Wert"-Prinzip, dass man eine Aktie dann und nur dann kauft, wenn ihr Preis deutlich (sagen wir 10 bis 20 Prozent) unter ihrem Wert liegt (wenn also eine "Sicherheitsmarge" vorliegt). Ein Beispiel soll das erläutern, wie das "Preis versus Wert"-Prinzip funktioniert. Nehmen wir an, Sie kommen zu dem Schluss, dass das Unternehmen X ein hervorragendes Unternehmen ist, und dass seine Aktie 100 Euro wert ist.

Die Aktie handelt jedoch (weil andere das ebenso sehen wie Sie) bei 120 Euro. Zu diesem Preis kaufen Sie natürlich nicht. Denn Sie wollen ja nicht mehr für die Aktie bezahlen, als sie wert ist. Doch dann gibt es plötzlich Panik an der Börse (weil zum Beispiel die italienische Regierung verkündet, sie wolle aus dem Euro aussteigen), und die Aktienkurse purzeln um, sagen wir, 30 Prozent. Der Aktienkurse von Unternehmens X fällt sogar noch stärker, von 120 auf 70 Euro.

Ihre Analyse zeigt nun aber, dass durch die "Italienkrise" die Gewinne des Unternehmens X gar nicht negativ beeinflusst werden, dass die Aktie nach wie vor 100 Euro wert ist. Daraufhin kaufen Sie beherzt zu 70 Euro - denn sie rechnen aufgrund von guten Gründen damit, dass der Aktienkurs früher oder später auf 100 Euro, also den Wert der Aktie, steigt und Ihnen eine Rendite von 42,9 Prozent winkt. Zudem haben Sie eine Sicherheitsmarge von 30 Euro: Um diesen Betrag kann der Wert der Aktie fallen, ohne dass sie einen dauerhaften Kapitalverlust verschmerzen müssen.


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