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"In den 1920er Jahren hat der Goldstandard versagt" - eine folgenschwere Fehldeutung der Geschichte

24.12.2018  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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(5) In einem “Goldstandard in Reinform” gibt es keine Zentralbank, die Geld- und Zinspolitik betreibt. Es sind das freie Angebot von und die freie Nachfrage nach Geld, die entscheiden, was als Geld umläuft (in diesem Falle Goldgeld), und es sind ebenfalls die freien Märkte, die festlegen, wie groß die Geldmenge ausfällt. Auch die Zinsbildung erfolgt im freien Markt, ganz ohne staatliche oder zentralbankpolitische Einflussnahme - und zwar wiederum durch das freie Angebot von und die freie Nachfrage nach Kredit.

(6) Ein reines Goldgeldsystem ist vorzugsweise ein internationales Arrangement: Alle Volkswirtschaften, die sich für die Verwendung des Goldgeldes entscheiden, verwenden de facto dasselbe Geld. Dadurch markieren nationale Grenzen nicht mehr das volkswirtschaftliche Geschehen. Mit einem Goldgeldsystem wachsen die Volkswirtschaften vielmehr zu einer Weltvolkswirtschaft eng zusammen. Arbeits- und Faktormärkte sind in höchstem Maße miteinander verzahnt. Dadurch werden die internationale Arbeitsteilung und damit der materielle Wohlstand bestmöglich gefördert.


Box 2: Der internationale Goldmechanismus

Wenn unterschiedliche Länder Gold als Geld verwenden (und bestimmte Mengen Feingold zum Beispiel als USDollar, Pfund oder Franc bezeichnen), verwenden sie ein einheitliches Geld. Ihre Wirtschaften sind dann auf das Engste miteinander verwoben. Steigen zum Beispiel die Güterpreise in Land A an im Vergleich zu den Güterpreisen in Land B, nehmen in Land A die Exporte ab und die Importe zu. Die Bezahlung der importierten Waren in Gold verringert dann jedoch die Gold- und damit Geldmenge in Land A. Das wiederum trägt dazu bei, die Güterpreisinflation in Land A zu verringern, beziehungsweise die Güterpreise zu senken.

In Land B wächst hingegen die Gold- und Geldmenge hingegen an, und die dortigen Güterpreise nehmen zu. Das wiederum senkt in Land B die Exporte und erhöht die Importe. Mit anderen Worten: Das Goldgeld sorgt dafür, dass sich die Handelsbilanzen tendenziell ausgleichen. Über diesen Mechanismus kann ein Land keine autonome Konjunkturpolitik betreiben, kann sich nicht vom internationalen Wirtschaftsgeschehen isolieren. Es kann beispielsweise keine eigenständige Inflations- und Umverteilungspolitik betreiben. Das macht die Verwendung von Goldgeld aus Sicht von Regierungen und Politikern natürlich wenig attraktiv.



Die Realität: Pseudo- oder Fakegoldstandard

In der jüngeren Währungsgeschichte hat es keinen Goldstandard in der voranstehenden "Reinform" gegeben, sondern lediglich verschiedene Ausprägungen eines "Pseudo-" oder “Fake-Goldstandards” - monetäre Systeme also, die aus ökonomischer Sicht die Bezeichnung "Goldstandard" im Grunde gar nicht verdienen. Es ist daher verwirrend, ja geradezu irreführend, die Weltwirtschaftskrise der 1920er Jahre, die “Großen Depression”, in Verbindung mit dem Goldstandard zu bringen - beziehungsweise die Krise dem Goldgeld anlasten zu wollen.

Offiziell war zwar in dieser Zeit Gold das Grundgeld. Die Banken in den Vereinigten Staaten von Amerika und auch in vielen Ländern Europas operierten jedoch ungeniert und mit ausdrücklicher Duldung des Staates mit einer "Teilreserve": Die Banken erhöhten durch Kreditvergabe die Geldmenge "aus dem Nichts" - gaben also Geld aus, das nicht durch Gold gedeckt war. Das wiederum sorgte nicht nur für eine chronische Entwertung der Kaufkraft des Geldes. Es verursachte vor allem auch Wirtschaftsstörungen ("Boom und Bust"). Besonders unheilvoll war dabei die Rolle der Zentralbanken (wie noch deutlich werden wird).

Wer sich mit den Geschehnissen in den 1920er Jahren beschäftigt, der kommt nicht umhin zu erkennen, dass das internationale Geldsystem bestenfalls ein Pseudooder Fake-Goldstandard war; dass es - man muss es leider so sagen - große Ähnlichkeit hatte mit einem Betrugssystem. Lassen Sie uns diese Einschätzung genauer begründen, indem wir (i) die monetären Verhältnisse in den Vereinigten Staaten von Amerika (vor allem in den 1920er Jahren) skizzieren; (ii) uns an Großbritanniens halbherzige Wiederanbindung an das Gold erinnern; und (iii) die systemimmanente Dysfunktionalität des "Gold-Devisen-Standards" aufzeigen.

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Blick in die Währungsgeschichte

Durch das Münzgesetz von 1873 ("Coinage Act of 1873") wurde der US-Dollar gesetzlich nur noch in Gold-Feingewicht definiert: 20,67 US-Dollar entsprachen fortan einer Feinunze Gold; gleichzeitig wurde das Silber demonetisiert. Der Greenback war folglich Ausdruck für eine bestimmte, festgelegte Feingoldmenge. Den US-Banken wurde allerdings erlaubt, mit einer Teilreserve zu operieren: Banken gaben durch Kreditvergabe US-Dollar-Guthaben in Umlauf, die nicht durch Goldeinlage ihrer Kunden gedeckt waren. Das Ergebnis waren wiederkehrende Wirtschaftskrisen: beispielsweise die Rezessionen von 1873 und 1882-1885 sowie die Paniken von 1893, 1896 und 1907 und 1910-1911.


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