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"In den 1920er Jahren hat der Goldstandard versagt" - eine folgenschwere Fehldeutung der Geschichte

24.12.2018  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 4 -
Dass das Platzen des Inflations-Booms in eine Große Depression mündete, lag nun aber vor allem daran, dass sich die US-Administration daranmachte, den heimischen Wirtschaftsabschwung zu bekämpfen. Sie hebelte zusehends die Marktkräfte aus, die die Volkswirtschaften vermutlich recht bald zu einem neuen Gleichgewicht zurückführt hätten. In der Tat wurde vor allem in den USA, noch unter der Präsidentschaft von Herbert C. Hoover (1874-1964), eine große Zahl "marktfeindlicher" Maßnahmen zur Überwindung eingeleitet:

Hierzu zählten zum Beispiel Arbeitsbeschaffungsprogramme, Immigrationsrestriktionen, Preissubventionen in der Landwirtschaft und auch Versuche, die Nominallöhne vor dem Absinken zu bewahren (obwohl die Güterpreise fielen und folglich die Reallöhne immer weiter anstiegen, so dass der Faktor Arbeit sich immer weiter verteuerte). Der US-Wirtschaft wurde es de facto erschwert, zu einem neuen Gleichgewicht zurückzufinden. Sie blieb sprichwörtlich in der Unterbeschäftigung stecken.

Unser Aufsatz muss hier enden. Abschließend sei noch einmal hervorgehoben: Aus ökonomischer Sicht lässt sich das Goldgeld - der Goldstandard - nicht verantwortlich machen für das, was Ende der 1920er und frühen 1930er Jahren geschehen ist. Es war vielmehr die Verletzung der Regeln, insbesondere der Verstoß gegen die Eigentumsrechte der Gold- beziehungsweise Geldhalter, die zur Krise geführt hat; und es waren staatlichen Eingriffe in das Wirtschaftsleben, die die Überwindung der Bereinigungskrise so erschwert hat.

Natürlich war es, nachdem die Krise erst einmal offenkundig geworden war, mit Goldgeld nicht möglich, sich aus der Krise zu inflationieren - wie es die Gegner des Goldgeldes, die Befürworter des ungedeckten Papiergeldsystems, wohl nur gern gesehen hätten. Ist das aber ein Defizit des Goldgeldes? Wohl kaum. Eine Inflationspolitik hätte die Kapitalverzerrungen, die die vorangehende Inflation verursacht hat, nicht gelöst, sondern nur noch weiter verschlimmert. Doch das kann hier nicht weiter erörtert werden; dennoch will ich das als streitbare These, am Ende dieses Aufsatzes, so stehenlassen.

(*) Siehe zum Beispiel Bernake, B., James, H. (1991), The Gold Standard, Deflation, and Financial Crisis in the Great Depression: An International Comparison, NBER, Chicago Press, S. 33-68; Eichengreen, B., Temin, P. (2000), The Gold Standard and the Great Depression, in: Contemporary European History 9(2), S. 183-207; Eichengreen, B., Temin, P. (2010), Fetters of gold and paper, in: Oxford Review of Economic Policy, Oxford University Press, vol. 26(3), Autumn, S. 370-84. Für eine “ausgewogene” Sicht zum Goldgeld in den 1920er Jahren siehe White, L. H. (2008), Is the Gold Standard Still the Gold Standard among Monetary Systems?, Cato Institute, Brief Papers, No. 100. Eine umfassende und sehr bekannte Ausarbeitung zur Großen Depression wurde vorgelegt von Friedman, M., Schwarz, A. (1971, 1963), A Monetary History of the United States, 1867-1960, National Bureau of Economic Research Publications, Princeton University Press, Princeton. Die wohl aufschlussreichste Analyse der Großen Depression stammt von Rothbard, M. N. (1963, 2000), The Great Depression, 5th edition, Ludwig von Mises Institute, Auburn, US Alabama.


Anhang

Die nachstehende Graphik (entnommen aus Friedman/ Schwartz (1963), S. 282) zeigt eindrücklich, wie der Zufluss der Goldbestände in die USA zwar von der Fed teilweise "neutralisiert" wurde (indem die Fed ihre Kreditgewährung an die Banken zurückführte), dass aber die Fed dennoch die Basisgeldmenge ("High-powered money") kräftig anschwellen lies. Zu erkennen sind auch die Zinssenkungen im Jahr 1924. Sie wurden nachfolgend zwar revidiert, waren aber unzureichend, um die Spekulation wirksam einzudämmen. Auch zu sehen sind die Zinserhöhungen ab 1928, durch die die Fed dann die Überhitzung einzudämmen versuchte. Vermutlich waren es die Zinserhöhungen, die dem Boom letztlich das Wasser abgruben und den Bust einleiteten.

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Die untenstehende Graphik zeigt die Goldreserven der US-Fed-Banken in Mrd. US-Dollar (der offizielle Goldpreis betrug in dieser Zeit konstant 20,67 US-Dollar pro Feinunze). Ende 1914 betrugen sie 0,24 Mrd. US-Dollar. Am Ende des Ersten Weltkriegs, im November 1918, lagen sie jedoch schon bei 2,07 Mrd. US-Dollar - ein Plus von 763 Prozent! Das Gold wurde zusehends nach Amerika gebracht - eine Entwicklung, die in den 1930er und 1940er Jahren anhalten sollte.

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Quelle: Federal Reserve Bank of St. Louis


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


(1) Ab Dezember 1913 betrugen die Mindestreservesätze für Sichteinlagen von "Central Reserve City Banks" 18%, die für "Reserve City Banks" 15% und die für "Country Banks" 12%. Terminlagen unterlagen einem einheitlichen Satz von 5%. Im Juni 1917 wurden die Sätze gesenkt: die auf Sichteinlagen auf 13%, 10% und 7%, der Satz auf Terminlagen fiel auf 3%. Ein Anstieg der Reservesätze gab es erst wieder im August 1936. Siehe Feinman, J. N. (1993).


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