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Die Währungsgeschichte der Deutschen. Ein Trauerspiel in fünf Akten

03.02.2020  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die Ursprünge des Britischen Pfunds reichen in das 8. Jahrhundert nach Christi Geburt zurück, und noch heute ist es das Geld der Briten. Der US-Dollar ist seit 1792 - also seit 228 Jahren - das Geld der Amerikaner. Der Franc wurde 1795 zum Geld der Franzosen, und er hatte den Menschen der Grande Nation immerhin bis Ende 1998 gedient, also mehr als 200 Jahre. Der Schweizer Franken erblickte 1850 das Licht der Welt - und ist damit seit fast 170 Jahren im Dienst. Der japanische Yen wurde 1871 eingeführt, und er wird bis auf den heutigen Tag verwendet.

Und die Deutschen? In den letzten knapp 150 Jahren haben sie auffällig viele Währungen gehabt, viel mehr als andere große Volkswirtschaften. Die Deutschen hatten: Goldmark, Papiermark, Rentenmark, Reichsmark, D-Mark und - aktuell - Euro. Hinzuzählen müsste man eigentlich auch noch das Notgeld, die Alliierte Militärmark und - das betrifft die Ostdeutschen - die DDR-Mark. In den letzten knapp 1 1/2 Jahrhunderten gab es für die Deutschen im Durchschnitt alle 25 Jahre ein neues Geld. Die Währungsgeschichte der Deutschen war so gesehen also äußerst unstet.

Wer ein wenig Einblick in die Geldtheorie hat, der kann erahnen, wie schwerwiegend ein Währungswechsel für ein entwickeltes Gemeinwesen ist, welche wirtschaftlichen und politisch-sozialen Beschädigungen damit einhergehen. Die Fragen, die sich hier stellen, lauten: Waren die politischen Geschicke der Deutschen ursächlich für ihre unstete Währungsgeschichte? Oder verhält es sich umgekehrt: Waren es die unsteten Währungsverhältnisse der Deutschen, die ihnen politisch immer wieder zu großem Schaden (Krieg, Tyrannei, Vertreibung, Spaltung) gereichten?

Meine Antwort auf diese Fragen ist die: Es war der Staat, der dem Geld der Deutschen immer wieder zum Verhängnis wurde. Genauer gesagt war es ihre unheilvolle Staatsbegeisterung, die die Deutschen immer wieder zur Beute sozialistischer Großprojekte hat werden lassen, und die mit wiederkehrender Regelmäßigkeit ihr Geld ruinierten. So gesehen ist der Euro die Fortführung einer traurigen Währungsgeschichte, die den Deutschen, wenn kein Umsteuern einsetzt, nichts Gutes verspricht für ihre wirtschaftliche und politische Zukunft.

Damit ist die Katze aus dem Sack: Denn genau das ist das Bild, das ich Ihnen unter der Überschrift “Die Währungsgeschichte der Deutschen. Ein Trauerspiel in fünf Akten” vermitteln möchte. Doch bitte lesen sie weiter! Ich denke, die folgenden Zeilen werden noch genügend Lesenswertes bieten. Deshalb sage ich: “Vorhang auf für den 1. Akt des Trauerspiels!”


1. Akt

Das Gold ist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert mehr denn je als Geld gefragt; fast die ganze Welt befindet sich in einer Art "Goldrausch". Seit der Reform des US-amerikanischen Münzgesetzes im Jahr 1873 wird der US-Dollar nur noch in Goldgewicht definiert: 20,67 US-Dollar entsprechen einer Feinunze Gold. Das Britische Pfund ist schon seit dem Ende der Napoleonischen Kriege zu einer Goldwährung geworden, offiziell seit dem Jahr 1816. In Frankreich hat man bereits im Jahr 1795 eine Franc-Goldmünze geprägt und in Umlauf gebracht.

Und die Deutschen? Im Deutschen Bund nach 1815 verwendet man Silbergeld. Das ändert sich nach dem Sieg Preußens über Frankreich im Krieg von 1870-1871 und der Gründung des Deutschen Reiches. Frankreich muss Reparationen an Deutschland zahlen in Höhe von fünf Milliarden Franc in Gold. Mit diesem Gold stellt das Reich auf Goldgeld um. Am 4. Dezember 1871 wird die “Mark” (die auch als “Goldmark” bezeichnet wird) zur offiziellen Währung des Kaiserreichs erklärt und zum 1. Januar 1876 im gesamten Reichsgebiet eingeführt.

1 Goldmark entspricht 0,358423 Gramm Feingold (oder 1000/2790 Gramm Feingold). Am 1. Januar 1876 wird zudem die Reichsbank mit Sitz in Berlin gegründet; sie geht aus der Preußischen Bank hervor und wird Zentralbank des Reiches. Warum eine Zentralbank? Im Deutschen Reich ist es Gang und Gäbe, dass Banken per Kredit Banknoten und Giroguthaben ausgeben, die sie nicht (wie eigentlich versprochen) vollumfänglich in Edelmetall eintauschen können. Dieses sogenannte Teilreservesystem schwört immer wieder Vertrauensverluste, Bankenpleiten und Wirtschaftsstörungen herauf. Die Reichsbank soll als “Kreditgeber in der Not” dienen, soll die Teilreservepraxis ungestraft möglich machen.

Allerdings hat auch die Reichsbank keine Volldeckung. Auch sie operiert mit einer Teilreserve: Laut Reichsbankgesetz §17 muss nur 1/3 der umlaufenden Reichsbanknoten gedeckt sein: durch gültiges deutsches Geld, also Goldmark, Reichskassenscheine, Gold in Barren oder ausländischen Münzen; die übrigen 2/3 Drittel sind in Form von diskontierten Wechseln vorzuhalten. Wenn man also davon spricht, das Kaiserreich hätte einen klassischen Goldstandard gehabt, dann ist das eine falsche Deutung der Fakten. Es handelte sich vielmehr um einen Mogel- oder Pseudo-Goldstandard!

Das Kaiserreich ist da übrigens kein Einzelfall. Auch in den USA, England, Frankreich und anderswo operieren Zentralbanken und Geschäftsbanken mit einer Teilreserve!


Exkurs: Staat und Aggression

Halten wir an dieser Stelle kurz inne und führen uns vor Augen, welche Verbindung besteht zwischen Staat, Geld und Zentralbank. Aus dem Deutschen Bund von 1815 ist 1871 ein Großstaat geworden. Nicht zusammengebracht durch Freiwilligkeit der Menschen, sondern durch Gewalt und Aggression.

Drei Einigungskriege werden unter Preußens Leitung geführt: der Deutsch-Dänische Krieg 1864, der Deutsche Krieg 1866 und der Deutsch-Französische Krieg. Dass der Weg zum Großstaat gewaltsam war, ist alles andere als überraschend: Der Staat ist ein Aggressor, er ist ein territorialer Zwangsmonopolist mit Letztentscheidungsmacht über alle Konflikte in seinem Gebiet. Und als aggressive Instanz dehnt der Staat sich aus, wo er nur kann. Wie auch immer die Machtexpansion im Einzelfall aussieht: Stets beansprucht der Staat das Geldmonopol. So auch im Kaiserreich. Im Zuge seines monetären Eroberungsfeldzuges monopolisiert der Kaiserstaat die Münze und damit das Geld.

Der Staat etabliert eine Zentralbank, um die Gewinne des Teilreserve-Banksystems, von der vor allem auch er profitiert, bestmöglich auszuschöpfen. Mit der Reichsbank werden die monetären Missbrauchsmöglichkeiten des Kaiserstaates auf eine bisher nicht dagewesene Stufe gehoben. Mit fatalen Folgen für das deutsche Geld und die Deutschen, wie der 2. Akt nun zeigt.


2. Akt

Am 4. August 1914 beginnt der Erste Weltkrieg. Die deutsche Regierung stellt die Goldeinlösbarkeit der Mark sofort ein. Die Goldmark wird zur Papiermark. Denn das Kaiserreich will den Krieg auch mit der Ausgabe von Papiergeld finanzieren. Von 1914 bis 1918 steigt die Geldmenge erst langsam, dann immer schneller: von 5,9 auf letztlich 32,9 Mrd. Mark - insgesamt eine Ver-5-fachung der Papiermarkgeldmenge. Als Folge verdoppeln sich die deutschen Großhandelspreise in dieser Zeit - die Kaufkraft der Papiermark halbiert sich also.

Der Außenwert der Papiermark (bei Kriegsausbruch sind 4,2 Goldmark für 1 US-Dollar zu zahlen) fällt gegenüber dem Greenback um die Hälfte. Und weil man siegessicher in Berlin ist, setzt man zur Kriegsfinanzierung vor allem auf die Verschuldung - im Vertrauen darauf, dass nach dem Sieg die Besiegten die Rechnung bezahlen. Die Staatsverschuldung des Reichs beträgt 5,2 Mrd. Mark im Jahr 1914, im Jahr 1918 105,3 Mrd. Mark. Die Schulden ver-20-igfachen sich also. Die öffentliche Schuldenlast beläuft sich nun auf schätzungsweise fast 150 Prozent der Wirtschaftsleistung des Kaiserreiches.


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