Boom. Crash. Jetzt Bust? Oder doch zurück zu Boom?
13.03.2020 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
Corona-Virus und Börsenpanik zeigen: Die weltweite Kredit- und Geldarchitektur und mit ihr auch die Weltwirtschaft sind äußerst verwundbar, und es bedarf immer extremerer Eingriffe der Zentralbanken, um einen Kollaps zu verhindern. Warnende Rufer vor einem "Systemcrash" sind sehr ernst zu nehmen; doch es ist noch nicht zwangsläufig, dass sie schon jetzt Recht bekommen, so dramatisch sich die aktuelle Lage auch darstellt, so groß die Verunsicherung auch sein mag.
"Eigentlich weiß man nur, wenn man wenig weiß. Mit dem Wissen wächst der Zweifel." - Johann Wolfgang von Goethe
Seit Mitte Februar 2020 bis heute hat der US-Aktienindex S&P 500 kräftig Federn gelassen: Gut 22 Prozent hat er gegenüber seinem bisherigen Rekordwert verloren (Abb. 1 a), der DAX 28 Prozent. Noch drastischer ist der Absturz des Rohölpreises ausgefallen: Gegenüber Anfang 2020 hat sich der Preis halbiert - wobei der Rohölpreis allein am 10. März 2020 um gut 30 Prozent abgestürzt ist. Viele Anleger fragen sich vermutlich: Steht eine neue Weltwirtschaftskrise vor der Tür?
Ist der "Boom" der zurückliegenden Dekade endgültig an sein Ende gelangt, rutscht die weltweite Konjunktur jetzt in die Rezession? Das sind wichtige Fragen - und die Antworten bedürfen sorgfältiger Analyse und Abwägung.
(1) Diagnose: Nachfrage- und Angebotsschock
Die Sorge vor einer ungehemmten Ausbreitung des Corona-Virus (COVID-19) und der damit verbundenen Folgen hat zu einem negativen Nachfrage- und Angebotsschock geführt: Nachlassende Reisetätigkeit und Flugzahlen, verringerte Gaststätten- und Hotelbesuche und ausfallende Veranstaltungen bremsen die Wirtschaftstätigkeit - nicht nur in den unmittelbar betroffenen Branchen, sondern auch in den Zulieferindustrien.
Gleichzeitig gerät die arbeitsteilige Produktion weltweit in stocken, weil insbesondere auch chinesische Anbieter ihre Ausbringung eingeschränkt haben. Die Lagerbestände vieler Firmen können in Zeiten von "Just-in-Time" Zulieferausfälle nur für kurze Zeit ausgleichen. Eine Disruption in den internationalen Produktions- und Lieferketten ist schon Grund genug, Sorgen vor einer Rezession der Weltwirtschaft heraufzubeschwören.
(2) Die Gründe des Ölpreisabsturzes
Und dann auch noch der Rohölpreisverfall! Doch hier sind nun zwei Faktoren auseinanderzuhalten: Angesichts einer sich abschwächenden Weltkonjunktur hatte der Ölpreis schon ab Ende 2019 nachgegeben. Der Preissturz um mehr als 30 Prozent an den asiatischen Rohstoffbörsen am vergangenen Sonntagabend hatte einen anderen Grund: den Machtkampf zwischen der OPEC und Russland.
Saudi-Arabien und Russland als zweit- und drittgrößte Ölproduzenten der Welt wurden sich nicht über Fördereinschränkungen einig. Nun weitet Saudi-Arabien die Produktion aus und will damit Marktanteile gewinnen. Es war dieser "Preiskampf", den Ölpreissturz ausgelöst hat. Die drastische Verbilligung des Ölpreises ist daher nur eingeschränkt als ein Indikator für die Lage der Weltwirtschaft zu werten.
Eine Theorie zu "Boom-und-Bust"
Die Österreichische Schule der Nationalökonomie (ÖS) hält eine Theorie bereit, die die Folgen aufzeigt, die das Vermehren der Geldmenge durch Bankkreditvergabe verursacht - also einer Geldmengenvermehrung, die nicht durch echte Ersparnisse gedeckt ist. Die monetäre Konjunkturtheorie der ÖS lässt sich eins-zueins auf die aktuellen Verhältnisse anwenden: Die Zentralbank, in enger Kooperation mit den Geschäftsbanken, weitet per Kreditvergabe die Geldmenge aus. Dadurch werden die Marktzinsen künstlich abgesenkt.
Es wird daraufhin weniger gespart, mehr konsumiert, und die Unternehmen gehen zudem noch neue Investitionen an. Früher oder später verpufft jedoch die Wirkung des Kredit- und Geldmengenimpulses, und der Aufschwung ("Boom"), der zuvor in Gang gekommen ist, kippt in einen Abschwung um ("Bust") um. Die Produktion nimmt ab, die Arbeitslosigkeit steigt. Kreditnehmer wie auch Banken geraten in Bedrängnis. Um die Krise abzuwenden, senkt die Zentralbank die Zinsen noch weiter ab und pumpt noch mehr Kredit und Geld in die Volkswirtschaft. Der Bust wird auf diese Weise in einen neuerlichen Boom umgemünzt - und das ganze Spiel beginnt von neuem.
"Eigentlich weiß man nur, wenn man wenig weiß. Mit dem Wissen wächst der Zweifel." - Johann Wolfgang von Goethe
Seit Mitte Februar 2020 bis heute hat der US-Aktienindex S&P 500 kräftig Federn gelassen: Gut 22 Prozent hat er gegenüber seinem bisherigen Rekordwert verloren (Abb. 1 a), der DAX 28 Prozent. Noch drastischer ist der Absturz des Rohölpreises ausgefallen: Gegenüber Anfang 2020 hat sich der Preis halbiert - wobei der Rohölpreis allein am 10. März 2020 um gut 30 Prozent abgestürzt ist. Viele Anleger fragen sich vermutlich: Steht eine neue Weltwirtschaftskrise vor der Tür?
Ist der "Boom" der zurückliegenden Dekade endgültig an sein Ende gelangt, rutscht die weltweite Konjunktur jetzt in die Rezession? Das sind wichtige Fragen - und die Antworten bedürfen sorgfältiger Analyse und Abwägung.
Quelle: Refinitiv; Graphiken Degussa. *West Texas Intermediate (WTI).
(1) Diagnose: Nachfrage- und Angebotsschock
Die Sorge vor einer ungehemmten Ausbreitung des Corona-Virus (COVID-19) und der damit verbundenen Folgen hat zu einem negativen Nachfrage- und Angebotsschock geführt: Nachlassende Reisetätigkeit und Flugzahlen, verringerte Gaststätten- und Hotelbesuche und ausfallende Veranstaltungen bremsen die Wirtschaftstätigkeit - nicht nur in den unmittelbar betroffenen Branchen, sondern auch in den Zulieferindustrien.
Gleichzeitig gerät die arbeitsteilige Produktion weltweit in stocken, weil insbesondere auch chinesische Anbieter ihre Ausbringung eingeschränkt haben. Die Lagerbestände vieler Firmen können in Zeiten von "Just-in-Time" Zulieferausfälle nur für kurze Zeit ausgleichen. Eine Disruption in den internationalen Produktions- und Lieferketten ist schon Grund genug, Sorgen vor einer Rezession der Weltwirtschaft heraufzubeschwören.
(2) Die Gründe des Ölpreisabsturzes
Und dann auch noch der Rohölpreisverfall! Doch hier sind nun zwei Faktoren auseinanderzuhalten: Angesichts einer sich abschwächenden Weltkonjunktur hatte der Ölpreis schon ab Ende 2019 nachgegeben. Der Preissturz um mehr als 30 Prozent an den asiatischen Rohstoffbörsen am vergangenen Sonntagabend hatte einen anderen Grund: den Machtkampf zwischen der OPEC und Russland.
Saudi-Arabien und Russland als zweit- und drittgrößte Ölproduzenten der Welt wurden sich nicht über Fördereinschränkungen einig. Nun weitet Saudi-Arabien die Produktion aus und will damit Marktanteile gewinnen. Es war dieser "Preiskampf", den Ölpreissturz ausgelöst hat. Die drastische Verbilligung des Ölpreises ist daher nur eingeschränkt als ein Indikator für die Lage der Weltwirtschaft zu werten.
Quelle: Refinitiv; Graphiken Degussa.
Eine Theorie zu "Boom-und-Bust"
Die Österreichische Schule der Nationalökonomie (ÖS) hält eine Theorie bereit, die die Folgen aufzeigt, die das Vermehren der Geldmenge durch Bankkreditvergabe verursacht - also einer Geldmengenvermehrung, die nicht durch echte Ersparnisse gedeckt ist. Die monetäre Konjunkturtheorie der ÖS lässt sich eins-zueins auf die aktuellen Verhältnisse anwenden: Die Zentralbank, in enger Kooperation mit den Geschäftsbanken, weitet per Kreditvergabe die Geldmenge aus. Dadurch werden die Marktzinsen künstlich abgesenkt.
Es wird daraufhin weniger gespart, mehr konsumiert, und die Unternehmen gehen zudem noch neue Investitionen an. Früher oder später verpufft jedoch die Wirkung des Kredit- und Geldmengenimpulses, und der Aufschwung ("Boom"), der zuvor in Gang gekommen ist, kippt in einen Abschwung um ("Bust") um. Die Produktion nimmt ab, die Arbeitslosigkeit steigt. Kreditnehmer wie auch Banken geraten in Bedrängnis. Um die Krise abzuwenden, senkt die Zentralbank die Zinsen noch weiter ab und pumpt noch mehr Kredit und Geld in die Volkswirtschaft. Der Bust wird auf diese Weise in einen neuerlichen Boom umgemünzt - und das ganze Spiel beginnt von neuem.