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Die EZB und das Verbot der monetären Staatsfinanzierung. Ein (Er-)Klärungsversuch

28.06.2020  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 3 -
Mit seinem Urteil vom 11. Dezember 2018 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass das "Public Sector Purchase Programme" oder kurz "PSPP" der EZB nicht gegen das Verbot der monetären Haushaltsfinanzierung verstoße (und dass es übrigens auch nicht über das Mandat der EZB hinausgehe). Am 5. Mai 2020 hat deutsche Bundesverfassungsgericht über die Klage gegen die Zulässigkeit des PSPP geurteilt. (³)

Einen Verstoß gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung, wie es in Artikel 123 AEUV niedergelegt ist, haben die Karlsruher Richter beim PSPP ebenfalls ausdrücklich nicht festgestellt. Der Argumentation, dass die Anleihekäufe über ihre Wirkung auf die Sekundär- und Primärmärkte Artikel 123 AEUV aushebeln könnte, hat man sich nicht angeschlossen. Aus Sicht der Richter ist das PSPP nicht als eine Form der monetären Staatsfinanzierung einzustufen, "weil
  • das Volumen der Ankäufe im Voraus begrenzt ist,

  • die vom Eurosystem getätigten Käufe nur in aggregierter Form bekannt gegeben werden,

  • eine Obergrenze von 33% je Internationaler Wertpapierkennnummer eingehalten wird,

  • Ankäufe nach dem Kapitalschlüssel der nationalen Zentralbanken getätigt werden,

  • nur Anleihen von Körperschaften erworben werden, die aufgrund eines Mindestratings Zugang zum Anleihemarkt besitzen und

  • Ankäufe begrenzt oder eingestellt und erworbene Schuldtitel wieder dem Markt zugeführt werden sollen, wenn eine Fortsetzung der Intervention zur Erreichung des Inflationsziels nicht mehr erforderlich ist." (⁴)

Vor dem Hintergrund einer solchen Bewertung stellt sich die Frage, wie denn das allerneuste Anleiheaufkaufprogramm der EZB mit Namen "PEPP" (Abkürzung für "Pandemic Emergency Purchase Programme") zu beurteilen ist. Reicht es schon aus, wenn das PEPP gegen eines dieser Kriterien verstößt, um die Anleihekäufe als monetäre Staatsfinanzierung einzustufen? Oder müssen mehrere der aufgeführten Kriterien oder alle Kriterien verletzt sein? Während die Richter hier vermutlich reichlich Interpretations- und Urteilsspielraum erblicken, ist die ökonomische Sachlage (auch hier) recht klar.


Die unendliche Geschichte: Anleihekaufprogramme

Ein Hinweis zur Beantwortung der Frage, ob die EZB monetäre Staatsfinanzierung betreibt oder nicht, könnte man am Verhältnis zwischen den gekauften nationalen Staatsanleihen und dem jeweiligen Kapitalanteil der nationalen Euro-Zentralbanken am Eigenkapital der EZB festma-chen. Wenn die EZB "normale" Geldpolitik beitreibt, dürfte sie kein Land bevorzugen oder benachteiligen; sie müsste anteilig gleichmäßig Anleihen der Euroländer kaufen. Würde hingegen der Anteil einer nationalen Anleihe im EZB-Portfolio den Kapitalanteil der nationalen Euro-Zentralbank am EZB-Eigenkapital übersteigen, wäre das eine Bevorzugung des betreffenden Landes.

Die Zusammensetzung des EZB-PSPP-Portfolios für Ende Mai 2020 zeigt allerdings keine derartigen Auffälligkeiten (Abb. 2): Die Anteile der nationalen Schuldpapiere am EZB-PSPP-Portfolio überstiegen nicht die nationalen Anteil am EZB-Kapital ("Kapitalschlüssel"). Schuldpapiere aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden waren allerdings etwas unterpräsentiert.

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Quelle: EZB; eigene Berechnungen. Anleiheportfolio am 12. Juni 2020. Griechische Anleihen werden unter dem PSPP nicht gekauft. (1) Das in die EZB eingezahlte Kapital der nationalen Euro-Zentralbanken beträgt 7,6 Mrd. Euro. Die nationalen Euro-Zentralbanken halten damit 81,3 Prozent des EZB-Kapitals. (2) Am 12. Juni 2020 hielten die EZB und die nationalen Euro-Zentralbanken insgesamt 2.234 Mrd. Euro unter dem PSPP (inklusive Schulden in Höhe von 232,8 Mrd. Euro, die von supranationalen Institutionen gekauft wurden).


Beim PEPP zeigt sich bis Ende Mai 2020 eine Bevorteilung Italiens: Der Anteil der gekauften italienischen Anleihen lag mit 20 Prozent an den Gesamtkäufen des PEPP deutlich höher als der Anteil der Italiener am Eigenkapital der EZB in Höhe von 17,41 Prozent (Abb. 3). Frankreich und auch Deutschland wurden hingegen "benachteiligt".

Die Ankäufe wurden also nicht entsprechend dem Kapitalschlüssel der nationalen Zentralbanken getätigt. Ein Kriterium, dessen Erfüllung das Bundesverfassungsgericht genannt hat, damit kein Verstoß gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung vorliegt, ist also verletzt.


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