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Ohne "Bali-Out" System-Crash. Mit ihm die Knechtschaft

30.08.2020  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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12. Ein weiterer wichtiger Gedanke an dieser Stelle: Inflation kann dem Staat und den von ihm begünstigten Sonderinteressengruppen dazu verhelfen, noch machtvoller zu werden. Denn was passiert, wenn die Inflation kräftig anzieht, wenn alles teurer wird, wenn die breite Bevölkerung sich das Gewohnte nicht mehr leisten kann? Es werden Sündenböcke gesucht. Und vielleicht werden der amtierende Präsident oder die regierende Kanzlerin zum Teufel gejagt. Aber in der Stunde der Not fordern die Massen wahrscheinlich nicht weniger Staat und auch nicht das Ende des Fiat-Geldes - zumindest wenn man von der heute vorzufindenden Gesinnung in Politik und Gesellschaft ausgeht.

Es wird vermutlich nach einem besseren Staat und nach besseren Politikern gerufen! Krisen, besonders große Krisen, sind ein Wachstumselixier für den Staat - und sie treiben auch die Schaffung einer Welteinheitswährung, insbesondere wenn sie zur "Crash-Verhinderung" angepriesen wird, voran.

13. Es gibt eine ganze Reihe von Prognosen zu den wirtschaftlichen und finanziellen Folgen von Corona und der Lockdown-Krise. Mir scheint, dass viele von diesen Zukunftseinschätzungen die Krisenträchtigkeit des Fiatgeldsystems sehr wohl und gut durchschaut haben. Was allerdings häufig unterschätzt wird, so mein Eindruck, ist die Macht und die Ruchlosigkeit der oligarchisierten Demokratien, wenn es gilt, ihr System vor dem Einsturz zu bewahren. Das ist auch der Grund, warum ich die Wahrscheinlichkeit für einen unmittelbar bevorstehenden Währungs-Crash, für ein baldiges Ende des Papiergeldes, als relativ gering einschätze. Wohlgemerkt: Nicht auf null Prozent, aber doch eben recht gering.

Mir erscheint es viel wahrscheinlicher, dass den Regierenden und Regierten kein Preis zu hoch sein wird, den Papiergeld- und Systemkollaps abzuwenden durch einen quasi unbegrenzten "Bail Out". Er wird bekämpft, indem zum Beispiel die Daumenschrauben der finanziellen Repression noch stärker angezogen werden. Man gibt Helikoptergeld aus, spült der Bevölkerung neues Geld (zum Beispiel als bedingungsloses Grundeinkommen) auf ihre Konten, lässt sie damit teilhaben an der Geldmengenvermehrung und verlängert so ihre Systemtreue. Systemrelevanten Banken werden unbegrenzte Finanzspritzen verabreicht. Bankkunden können vermutlich schon bald ihre Guthaben 1:1 in digitales Zentralbankgeld eintauschen, die Sorge vor einem Bank Run ist damit passé.

Großunternehmen, aber auch kleinere und mittlere Firmen bekommen neue Kredite, wo nötig auch eine staatliche Hilfsbeteiligung. Wie das finanziert wird? Mit neuen Staatsschulden, die die Zentralbank mit neu geschaffenen Geld bezahlt. Das wird natürlich die Güterpreisinflation in die Höhe treiben - in Form von Konsumgüterpreisinflation oder Vermögenspreisinflation, wahrscheinlich aber einer Kombination aus beiden. Und sollte die Güterpreisinflation zu stark ansteigen, führt man Preiskontrollen oder Preisstopps ein - für zum Beispiel Lebensmittel, Mieten und Löhne (so wurde beispielsweise in den USA Anfang der 1970er Jahre vorgegangen).

Das bittere Ergebnis all dessen ist: Der Kampf gegen den Kollaps des Papiergeldsystems und der Auswüchse, die es gebracht hat, transformiert die westliche Welt in eine Lenkungs- und Befehlswirtschaft - ganz ähnlich der, die die Nationalsozialisten im Dritten Reich errichteten. Hier galt: Das Eigentum an den Produktionsmitteln blieb zwar formal erhalten, doch der Staat - durch Gesetze, Regulierungen und Vorgaben - lenkte Produktion und Verteilung zusehends nach seinem Willen. Dieser Weg - der Weg in die Befehls- und Lenkungswirtschaft - lässt sich, so fürchte ich, noch einige lange Jahre beschreiten, ohne dass es zu einem Ende des Fiatgeldes, zu einem System-Crash kommt.

Und damit haben Sie nun auch die Erklärung, warum der Vortrag den Titel trägt: "Ohne Bail-Out System-Crash. Mit ihm die Knechtschaft".

14. Abschließend noch ein paar Gedanken über die Geldanlage in den 1 bis 2 Jahren, die vor uns liegen. Eine der größten Herausforderungen für Anleger ist es, mit dem Geldwertschwund umzugehen. Die Kaufkraft von US-Dollar, Euro und Co wird schrumpfen, und zwar sehr viel stärker als in den letzten zwei Dekaden. Eine Möglichkeit, der Geldentwertung zu entgehen, ist das Halten von Gold und Silber (in physischer Form). Gold kann nicht von der Zentralbankpolitik entwertet werden. Es trägt auch kein Zahlungsausfallrisiko. So gesehen ist Gold eine Versicherung mit Wertsteigerungspotential.

Es wird ganz bestimmt auch eine neuerliche Papiergeldentwertung überstehen. Wenn Sie meine Zukunftseinschätzung teilen, dann sollten Sie auch darüber nachdenken, in Aktien zu investieren, im einfachsten Fall in einen diversifizierten Weltaktienmarkt-Index. Warum? Wenn Sie Produktivitätskapital besitzen, nehmen sie am Wohlstandszuwachs teil - und der ist auch in einer Lenkungswirtschaft noch möglich, wenngleich stark vermindert. (Beispiel: Von 1933 bis 1939 stieg der deutsche Aktienmarkt um jahresdurchschnittlich etwa 6,3% ohne Dividenden.)

Zudem werden die Kurse auf dem Aktienmarkt (wie auch die Preise für Immobilien) sehr wahrscheinlich durch den fortgesetzten Nullzinswahnsinn weiter ansteigen. Den Grund dafür erklärt diese Formel: P = D / i. Sie besagt, dass der Preis (P) eines Vermögensgutes (Aktien, Anleihe oder Haus) sich errechnet, indem man alle künftigen Einzahlungen (D) mit dem Zins (i) abdiskontiert.

Beispiel: Sie bekommen jedes Jahr 1000 Euro bis in die Unendlichkeit. Ist der Zins 5%, dann ist der Barwert der Zahlungsreihe 20.000 Euro (also 1000 / 0,05). Fällt der Zins auf 4%, steigt der Barwert auf 25.000 Euro. Und rutscht der Zins auf 1% ab, klettert der Barwert auf 100.000 Euro. Die Null- und Negativzinspolitik ist zwar längst dabei, die Vermögenspreise in die Höhe zu treiben - Aktien, Häuser, Grundstücke -, und verstärkt wird das noch durch das Ausweitgen der Geldmenge. Doch dieser Prozess ist, so denke ich, noch nicht abgeschlossen. Eine ganze Reihe von Zinsen in den Konsumenten- und Unternehmenskredit- und Hypothekarmärkten kann (und wird) noch gesenkt werden.

Konsequent zu Ende gedacht führt das, was ich hier angedacht habe, in eine Nullrenditewelt - in der nicht nur die Zinsen auf der Nulllinie liegen, sondern auch die Vermögenspreise so stark inflationieren, dass diejenigen, die sie zu diesen inflationierten Niveaus kaufen, keine positive Rendite mehr werden erzielen können.

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15. Sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren, damit bin ich am Ende meines Vortrages. Die Zukunft ist für uns Menschen weitgehend unsicher. Das gilt auch für meine in die Zukunft gerichteten Einschätzungen, die ich Ihnen vorgetragen habe. Das liegt nicht nur an der Unsicherheit künftiger Geschehnisse, sondern auch am Phänomen der Selbstnegation, das es im Bereich des menschlichen Handels gibt: Die Prophezeiung tritt deshalb nicht ein, weil ihre Verkündung die Menschen veranlasst, ihr Verhalten zu ändern. Ich jedenfalls wäre höchst erfreut, wenn meine Ausführungen genau dazu einen wirksamen Beitrag leisten: dass es anders kommt.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


¹ Siehe hierzu z. B. Brandt, T., Miltimore, J. (2019), Herbert Marcuse: The Philosopher Behind the Ideology of the Anti-Fascists, Foundation for Economic Education, 1 February.


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