Das betrügerische, das gefährliche Spiel mit der Inflation
11.09.2020 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die Zeichen der Zeit stehen auf künftig höhere Inflation. Die Inflation wird als der einfachste Ausweg aus der Überschuldung angesehen. Zudem besteht die Gefahr, dass zusehends marktwirtschaftsfeindliche Politiken eine höhere Inflation durchsetzen.
Inflationsgrund 1: Leere Kassen
Blickt man in die Währungsgeschichte, so war die Inflation der Güterpreise meist die Folge leerer Staatskassen. Genauer gesagt: Nachdem die Staaten ihre Einnahmequellen in Form von Besteuerung und Verschuldung ausgeschöpft hatten, gingen sie dazu über, die Notenpresse anzuwerfen, neues Geld zu erzeugen und es auszugeben, um ihre offenen Rechnungen zu bezahlen. Nach dem Motto: Lieber Preisinflation, also Geldentwertung, als Verlust der Herrschaftsmacht. Genau diese Einsicht hat der Ökonom Ludwig von Mises (1881-1973) im Jahr 1912 wie folgt auf den Punkt gebracht:
"Wir sahen, daß eine Regierung sich immer dann genötigt sieht, zu inflationistischen Maßnahmen zu greifen, wenn sie den Weg der Anleihebegebung nicht zu betreten vermag und den der Besteuerung nicht zu betreten wagt, weil sie fürchten muß, die Zustimmung zu dem von ihr befolgten System zu verlieren, wenn sich seine finanziellen und allgemein wirtschaftlichen Folgen allzu schnell klar enthüllen.
So wird die Inflation zu dem wichtigsten psychologischen Hilfsmittel einer Wirtschaftspolitik, die ihre Folgen zu verschleiern sucht. Man kann sie in diesem Sinne als ein Werkzeug antidemokratischer Politik bezeichnen, da sie durch Irreführung der öffentlichen Meinung einem Regierungssystem, das bei offener Darlegung der Dinge keine Aussicht auf die Billigung durch das Volk hätte, den Fortbestand ermöglicht."
Die Inflation ist eine Finanzierungsform des Staates. Man spricht daher auch von einer "Inflationssteuer". Auf das Halten von Geld erhebt der Staat gewissermaßen eine Gebühr, die der Geldhalter zu spüren bekommt, indem die Kaufkraft seines Geldes im Zeitablauf schwindet. Allerdings ist die Inflation eine heimtückische Steuer, die nur dadurch wirkt, dass sie die Bürger und Unternehmer täuscht.
Während die "offene Besteuerung" und die Verschuldung durch die Öffentlichkeit prinzipiell politisch kontrolliert werden können, ist das bei der Inflationsbesteuerung in der Regel nicht der Fall. Sie wird "überraschend" durch die Zentralbanken (und die Sonderinteressengruppen, die auf sie einwirken) auf den Weg gebracht, trifft die meisten Menschen unvorbereitet.
Inflationsgrund 2: Gesellschaftlicher Umsturz
Der beste Weg, die bürgerliche, die kapitalistisch-ausgerichtete Gesellschaft zu zerstören, ist die Inflationspolitik. Diese Aussage wird Vladimir Ilyich Ulyanov (1870-1924), besser bekannt als Lenin, zugeschrieben. (1) Erwiesenermaßen zerrüttet Inflation das Gemeinwesen. Die Inflation ist im Kern eine Umverteilung von Einkommen und Vermögen, und sie schafft folglich Gewinner und Verlierer: Und zwar gewinnen die Gewinner auf Kosten der Verlierer. Gewinner sind diejenigen, die von steigenden Preisen profitieren - weil sie zum Beispiel frühzeitig ihr Geld in solche Sachgüter (Aktien, Häuser, Grundstücke etc.) eingetauscht haben, deren Geldpreise inflationsbedingt ansteigen.
Die Verlierer sind die, die auf kaufkraftstabiles Geld gesetzt haben wie die Halter von Bankguthaben und festverzinslichen Wertpapieren. Aber auch Arbeitnehmer und Rentenbezieher haben das Nachsehen bei Inflation. Ihre Löhne und Pensionszahlungen werden meist nur (wenn überhaupt) mit einer zeitlichen Verzögerung an die steigenden Güterpreise angepasst. Und nicht zuletzt leidet das gesamte Wirtschaften unter der Inflation.
Denn wenn das Geld inflationiert, wird die Wirtschaftsrechnung erschwert: Unternehmen begehen Fehlkalkulationen und damit Fehlinvestitionen, die Wachstum und Beschäftigung schädigen. Die Inflation trifft insbesondere Menschen mit geringeren Einkommen. Sie können ihr in der Regel nicht entkommen. Das provoziert soziale und politische Konflikte.
Es sind diese Konflikte, die freiheits- und marktfeindliche Ideologen auf den Plan rufen, und die rasch den "Sündenbock" ausmachen: das kapitalistische System, die gierigen Investoren, die ungezügelten Kapitalmärkte, die "Reichen". Politische Programme werden beschworen, um die Inflation in den Griff zu bekommen, um die Gerechtigkeit wieder herzustellen: höhere und mehr Steuern, mehr Umverteilung; mehr Ge- und Verbote, Erlass von Preiskontrollen und Preisstopps - und damit mehr Lenkung und Überwachung des Wirtschafts- und Gesellschaftslebens.
Im Extremfall, im Fall der Hochinflation oder gar Hyperinflation, kommt es zu einer völligen Vergiftung, zu einer Zerrüttung des gemeinschaftlichen Miteinanders, droht der Zusammenbruch der bürgerlichen Ordnung.
Um die hohen volkswirtschaftlichen Kosten der Inflation zu verhindern, wurden "politisch unabhängige" Zentralbanken geschaffen. Die Idee war: Die Zentralbankräte sollten, ohne dem Einfluss von tagespolitischen Einflüssen zu unterliegen, für niedrige Inflation sorgen. Dieses Ziel wurde ihnen zudem per Gesetz vorgegeben.
Man kann nun trefflich darüber streiten, ob die Idee politisch unabhängiger Zentralbanken eine gute Idee ist oder nicht, oder ob sie in der bisherigen Praxis zu guten Ergebnissen geführt hat oder nicht. (Der Autor dieser Zeilen kommt beispielsweise zu einer sehr kritischen, negativen Beurteilung.) Viel bedeutsamer ist vielmehr, ob die Idee politisch unabhängiger Zentralbanken dem "neo-marxistischen Ansturm" etwas entgegenzusetzen hat.
Transformation mit Inflation
Seit Jahr und Tag breitet sich die kollektivistische-sozialistische Politik aus, sowohl dies- als auch jenseits des Atlantiks. Sie wird bislang angeführt von den "Gemäßigten", den demokratischen Sozialisten. Sie setzen auf eine graduell herbeigeführte Umgestaltung (Transformation) von Wirtschaft und Gesellschaft. Beispielsweise soll mit Steuererhöhungen in kleinen Schritten und über gestreckte Zeiträume das Privateigentum relativiert werden, der Staat soll die freien Märkte einhegen.
Die Gemäßigten befürworten dabei eine positive, aber relativ niedrige Inflation. Eine Inflation von, sagen wir, zwei Prozent pro Jahr reicht aus ihrer Sicht aus: Ohne großes Aufsehen kommt es aufgrund der progressiven Einkommenssteuer zu einem Anstieg der realen Besteuerung von Arbeitern und Unternehmern.
Doch mittlerweile haben die Gemäßigten Konkurrenz bekommen, und zwar von den "Radikalen", die zumeist auf dem Boden der neo- beziehungsweise kulturmarxistischen Ideenwelt stehen. Sie verkünden offen und ungeschminkt ihre Ziele, den Umsturz der bestehenden Verhältnisse: Sie wollen den "Umbau der Wirtschaft", die "große Transformation", die "neue Weltordnung", den "Neustart".
Ihre Anhänger sind sich in einem einig: Das Wenige, was vom kapitalistischen System noch übrig ist, wollen sie auch noch zertrümmert. Das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben der Menschen, so ihre Überzeugung, müsse voll und ganz von zentraler Stelle nach politischen Vorgaben gelenkt werden. Diese radikalen Kräfte drängen auf schnelle Erreichung ihrer Ziele durch harte Eingriffe. In der Geldpolitik(-theorie) sind sie bereits angekommen.
Beispielsweise in Form der "modernen Geldtheorie" (englisch: "Modern Monetary Theory" oder kurz "MMT"). Ihr zufolge soll der Staat sich das Geld, das er benötigt, selbst drucken, anstatt Steuern zu erheben oder sich bei Banken zu verschulden. Im Kern läuft die MMT darauf hinaus, den staatlichen Kredit jedweder Marktbewertung zu entziehen. In die Praxis umgesetzt, würde die Zentralbank zu einer Unterabteilung des Finanzministeriums werden - eine Situation übrigens, die in bis in die 1970er Jahre vielerorts Gang und Gäbe war, und die immer wieder für hohe, zuweilen auch sehr hohe Inflation sorgte.
Die Inflation "ist besonders gefährlich, weil die schädlichen Nachwirkungen selbst kleiner Dosen von Inflation nur durch größere Dosen von Inflation aufgeschoben werden können." - Friedrich August von Hayek
Inflationsgrund 1: Leere Kassen
Blickt man in die Währungsgeschichte, so war die Inflation der Güterpreise meist die Folge leerer Staatskassen. Genauer gesagt: Nachdem die Staaten ihre Einnahmequellen in Form von Besteuerung und Verschuldung ausgeschöpft hatten, gingen sie dazu über, die Notenpresse anzuwerfen, neues Geld zu erzeugen und es auszugeben, um ihre offenen Rechnungen zu bezahlen. Nach dem Motto: Lieber Preisinflation, also Geldentwertung, als Verlust der Herrschaftsmacht. Genau diese Einsicht hat der Ökonom Ludwig von Mises (1881-1973) im Jahr 1912 wie folgt auf den Punkt gebracht:
"Wir sahen, daß eine Regierung sich immer dann genötigt sieht, zu inflationistischen Maßnahmen zu greifen, wenn sie den Weg der Anleihebegebung nicht zu betreten vermag und den der Besteuerung nicht zu betreten wagt, weil sie fürchten muß, die Zustimmung zu dem von ihr befolgten System zu verlieren, wenn sich seine finanziellen und allgemein wirtschaftlichen Folgen allzu schnell klar enthüllen.
So wird die Inflation zu dem wichtigsten psychologischen Hilfsmittel einer Wirtschaftspolitik, die ihre Folgen zu verschleiern sucht. Man kann sie in diesem Sinne als ein Werkzeug antidemokratischer Politik bezeichnen, da sie durch Irreführung der öffentlichen Meinung einem Regierungssystem, das bei offener Darlegung der Dinge keine Aussicht auf die Billigung durch das Volk hätte, den Fortbestand ermöglicht."
Die Inflation ist eine Finanzierungsform des Staates. Man spricht daher auch von einer "Inflationssteuer". Auf das Halten von Geld erhebt der Staat gewissermaßen eine Gebühr, die der Geldhalter zu spüren bekommt, indem die Kaufkraft seines Geldes im Zeitablauf schwindet. Allerdings ist die Inflation eine heimtückische Steuer, die nur dadurch wirkt, dass sie die Bürger und Unternehmer täuscht.
Während die "offene Besteuerung" und die Verschuldung durch die Öffentlichkeit prinzipiell politisch kontrolliert werden können, ist das bei der Inflationsbesteuerung in der Regel nicht der Fall. Sie wird "überraschend" durch die Zentralbanken (und die Sonderinteressengruppen, die auf sie einwirken) auf den Weg gebracht, trifft die meisten Menschen unvorbereitet.
Inflationsgrund 2: Gesellschaftlicher Umsturz
Der beste Weg, die bürgerliche, die kapitalistisch-ausgerichtete Gesellschaft zu zerstören, ist die Inflationspolitik. Diese Aussage wird Vladimir Ilyich Ulyanov (1870-1924), besser bekannt als Lenin, zugeschrieben. (1) Erwiesenermaßen zerrüttet Inflation das Gemeinwesen. Die Inflation ist im Kern eine Umverteilung von Einkommen und Vermögen, und sie schafft folglich Gewinner und Verlierer: Und zwar gewinnen die Gewinner auf Kosten der Verlierer. Gewinner sind diejenigen, die von steigenden Preisen profitieren - weil sie zum Beispiel frühzeitig ihr Geld in solche Sachgüter (Aktien, Häuser, Grundstücke etc.) eingetauscht haben, deren Geldpreise inflationsbedingt ansteigen.
Die Verlierer sind die, die auf kaufkraftstabiles Geld gesetzt haben wie die Halter von Bankguthaben und festverzinslichen Wertpapieren. Aber auch Arbeitnehmer und Rentenbezieher haben das Nachsehen bei Inflation. Ihre Löhne und Pensionszahlungen werden meist nur (wenn überhaupt) mit einer zeitlichen Verzögerung an die steigenden Güterpreise angepasst. Und nicht zuletzt leidet das gesamte Wirtschaften unter der Inflation.
Denn wenn das Geld inflationiert, wird die Wirtschaftsrechnung erschwert: Unternehmen begehen Fehlkalkulationen und damit Fehlinvestitionen, die Wachstum und Beschäftigung schädigen. Die Inflation trifft insbesondere Menschen mit geringeren Einkommen. Sie können ihr in der Regel nicht entkommen. Das provoziert soziale und politische Konflikte.
Es sind diese Konflikte, die freiheits- und marktfeindliche Ideologen auf den Plan rufen, und die rasch den "Sündenbock" ausmachen: das kapitalistische System, die gierigen Investoren, die ungezügelten Kapitalmärkte, die "Reichen". Politische Programme werden beschworen, um die Inflation in den Griff zu bekommen, um die Gerechtigkeit wieder herzustellen: höhere und mehr Steuern, mehr Umverteilung; mehr Ge- und Verbote, Erlass von Preiskontrollen und Preisstopps - und damit mehr Lenkung und Überwachung des Wirtschafts- und Gesellschaftslebens.
Im Extremfall, im Fall der Hochinflation oder gar Hyperinflation, kommt es zu einer völligen Vergiftung, zu einer Zerrüttung des gemeinschaftlichen Miteinanders, droht der Zusammenbruch der bürgerlichen Ordnung.
Um die hohen volkswirtschaftlichen Kosten der Inflation zu verhindern, wurden "politisch unabhängige" Zentralbanken geschaffen. Die Idee war: Die Zentralbankräte sollten, ohne dem Einfluss von tagespolitischen Einflüssen zu unterliegen, für niedrige Inflation sorgen. Dieses Ziel wurde ihnen zudem per Gesetz vorgegeben.
Man kann nun trefflich darüber streiten, ob die Idee politisch unabhängiger Zentralbanken eine gute Idee ist oder nicht, oder ob sie in der bisherigen Praxis zu guten Ergebnissen geführt hat oder nicht. (Der Autor dieser Zeilen kommt beispielsweise zu einer sehr kritischen, negativen Beurteilung.) Viel bedeutsamer ist vielmehr, ob die Idee politisch unabhängiger Zentralbanken dem "neo-marxistischen Ansturm" etwas entgegenzusetzen hat.
Transformation mit Inflation
Seit Jahr und Tag breitet sich die kollektivistische-sozialistische Politik aus, sowohl dies- als auch jenseits des Atlantiks. Sie wird bislang angeführt von den "Gemäßigten", den demokratischen Sozialisten. Sie setzen auf eine graduell herbeigeführte Umgestaltung (Transformation) von Wirtschaft und Gesellschaft. Beispielsweise soll mit Steuererhöhungen in kleinen Schritten und über gestreckte Zeiträume das Privateigentum relativiert werden, der Staat soll die freien Märkte einhegen.
Die Gemäßigten befürworten dabei eine positive, aber relativ niedrige Inflation. Eine Inflation von, sagen wir, zwei Prozent pro Jahr reicht aus ihrer Sicht aus: Ohne großes Aufsehen kommt es aufgrund der progressiven Einkommenssteuer zu einem Anstieg der realen Besteuerung von Arbeitern und Unternehmern.
Doch mittlerweile haben die Gemäßigten Konkurrenz bekommen, und zwar von den "Radikalen", die zumeist auf dem Boden der neo- beziehungsweise kulturmarxistischen Ideenwelt stehen. Sie verkünden offen und ungeschminkt ihre Ziele, den Umsturz der bestehenden Verhältnisse: Sie wollen den "Umbau der Wirtschaft", die "große Transformation", die "neue Weltordnung", den "Neustart".
Ihre Anhänger sind sich in einem einig: Das Wenige, was vom kapitalistischen System noch übrig ist, wollen sie auch noch zertrümmert. Das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben der Menschen, so ihre Überzeugung, müsse voll und ganz von zentraler Stelle nach politischen Vorgaben gelenkt werden. Diese radikalen Kräfte drängen auf schnelle Erreichung ihrer Ziele durch harte Eingriffe. In der Geldpolitik(-theorie) sind sie bereits angekommen.
Beispielsweise in Form der "modernen Geldtheorie" (englisch: "Modern Monetary Theory" oder kurz "MMT"). Ihr zufolge soll der Staat sich das Geld, das er benötigt, selbst drucken, anstatt Steuern zu erheben oder sich bei Banken zu verschulden. Im Kern läuft die MMT darauf hinaus, den staatlichen Kredit jedweder Marktbewertung zu entziehen. In die Praxis umgesetzt, würde die Zentralbank zu einer Unterabteilung des Finanzministeriums werden - eine Situation übrigens, die in bis in die 1970er Jahre vielerorts Gang und Gäbe war, und die immer wieder für hohe, zuweilen auch sehr hohe Inflation sorgte.