Die Rentenmärkte stehen an einem extrem wichtigen Punkt
02.08.2007 | Claus Vogt
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Stattdessen zeige ich Ihnen eine Grafik, die ich in dieser Form bisher noch nicht gesehen habe. Sie stammt von dem Hedgefondsmanager John P. Hussman, einem klaren Verfechter der Fundamentalanalyse, dem es in seinen Publikationen immer wieder gelingt, interessante Aspekte der Aktienbewertung gekonnt darzustellen.Schauen Sie sich zuerst die typische graphische Darstellung des Fed-Modells an, wie Sie von seinen Verfechtern gerne gezeigt wird.
Das Fed-Modell angewendet auf den S&P 500 Index, 1979 bis 2007. Quelle: Hays Advisory
Dieses Modell setzt die Unternehmensgewinne mit dem Zins 10-jähriger Staatsanleihen ins Verhältnis.
Ist der Zins niedriger als die Gewinnrendite, dann interpretieren das die Anhänger des Modells
als Kaufsignal für den Aktienmarkt.
Tatsächlich scheint das Modell recht gute Ergebnisse geliefert zu haben. Es warnte vor dem Crash von 1987 und zeigte Ende der 90er Jahre eine drastische Überbewertung des Aktienmarkts an. Dass das Modell bereits im Herbst 2001 zum Einstieg blies, wird allerdings nur selten erwähnt. Stattdessen wird aber regelmäßig auf die angebliche deutliche Unterbewertung von Aktien hingewiesen, die Anfang Juni 2007 24% betragen soll, bezogen auf den S&P500.
Wenden wir uns jetzt einer nur unwesentlich veränderten Grafik desselben Modells zu. Genau genommen wurde hier gar nichts verändert. Es wurde nur der Betrachtungszeitraum erweitert. Die Grafik zeigt das Modell also nicht nur von 1979 bis heute, sondern von 1926 bis heute. Und siehe da, diesem Modell zufolge waren Aktien von 1926 bis Mitte der 80er immer extrem unterbewertet. Also auch am Top des Jahres 1929, dem ein Kurseinbruch von 90% folgte, auch Ende der 60er Jahre, als Aktien in den folgenden 15 Jahren inflationsbereinigt rund 75% an Wert verloren.
Dieses absurde Modell hält Aktien also so gut wie immer für unterbewertet. Und seine Benutzer können damit "guten Gewissens" fast immer zum Kauf von Aktien raten. Wenn es dieses Modell nicht bereits gäbe, dann müsste es die Marketingabteilung der durchschnittlichen Finanzdienstleister unbedingt erfinden.
Das Fed-Modell angewendet auf den S&P 500 Index, 1926 bis 2007. Quelle: www.hussmanfunds.com
Diesem absurden Modell zufolge sind Aktien also fast immer deutlich unterbewertet.
Das Karriere-Risiko
Nun sind Fondsmanager, Analysten und Strategen ja durchweg kluge und gebildete Menschen, die die Unzulänglichkeiten des Fed-Modells ebenso gut kennen wie ich. Warum finden sich in dieser Expertengruppe dennoch so viele, die dem Modell zu folgen scheinen?
Der aufgrund fundamentaler Analyse vorgehende Investor braucht sehr viel Geduld. Er muss gerade in von großer Euphorie geprägten Übertreibungsphasen in der Lage sein, gegen den Strom zu schwimmen. In Kenntnis der Stärken und Schwächen fundamentaler Kennzahlen muss ihm das prinzipiell nicht schwer fallen - solange er keine Kunden hat.
Denn die überwältigende Mehrheit der Kunden - ganz gleich, ob institutionelle oder private Kunden - ist heutzutage nicht mehr bereit, einer langfristig erfolgreichen Strategie treu zu bleiben. Die Ergebnisse von Fondsmanagern werden regelmäßig viel zu kurzfristig beurteilt - obwohl allgemein bekannt ist, dass eine sinnvolle Beurteilung nur über einen kompletten Wirtschaftszyklus hinweg vorgenommen werden kann, der viele Jahre umfasst.
Fondsmanager können es sich also kaum erlauben, eine langfristig erfolgreiche Methode umzusetzen, die das Durchstehen langer Durststrecken erfordert. Denn wenn sie das tun, verlieren sie Kunden oder sogar ihren Job. Dieser Zusammenhang ist in der Branche als Karriere-Risiko bekannt. Um dieses Karriere-Risiko zu minimieren, muss man dazu übergehen, immer möglichst voll investiert zu sein. Auf diese Weise stellt man sicher, in Zeiten steigender Kurse voll zu profitieren. Und in Baisse-Zeiten sitzen dann alle in einem Boot und behaupten, es sei nicht möglich gewesen, die drohende Baisse zu erkennen.
Das wichtige Thema Karriere-Risiko taucht erstaunlicherweise sehr selten in der Presse auf - obwohl es einen prägenden Einfluss auf die Finanzbranche hat. Einer der Wenigen, die relativ oft und sehr offen über diese gerne verschwiegenen Zusammenhänge sprechen, ist Jeremy Grantham, einer der besten Value-Investoren Amerikas, dessen Firma GMO rund 150 Mrd. Dollar institutioneller Gelder verwaltet. Graham blieb auch in den von absurder Massenhysterie geprägten Zeiten der großen Aktienblase Ende der 90er seinen fundamentalanalytischen Bewertungsmethoden treu. Das kostete seine Firma fast die Hälfte der verwalteten Gelder. Die institutionellen Investoren, die seine Dienste in Anspruch nahmen, hielten dem oben beschriebenen Druck steigender Kurse also nicht stand. Erst nach dem Platzen der Blase besannen sie sich wieder und kehrten gewissermaßen reumütig zurück.