Die Rentenmärkte stehen an einem extrem wichtigen Punkt
02.08.2007 | Claus Vogt
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US-Wirtschaft weiterhin auf RezessionskursIm ersten Quartal dieses Jahres betrug das US-Wirtschaftswachstum nur noch 0,6%, also weit weniger als die große Mehrheit der stets optimistischen Volkswirte für möglich gehalten hat. Ich habe Ihnen in den vergangenen Monaten ein paar Rezessionsindikatoren vorgestellt, die in der Vergangenheit extrem gute Dienste geleistet haben. Sie gaben unisono eine klare Rezessionswarnung. Das schwache Wachstum des ersten Quartals war also alles andere als überraschend.
US-Wirtschaftswachstum in% gegenüber Vorjahr, 2000 bis 2007. Quelle: Bureau of Economic Analysis
Die Mehrheit der Ökonomen hat noch nie eine Rezession vorhergesagt.
Überraschend ist lediglich die gewissermaßen massenhafte Weigerung von Ökonomen, Strategen, Analysten, Journalisten und zahlreichen Marktteilnehmern, die Warnungen der Rezessionsindikatoren sowie die fundamentale Überbewertung nahezu aller Vermögenswerte zur Kenntnis zu nehmen. Und diese geradezu euphorische Sorglosigkeit ließ vor allem in den USA die Schere zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung und der Entwicklung an den Aktienmärkten immer größer werden.
Ich beurteile die Risiken an den Finanzmärkten und in der Wirtschaft heute als deutlich größer als im Jahr 2000. Im Unterschied zu damals hat die Verschuldung noch einmal dramatisch zugenommen, die Sparquote ist in den USA negativ geworden und das US-Leistungsbilanzdefizit erheblich größer. Die im Jahr 2000 bereits sehr ausgeprägten ökonomischen Ungleichgewichte sind durch die Politik des extrem leichten Geldes der vergangenen Jahre leider nicht nur nicht beseitigt worden, sie wurden deutlich größer. Hier wurde der Teufel mit Beelzebub ausgetrieben oder - und dieses Bild halte ich für das bessere – der unter ersten Entzugserscheinungen leidende Alkoholiker wurde mit einer riesigen Dosis Schnaps behandelt.
Aufgehoben oder aufgeschoben?
Bisher ist meine in erster Linie auf einer Rezessionsprognose basierende Schlussfolgerung, dass die Aktienmärkte vor einer vermutlich ausgeprägten Baisse stehen, nicht eingetreten. Aufgehoben oder aufgeschoben? Eine Rezession, die nicht von einer Aktienbaisse begleitet wurde, gab es bisher noch nie. Also halte ich es weiterhin für sinnvoll, auch dieses Mal auf diesen bewährten Zusammenhang zu setzen und nicht darauf zu wetten, dass ausgerechnet dieses Mal alles anders ist als sonst.
Da von dem volkswirtschaftlich so wichtigen Immobiliensektor keine Anzeichen einer Stabilisierung oder gar Besserung kommen, gibt es aus fundamentaler Sicht keine überzeugenden Gründe, die für das Vermeiden einer Rezession sprechen. Der private Konsum hat gerade erst begonnen, die Folgen der Immobilienbaisse zu spüren. Über die im April erstmals seit Erhebung der Daten im Jahr 1970 rückläufigen Einzelhandelsumsätze hatte ich Sie bereits hingewiesen. Der private Konsum macht über 70% des Bruttosozialprodukts aus. Vor diesem Hintergrund scheint es mir weiterhin nur eine Frage der Zeit zu sein bis die Finanzmärkte damit beginnen werden, auf diese Entwicklungen mit fallenden Aktienkursen und einer Flucht in Staats-anleihen zu reagieren.
Spannende zeiten stehen bevor
Es sieht also zunehmend danach aus, als würden die kommenden Wochen und Monate sehr spannend werden. Denn die Märkte haben offensichtlich eine sanfte Landung der US-Wirtschaft eingepreist und lassen keinerlei Spielraum für ein weniger erfreuliches, aber leider sehr viel wahrscheinlicheres Szenario.
Vergessen Sie bitte nicht, dass die Risiken an den Finanzmärkten und in der Wirtschaft heute deutlich größer sind als im Jahr 2000. Im Unterschied zu damals hat beispielsweise die Gesamtverschuldung noch einmal dramatisch zugenommen und auch das US-Leistungsbilanzdefizit ist erheblich größer geworden. Selbst die Sparquote ist in den USA negativ geworden. Mit anderen Worten, die im Jahr 2000 bereits sehr ausgeprägten ökonomischen Ungleichgewichte sind durch die Politik des extrem leichten Geldes der vergangenen Jahre leider nicht nur nicht beseitigt worden, sie wurden sogar deutlich größer.
Ich erinnere Sie in diesem Zusammenhang an das sehr lehrreiche Buch von Laurence Meyer, der Ende der 90er Jahre Mitglied des obersten Entscheidungsgremiums der US-Notenbank war. Meyer lässt uns in diesem Buch wissen, dass sich die Entscheidungsträger der Fed im ersten Quartal 2000 aufgrund einiger offensichtlicher ökonomischer Ungleichgewichte ernsthafte Sorgen gemacht hätten. Er nennt die deutlich gestiegene Verschuldung der privaten Haushalte, aber auch der Unternehmen, das hohe Leistungsbilanzdefizit und die niedrige Sparquote. "Zusammengenommen waren das wirklich düstere Gedanken", so Meyer.
Alle genanten Ungleichgewichte sind heute sehr viel größer als damals. Denn die Notenbanken haben nach dem Platzen der Aktienblase mit ihrer extrem laxen Geldpolitik den notwendigen Bereinigungsprozess frühzeitig aufgehalten und damit die bereits bestehenden Probleme und Ungleichgewichte erheblich vergrößert. Wenn die Notenbankbürokraten damals "düstere Gedanken" hatten, dann müssen sie jetzt rabenschwarze haben.
Ich bin nach wie vor der festen Überzeugung, dass die Politik der Greenspan-Fed als eine der größten Fehlleistungen in die Finanzmarktgeschichte eingehen wird. Noch ist der Ausgang dieses sehr gewagten geldpolitischen Experiments, das mit dem hemmungslosen Einsatz der Gelddruckmaschine jene Problme lösen möchte, die ohne die Gelddruckmaschine überhaupt nicht aufgetreten wären, vollkommen offen.