Der Kampf um die Währungshoheit
30.07.2021 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
Dass das bestehende weltweite Fiat-Geldsystem zusehends in schwieriges Fahrwasser gerät, ist unübersehbar. Wohin es treibt, ist aber unklar. Eine besorgniserregende Entwicklung wäre das Entstehen eines einheitlichen Weltgeldes; ein Hoffnungsschimmer wäre ein freier Markt für Geld.
Warum Geld so wichtig ist
Für eine moderne, leistungsfähige Volkswirtschaft ist Geld - das allgemein akzeptierte Tauschmittel - zu unverzichtbar. Geld erleichtert das Tauschen, befördert dadurch die friedvolle und produktive Arbeitsteilung und hebt den Wohlstand der Menschen.
Der entscheidende Grund dafür ist: Mit Geld lässt sich eine Wirtschaftsrechnung durchführen. Indem die Menschen Geld als Rechnungseinheit, als allgemeine Bezugsgröße ("Numeraire"), verwenden, lässt sich die Rentabilität auch der komplexesten und aufwendigsten Produktionswege ermitteln und miteinander vergleichen. Das wiederum erlaubt den Marktakteuren, rationale Entscheidungen zu treffen, also was wann wo und wie und in welcher Menge zu produzieren und zu konsumieren ist.
Die produktive Wirkung des Geldes wird bestmöglich ausgeschöpft, wenn alle an der Arbeitsteilung teilnehmenden Menschen das gleiche Geld verwenden, also mit dem gleichen Geld ihre Wirtschaftsrechnung betreiben, national wie international.
So gesehen wäre ein Geld auf der Welt optimal. Diese ökonomische Einsicht war übrigens im letzten Viertel des 19. Jahrhundert Wirklichkeit: Alle wirtschaftlich bedeutenden Volkswirtschaften verwendeten Gold als Geld. Gold war quasi unausgesprochen das Weltgeld. Es vernetzte alle Volkswirtschaften auf das Engste miteinander, die internationale Arbeitsteilung wurde zum Nutzen aller Beteiligten vertieft. Doch leider: Den Repräsentanten der Staaten, die bekanntlich nach politischer Macht streben, war das Goldgeld ein Dorn im Auge.
Guter Goldstandard, schlechter Goldstandard
Nicht alles, was als Goldstandard bezeichnet wird, war (und ist) ein Goldstandard im wohlverstandenen ökonomischen Sinne. Ein "echter Goldstandard" zeichnet sich durch eine Reihe von Eigenschaften aus.
(1) Geld läuft in Form von Goldmünzen (Kurantmünzen) sowie Banknoten und Giroguten um, die jederzeit vollumfänglich in physisches Gold bei den Emittenten der Banknoten und Giroguthaben eingetauscht werden können.
(2) Die Geldmenge entspricht der physisch verfügbaren Währungsgoldmenge, und sie kann nur durch Förderung von neuem Gold oder Umwidmung von zum Beispiel Schmuck- und Industriegold in monetäres Gold vergrößert werden.
(3) Die Banken operieren mit einer Volldeckung: Das heißt, die ausstehende Geldmenge (Banknoten und Giroguthaben) ist zu 100 Prozent mit physischem Gold der Kunden gedeckt. (4) Wenn Banken Kredite vergeben (an Private, Unternehmen und/oder Staaten), dann wird lediglich vorhandenes Geld vom Sparer/Investor zum Schuldner weitergereicht; die ausstehende Geldmenge bleibt davon unberührt.
Vor diesem Hintergrund fällt es nicht schwer zu erkennen, dass es in der jüngeren Währungsgeschichte keinen "echten" Goldstandard gab, sondern bestenfalls so etwas wie einen "Pseudo-Goldstandard".
Selbst im ausgehenden 19. Jahrhundert, das häufig als das "Zeitalter des klassischen Goldstandards" bezeichnet wird, gab es keine Währungsordnung, die mit Fug und Recht als "echter Goldstandard" hätte bezeichnet werden können. Denn nicht nur Geschäftsbanken, auch Zentralbanken selbst operierten hier mit einer Teilreserve - gaben also mehr Geld aus, als sie durch physisches Gold decken konnten. Das sorgte immer wieder für große Probleme: Spekulationswellen, Banken-Pleiten, Wirtschaftskrisen und hohe Arbeitslosigkeit.
Das System von Bretton Woods war eine ganz besonders fragwürdige Ausprägung eines Pseudo-Goldstandards. Im Kern handelte es sich um einen Dollar-Devisen-Standard: Es war der US-Geldpolitik im Prinzip erlaubt, die Dollar-Geldmenge auch ohne entsprechende Golddeckung auszuweiten. Und bei festen Wechselkursen mussten die übrigen Nationen, die ihre Währungen an den US-Dollar gebunden hatten, eine solche inflationäre US-amerikanische Politik mitmachen. Kurzum: In der jüngeren Währungsgeschichte gab es keinen "echten Goldstandard".
Folglich sollte man auch nicht vorschnell historische Krisenentwicklungen als Ursache des Goldgeldstandards deuten. Vielmehr sind die großen wirtschaftlichen und monetären Erschütterungen (wie etwa die "Große Depression" 1929/33 oder die "Große Inflation" in den 1970er/ 1980er Jahren Folge von Verstößen gegen die Regeln des Goldgeldsystems, also gegen den "echten Goldstandard", zu interpretieren.
Den Ersten Weltkrieg, spätestens aber den Zweiten Weltkrieg, nutzten viele Staaten aus, um das Goldgeld loszuwerden, es durch ihr eigenes ungedecktes Geld - ihr "Fiat-Geld" - zu ersetzen. Bei Kriegsende 1945 hatten nahezu alle wichtigen Währungen keine Golddeckung mehr. Die Ausnahme bildete der US-Dollar. Allerdings hatten auch die US-Amerikaner bereits eine radikale Kehrtwende vollzogen.
Ab 1933 wurde in den USA der private Goldbesitz unter Strafe verboten. Die US-Banken mussten die Goldbestände ihrer Kunden an das Schatzamt abliefern, im Gegenzug dafür bekamen sie US-Dollar-Banknoten und -Giroguthaben bei der US-Zentralbank. Der US-Dollar war nur noch einlösbar in physisches Gold im Zusammenhang mit internationalen Zahlungen zwischen Zentralbanken.
Im Jahr 1944 beschlossen 730 Vertreter aus 44 Nationen das System von Bretton Woods. Der US-Dollar wurde zur "Weltreservewährung" erkoren. 35 US-Dollar entsprachen einer Feinunze Gold (also 31,10347… Gramm).
Alle anderen wichtigen Währungen der Welt wurden mit einem festen Wechselkurs an den Dollar gebunden. Auf diese Weise hatten auch sie eine - indirekte - Verankerung im physischen Gold. Dieser sogenannte Dollar-Devisen-Standard hatte allerdings einige Schwachstellen. Die USA verfügten bei Kriegsende über etwa Zweidrittel der weltweiten Goldwährungsreserven. Andere Länder konnten nur Goldreserven aufbauen, wenn sie gegenüber den USA Exportüberschüsse erzielten, die USA also dauerhaft eine negative Handelsbilanz auswiesen.
Inflationäre Geldpolitik
Dennoch funktionierte der Dollar-Devisen-Standard (der Pseudo-Goldstandard) von Bretton Woods zunächst recht gut. Die Volkswirtschaften erholten sich, der Welthandel kam wieder in Gang. Doch in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren verstrickten sich die USA zusehends in eine aggressive Außenpolitik. Sie wurde vor allem durch Ausgabe von neuen US-Dollar finanziert, die nicht durch Gold gedeckt waren. Die Folge war hohe Inflation. Das Vertrauen in den US-Dollar schwand. Immer mehr Nationen wollten daraufhin ihre US-Dollar-Guthaben in physisches Gold eintauschen.
Die US-amerikanische Goldreserve schmolz dahin wie Schnee in der Sonne. Amerika drohte zahlungsunfähig zu werden. Am 15. August 1971 beendete daher US-Präsident Richard Nixon (1913–1994) die Goldeinlösbarkeit des US-Dollar. Mit diesem unilateralen Beschluss hob die USAdministration ein weltweites ungedecktes Geldsystem, ein Fiat-Geldsystem, aus der Taufe. Seither wird in allen Volkswirtschaften der Welt neues Geld per Kreditvergabe "aus dem Nichts" durch Zentralbanken und Geschäftsbanken in Umlauf gebracht.
"Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem." - Röm. 12,21
Warum Geld so wichtig ist
Für eine moderne, leistungsfähige Volkswirtschaft ist Geld - das allgemein akzeptierte Tauschmittel - zu unverzichtbar. Geld erleichtert das Tauschen, befördert dadurch die friedvolle und produktive Arbeitsteilung und hebt den Wohlstand der Menschen.
Der entscheidende Grund dafür ist: Mit Geld lässt sich eine Wirtschaftsrechnung durchführen. Indem die Menschen Geld als Rechnungseinheit, als allgemeine Bezugsgröße ("Numeraire"), verwenden, lässt sich die Rentabilität auch der komplexesten und aufwendigsten Produktionswege ermitteln und miteinander vergleichen. Das wiederum erlaubt den Marktakteuren, rationale Entscheidungen zu treffen, also was wann wo und wie und in welcher Menge zu produzieren und zu konsumieren ist.
Die produktive Wirkung des Geldes wird bestmöglich ausgeschöpft, wenn alle an der Arbeitsteilung teilnehmenden Menschen das gleiche Geld verwenden, also mit dem gleichen Geld ihre Wirtschaftsrechnung betreiben, national wie international.
So gesehen wäre ein Geld auf der Welt optimal. Diese ökonomische Einsicht war übrigens im letzten Viertel des 19. Jahrhundert Wirklichkeit: Alle wirtschaftlich bedeutenden Volkswirtschaften verwendeten Gold als Geld. Gold war quasi unausgesprochen das Weltgeld. Es vernetzte alle Volkswirtschaften auf das Engste miteinander, die internationale Arbeitsteilung wurde zum Nutzen aller Beteiligten vertieft. Doch leider: Den Repräsentanten der Staaten, die bekanntlich nach politischer Macht streben, war das Goldgeld ein Dorn im Auge.
Guter Goldstandard, schlechter Goldstandard
Nicht alles, was als Goldstandard bezeichnet wird, war (und ist) ein Goldstandard im wohlverstandenen ökonomischen Sinne. Ein "echter Goldstandard" zeichnet sich durch eine Reihe von Eigenschaften aus.
(1) Geld läuft in Form von Goldmünzen (Kurantmünzen) sowie Banknoten und Giroguten um, die jederzeit vollumfänglich in physisches Gold bei den Emittenten der Banknoten und Giroguthaben eingetauscht werden können.
(2) Die Geldmenge entspricht der physisch verfügbaren Währungsgoldmenge, und sie kann nur durch Förderung von neuem Gold oder Umwidmung von zum Beispiel Schmuck- und Industriegold in monetäres Gold vergrößert werden.
(3) Die Banken operieren mit einer Volldeckung: Das heißt, die ausstehende Geldmenge (Banknoten und Giroguthaben) ist zu 100 Prozent mit physischem Gold der Kunden gedeckt. (4) Wenn Banken Kredite vergeben (an Private, Unternehmen und/oder Staaten), dann wird lediglich vorhandenes Geld vom Sparer/Investor zum Schuldner weitergereicht; die ausstehende Geldmenge bleibt davon unberührt.
Vor diesem Hintergrund fällt es nicht schwer zu erkennen, dass es in der jüngeren Währungsgeschichte keinen "echten" Goldstandard gab, sondern bestenfalls so etwas wie einen "Pseudo-Goldstandard".
Selbst im ausgehenden 19. Jahrhundert, das häufig als das "Zeitalter des klassischen Goldstandards" bezeichnet wird, gab es keine Währungsordnung, die mit Fug und Recht als "echter Goldstandard" hätte bezeichnet werden können. Denn nicht nur Geschäftsbanken, auch Zentralbanken selbst operierten hier mit einer Teilreserve - gaben also mehr Geld aus, als sie durch physisches Gold decken konnten. Das sorgte immer wieder für große Probleme: Spekulationswellen, Banken-Pleiten, Wirtschaftskrisen und hohe Arbeitslosigkeit.
Das System von Bretton Woods war eine ganz besonders fragwürdige Ausprägung eines Pseudo-Goldstandards. Im Kern handelte es sich um einen Dollar-Devisen-Standard: Es war der US-Geldpolitik im Prinzip erlaubt, die Dollar-Geldmenge auch ohne entsprechende Golddeckung auszuweiten. Und bei festen Wechselkursen mussten die übrigen Nationen, die ihre Währungen an den US-Dollar gebunden hatten, eine solche inflationäre US-amerikanische Politik mitmachen. Kurzum: In der jüngeren Währungsgeschichte gab es keinen "echten Goldstandard".
Folglich sollte man auch nicht vorschnell historische Krisenentwicklungen als Ursache des Goldgeldstandards deuten. Vielmehr sind die großen wirtschaftlichen und monetären Erschütterungen (wie etwa die "Große Depression" 1929/33 oder die "Große Inflation" in den 1970er/ 1980er Jahren Folge von Verstößen gegen die Regeln des Goldgeldsystems, also gegen den "echten Goldstandard", zu interpretieren.
Den Ersten Weltkrieg, spätestens aber den Zweiten Weltkrieg, nutzten viele Staaten aus, um das Goldgeld loszuwerden, es durch ihr eigenes ungedecktes Geld - ihr "Fiat-Geld" - zu ersetzen. Bei Kriegsende 1945 hatten nahezu alle wichtigen Währungen keine Golddeckung mehr. Die Ausnahme bildete der US-Dollar. Allerdings hatten auch die US-Amerikaner bereits eine radikale Kehrtwende vollzogen.
Ab 1933 wurde in den USA der private Goldbesitz unter Strafe verboten. Die US-Banken mussten die Goldbestände ihrer Kunden an das Schatzamt abliefern, im Gegenzug dafür bekamen sie US-Dollar-Banknoten und -Giroguthaben bei der US-Zentralbank. Der US-Dollar war nur noch einlösbar in physisches Gold im Zusammenhang mit internationalen Zahlungen zwischen Zentralbanken.
Im Jahr 1944 beschlossen 730 Vertreter aus 44 Nationen das System von Bretton Woods. Der US-Dollar wurde zur "Weltreservewährung" erkoren. 35 US-Dollar entsprachen einer Feinunze Gold (also 31,10347… Gramm).
Alle anderen wichtigen Währungen der Welt wurden mit einem festen Wechselkurs an den Dollar gebunden. Auf diese Weise hatten auch sie eine - indirekte - Verankerung im physischen Gold. Dieser sogenannte Dollar-Devisen-Standard hatte allerdings einige Schwachstellen. Die USA verfügten bei Kriegsende über etwa Zweidrittel der weltweiten Goldwährungsreserven. Andere Länder konnten nur Goldreserven aufbauen, wenn sie gegenüber den USA Exportüberschüsse erzielten, die USA also dauerhaft eine negative Handelsbilanz auswiesen.
Inflationäre Geldpolitik
Dennoch funktionierte der Dollar-Devisen-Standard (der Pseudo-Goldstandard) von Bretton Woods zunächst recht gut. Die Volkswirtschaften erholten sich, der Welthandel kam wieder in Gang. Doch in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren verstrickten sich die USA zusehends in eine aggressive Außenpolitik. Sie wurde vor allem durch Ausgabe von neuen US-Dollar finanziert, die nicht durch Gold gedeckt waren. Die Folge war hohe Inflation. Das Vertrauen in den US-Dollar schwand. Immer mehr Nationen wollten daraufhin ihre US-Dollar-Guthaben in physisches Gold eintauschen.
Die US-amerikanische Goldreserve schmolz dahin wie Schnee in der Sonne. Amerika drohte zahlungsunfähig zu werden. Am 15. August 1971 beendete daher US-Präsident Richard Nixon (1913–1994) die Goldeinlösbarkeit des US-Dollar. Mit diesem unilateralen Beschluss hob die USAdministration ein weltweites ungedecktes Geldsystem, ein Fiat-Geldsystem, aus der Taufe. Seither wird in allen Volkswirtschaften der Welt neues Geld per Kreditvergabe "aus dem Nichts" durch Zentralbanken und Geschäftsbanken in Umlauf gebracht.