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Zins, Inflation, Gold - und der "Great Reset"

05.11.2021  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 3 -
Die Schatten des "Great Reset"

Die Zentralbanken stehen nun aber unter wachsendem Druck: Das markante Ansteigen der Konsumgüterpreise gefährdet das Vertrauen der breiten Öffentlichkeit in das Geld. Und da die Zentralbanken ihr Geldmonopol verteidigen wollen, müssen sie ein "glaubwürdiges Vertrauenssignal" aussenden: also den Eindruck erwecken, sie nehmen es ernst mit der "Inflationsbekämpfung" (obwohl sie es ja selbst sind, die für das anhaltende Ansteigen der Güterpreise auf breiter Front die Verantwortung tragen).

Gleichzeitig dürfen sie aber den Kredit- und Geldzufluss nicht so stark abbremsen, dass das ganze Kreditkartenhaus in sich zusammenstürzt. Kann dieser Balanceakt gelingen? Die Frage lässt sich wohl nur vor dem Hintergrund der Schatten, die der "Great Reset" vorauswirft, beantworten.

Der "Great Reset" steht für die konkrete Idee eines politisch-ideologisch herbeigeführten Umbaus des heutigen Wirtschaft- und Gesellschaftssystems des Westens, die spätestens durch die politische Instrumentalisierung der Themen "Klimawandel" und "Coronavirus-Krise" rasant an Dynamik gewonnen hat. Die Kernidee des Great Reset ist es, dass der Mensch seine Geschicke auf dem Planeten nicht in einem System der freien Märkte gestalten soll, sondern dass Wirtschaft und Gesellschaft vielmehr nach politischen Vorgaben zu lenken sind.

"Die Vierte Industrielle Revolution", "Transhumanismus", Künstliche Intelligenz, Aufstieg der Genomik und Nanotechnologie, das "Social Credit System", die Verschmelzung von Mensch und Maschine sind Schlagworte, die andeuten, wie tiefgreifend der Great Reset aus Sicht seiner Protagonisten, die sich hinter der Initiative "World Economic Forum" (WEF) versammelt haben, das Leben des Menschen verändern soll.

Der Great Reset, in die Tat umgesetzt, liefe letztlich auf die Errichtung einer Art Befehls- und Lenkungswirtschaft hinaus: einer zunehmenden Verquickung von Lenkungsstaat und Großunternehmensinteressen (BigBusiness, BigBanking, BigTech, BigPharma) - man könnte auch von "Corporate Socialism", "Neo-Feudalismus" oder einer "Chinarisierung des Westens" sprechen -, die, entweder abgekoppelt vom Wählerwillen oder von ihm geduldet, richtungsweisenden Einfluss ausübt auf die Gestaltung der volkswirtschaftlichen Produktions- und Konsumstruktur - durch Ge- und Verbote, Regulierungen, Privilegien, Besteuerung, Mengen- und Preisvorgaben, etc.

Der Great Reset wirft bereits seine Schatten unverkennbar voraus, und da stellt sich natürlich auch die Frage, in welcher Weise er die Geldpolitik beeinflussen wird?

Vor allem die folgenden vier Faktoren dürften der Geldpolitik ihren prägenden Stempel aufdrücken. (1) Die Staaten drängen darauf, den Umbau der Volkswirtschaften, vor allem die damit einhergehende Abkehr von fossilen Energieträgern, aktiv voranzutreiben. Das wird der Privatwirtschaft gewaltige Finanzmittel abverlangen und auch die Staatskassen (die sich natürlich aus Steuern der Privaten speisen) belasten - vor allem auch dann, wenn die absehbaren Arbeitsplatzverluste in vielen Industrien zu bezahlen sind.

Die Zentralbanken geraten folglich noch stärker als bisher unter die "Fiskalische Dominanz" der Politik: Sie sollen die Finanzierungswünsche der Regierungen mit der Ausgabe von neuem Geld bei niedrigen Zinsen bedienen, und dieser Aufforderungen werden sich die Zentralbankräte wohl nicht ernsthaft entgegen stellen wollen.

(2) Die Verschuldungslage der meisten Staaten ist schon heute prekär. Um sie zu entschärfen, erscheint für viele Regierungen eine höhere Preisinflation ein probates Mittel zu sein: Wenn die Zentralbanken die Marktzinsen niedrig halten und gleichzeitig durch die Geldmengenausweitung - die insbesondere den Staatshaushalten zugutekommt - die Güterpreisinflation in die Höhe treiben, dann lässt sich die Schuldenlast des Staates in realer Rechnung reduzieren.

Das setzt allerdings voraus, dass die Staaten sich nicht weiter stark neuverschulden. Doch leider: Das Great-Reset-Projekt wird eine hohe Neuverschuldung wohl unaus-weichlich machen - denn anders sind die damit verbundenen staatlichen Ausgaben nicht finanzierbar. Also auch das wird die Zentralbanken anhalten, die Geldmengen recht ungestüm auszuweiten und die Preisinflation anzuheizen.

(3) Die fortgesetzte Ausweitung der Geldmengen zur Finanzierung der Staatsausgaben treibt die Güterpreisinflation in die Höhe. Das wiederum hilft, die ausstehenden Staatsschuldenlasten in realer Rechnung zu reduzieren und neue Schulden zu negativen Zinsen aufzunehmen - denn die Zentralbanken halten die Marktzinsen weiter künstlich so niedrig, dass die Rate der Geldentwertung unter dem nominalen Zins liegt.

Allerdings führt die Güterpreisinflation früher oder später auch zu erhöhten Staatsausgaben - zur Bezahlung von Aufträgen, Löhnen und Gehältern, Transfers etc. -, und so sorgt die Politik der Preisinflation für eine Politik der noch höheren Preisinflation. Zu befürchten ist, dass kurzsichtige Politiker sehr wahrscheinlich bereit sind, den kurzfristigen Nutzen der Inflation (Konjunkturbelebung) gegen die langfristig damit verbundenen Kosten (Kapitalfehllenkung, Zerstörung der Ersparnis etc.) auszuspielen.

(4) Und nicht zuletzt ist eine erhöhte Güterpreisinflation auch deshalb politisch akzeptabel, weil sie dazu beiträgt, die wahren Kosten des Wirtschafts- und Gesellschaftsumbaus zu verschleiern. Beispielsweise verringert die Ausweitung der Geldmenge die negative Wirkung der Energiepreisverteuerung auf Output und Beschäftigung:

Die Kosten zeigen sich (zunächst) vor allem in erhöhten Güterpreisen, in einer Entwertung des Geldes und der Ersparnisse, und nicht so sehr (und unmittelbar) in Produktionsverlusten und Arbeitslosigkeit. Um Akzeptanz für die Politik der höheren Preisinflation zu sorgen, verklären daher auch bereits einige Hauptstrom-Ökonomen eifrig die gestiegene Preisinflation als "notwendiges Opfer", als ein "Preis für die grüne Politik", den es sich lohne zu zahlen.

Es muss nicht gesondert betont werden, dass der politisch-ideologisch vorangetriebene Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft, verbunden mit einer inflationären Geldpolitik, vielfältige Risiken für die Anleger birgt.

Ein nahezu sicheres Opfer des Great Reset wird die Kaufkraft des Geldes sein. Sie wird unter der fortgesetzten, erhöhten Güterpreisinflation dahinschwinden. Dadurch werden die klassischen Anlageklassen wie Bankguthaben, Geldmarktfondsanteile und Anleihen ebenfalls ihre Werthaltigkeit einbüßen. Ein Umfeld künstlich gesenkter Zinsen, vor allem das Andauern des negativen Realzinsregimes, verbunden mit einem relativ hohen Geldmengenzuwachs, wird sehr wahrscheinlich die Vermögenspreise wie Aktien und Immobilien noch weiter in die Höhe treiben - wie voranstehend schon angemerkt.

Solch ein Inflationsprozess ist allerdings keine Einbahnstraße. Die Güterpreisinflation ist volkswirtschaftlich schädlich. Sie sorgt für Kapitalfehlleitungen und Kapitalverluste. Nicht allen Unternehmen wird es gelingen, die gestiegenen Produktionskosten auf die Absatzpreise zu überwälzen, und die Gewinne leiden. Die Preisinflation sorgt auch dafür, dass die Nachfrage nach vielen Gütern fällt, weil die Nachfrager Kaufkrafteinbußen erleiden.

Die Erträge von Immobilien leiden, wenn politisch motivierte Mietpreisstopps verhängt werden, oder wenn Firmen schließen und Gewerbeflächen keine Nachmieter finden. Die Umwälzungen, die mit dem Great Reset - wenn er sich auch nur annähernd so entfaltet, wie seine Befürworter es in Aussicht stellen -, werden viele Industriezweige zurückdrängen, zum Verschwinden bringen, andere expandieren, neu entstehen lassen. In einem solchen Umfeld, in dem die Risiken, die Unwägbarkeiten, besonders hoch sind, erscheint ein Mindestmaß an Diversifizierung des Portfolios ratsam zu sein.


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