Zins, Inflation, Gold - und der "Great Reset"
05.11.2021 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Welche Rolle spielen dabei physisches Gold und Silber? Mit Blick auf die letzten etwa 14 Monate haben sie ihre Wertaufbewahrungs- beziehungsweise Versicherungsfunktion, auf die viele Edelmetallanleger setzen, keineswegs "glänzend" erfüllt. So ist die US-Geldmenge M2 seit Ende 2019 bis heute um 35 Prozent angestiegen, der Goldpreis nur um 18 Prozent, der Silberpreis um 37 Prozent. Im Vergleich dazu: Der US-amerikanische Aktienmarktindex S&P500 ist um 40 Prozent gestiegen, der Bitcoin-Preis sogar um 782 Prozent. Ganz offensichtlich waren Gold und Silber nicht die erste Wahl für die Anleger in Krisenzeiten. Es war vermutlich vor allem das "Sicherheitsnetz", das die Zentralbanken unter die Volkswirtschaften gespannt haben, das die Befürchtungen vor einem Systemzusammenbruch zurückgedrängt hat. Die Geldanlage in Aktien, Häusern und Kryptoeinheiten wurde dadurch ermuntert, Gold und Silber hatten das Nachsehen,
Quelle: Refinitiv, Berechnungen Degussa. *Leitzins abzüglich Jahresveränderung der Konsumgüterpreise.
Angesichts einer zusehends digitalisierten Welt, einer Welt, die dem Great Reset geradezu entgegendrängt, könnte eine Empfehlung für das Halten von Edelmetallen allzu leicht als "überholt", "unmodern", ja als "aus der Zeit gefallen" erscheinen. Doch das wäre vorschnell geurteilt. Physisches Gold und Silber sind zum einen unverzichtbare Metalle in der Industriefertigung und -anwendung. Allein diese Nachfragekomponenten garantieren ihnen quasi einen positiven Marktpreis, machen das Szenario eines "Totalverlustes" sehr unwahrscheinlich, auch wenn ihr Mengenangebot im Zeitablauf weiter zunimmt.
Vor allem aber zeichnen sich Gold und Silber durch Eigenschaften aus, die sie zu einem - langfristig gesehen - verlässlichen Wertaufbewahrungsmittel, zu gutem Geld machen im Vergleich zum ungedeckten Geld in Form des US-Dollar, Euro, chinesischem Renminbi und anderen offiziellen Währungen auf der Welt.
Auch in Zeiten des Great Reset verlieren die Edelmetalle nicht ihre vorzüglichen monetären Eigenschaften. Vielmehr wird vor allem das Gold wohl die einzig verbleibende, währungshistorisch bewährte Geldart sein, die nicht durch geldpolitische Machenschaften entwertet werden kann. Und anders als das ungedeckte Buchgeld - das sehr wahrscheinlich zu einem digitalem Zentralbankgeld mutieren wird - unterliegt der Tauschwert des Edelmetalls auch keinem Kontrahentenrisiko. Man sollte zudem nicht der Illusion erliegen, der Great Reset, die voranschreitende Digitalisierung würden die Probleme, für die das Fiat-Geldsystem gesorgt hat, geräuschlos aus der Welt schaffen.
Kryptoeinheiten sind vermutlich eine Möglichkeit, der anstehenden Entwertung von US-Dollar, Euro & Co zu entkommen. Aber sie sind, Stand heute, noch nicht die endgültige Lösung des Geldproblems. Gold wird dabei sehr wahrscheinlich eine bedeutende Rolle spielen. Das sehen übrigens auch einige Investmentprofis so. In einem Interview mit CNBC am 4. August 2021 sagte Investor Ray Dalio auf die Frage, was er wählen würde, Gold oder Bitcoin: "If you put a gun to my head, and you said, "I can only have one’, I would choose gold." Man kann davon ausgehen, dass Ray Dalio sich intensiv mit den Folgen des Great Reset beschäftigt hat.
Goldmarkt in Q3 2021
Am 28. Oktober 2021 hat das World Gold Council die Angebots- und Nachfragedaten für das dritte Quartal 2021 bekannt gegeben.
Insgesamt gab die weltweite Goldnachfrage um 7% gegenüber dem Vorjahr (J/J) auf 830,8 Tonnen nach. Das lag aber fast ausschließlich an den Abflüssen aus den Gold-ETFs (siehe weiter unten).
Die Goldschmucknachfrage stieg um 33% gegenüber dem Vorjahr auf 442,6 Tonnen (Indien: +58% J/J auf 96,2 Tonnen, China: +32% J/J auf 156,8 Tonnen).
Die Investmentnachfrage nach Gold fiel um 53% J/J auf 235,0 Tonnen - wobei das Vorjahresquartal mit +495,0 Tonnen besonders "kräftig" ausgefallen war. Ein "Dämpfer" im dritten Quartal 2021 war der Rückgang der ETF-Goldbestände, die um 26,7 Tonnen abnahmen. Goldbarren- und Goldmünznachfrage stiegen hingegen um 18% J/J auf 261,7 Tonnen (Indien: +27% J/J auf 42,9 Tonnen, China: +12% J/J auf 64,7 Tonnen).
Die Goldnachfrage der Zentralbanken fiel auf 69,3 Tonnen, eine Verlangsamung um 64% gegenüber dem Vorquartal (nach einem Rückgang von 10,6 Tonnen im dritten Quartal 2020).
Die Goldnachfrage seitens der Industrie stieg um 9% J/J auf 83,8 Tonnen (Elektronik: +9% J/J, andere Industrieanwendungen: +10% J/J, Dentalgold: -8% J/J).
Das gesamte Goldangebot ging um 3% J/J auf 1238,9 Tonnen zurück. Das Goldangebot aus den Minen stieg um 4% J/J auf 959,5 Tonnen, das Recycled Gold fiel um 22% J/J auf 298,0 Tonnen.
Insgesamt betrachtet blieb der Trendverlauf der Goldnachfrage in Q3 2021 weiter nach oben gerichtet. Die Nachfrage nach Gold-ETFs hat sich allerdings wieder als recht schwankungsanfällig erwiesen. Nach der Korrekturphase des Goldpreises, die Anfang 2020 einsetzte, sind die Aussichten zunehmend positiv dafür, dass der Goldpreis wieder auf seinen langfristigen Aufwärtstrend einschwenken wird, vor allem auch angetrieben durch die nach wie vor inflationäre Geldpolitik dies- und jenseits des Atlantiks.
Physisches Gold ist und bleibt eine unverzichtbare Versicherung gegen Inflation und Zahlungsausfälle für jeden Anleger und Investor.
© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH