Weltwirtschaft 2022: Mehr Inflation. Weniger Wachstum. Auf Gold und Silber setzen
21.01.2022 | Prof. Dr. Thorsten Polleit

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Quelle: Refinitiv; Berechnungen Degussa. Realzins entspricht Nominalzins minus Jahresveränderung
der Konsumgüterpreise. Schattierte Fläche: Januar ‘22 bis Dez. ‘23.
der Konsumgüterpreise. Schattierte Fläche: Januar ‘22 bis Dez. ‘23.
Die Europäische Zentralbank (EZB) wird ebenfalls an der Zinsschraube drehen, aber nur ganz leicht. Wir erwarten, dass die Geldbehörde vielleicht schon im Sommer beginnt, in ganz kleinen Schritten den Einlagenzins (der derzeit bei minus 0,5 Prozentpunkte liegt) in Richtung der Nulllinie zu schleusen, und dass sie vielleicht einen ersten Zinsschritt gegen Ende 2022 vollziehen wird.
Allerdings wird das nicht ausreichen, die Inflation der Güterpreise in den kommenden Jahren auf beziehungsweise unter die 2-Prozentmarke zurückzuführen. Für die Euro-Geldhalter bedeutet das: Der Euro-Realzins bleibt noch lange negativ, die Kaufkraftentwertung des Euro geht weiter. Für Anleger im Euroraum besteht zudem das Risiko, dass die Geldentwertung größer wird, als es derzeit erwartet wird.
Gold: Wird auch künftig glänzen
Das bringt uns zur Frage: Was kann der Anleger machen, um sich vor Geldwertschwund zu schützen? Die Antwort auf diese Frage ist schwieriger, als es vielleicht zunächst erscheinen mag. Das liegt daran, dass die Ziele, das Risikobewusstsein und die Möglichkeiten von Anleger zu Anleger mitunter sehr unterschiedlich sind, es also vermutlich keine Antwort gibt, die für alle geeignet ist. Eine Maßnahme jedoch, die vermutlich sehr viele ergreifen können, ist das Halten von physischem Gold und Silber. Dazu nun ein einige grundsätzliche Anmerkungen.
In der Zeit von 1970 bis 2021 ist der Goldpreis (USD/oz) um jahresdurchschnittlich 9,8 Prozent gestiegen, in der Zeit von 2000 bis 2021 um 9,6 Prozent (Abb. 4). Zwar waren dabei die Schwankungen der jährlichen Preiszuwächse durchaus ausgeprägt. Aber diese Zahlen belegen doch recht eindrücklich, dass sich das Halten von Gold für langfristig orientierte Anleger im wahrsten Sinne des Wortes bezahlt gemacht: Wer Gold geduldig für lange Zeit gehalten hat, der wurde nicht nur für die laufende Inflation der Konsumgüterpreise entschädigt, er hat auch einen realen Wertzuwachs erzielen können - und hat damit die offiziellen Währungen US-Dollar, Euro & Co "geschlagen".

Quelle: Refinitiv; Berechnungen Degussa. Jahresdurchschnittliche Werte. Periode 1970 bis 2021: +9,9% pro Jahr im Durchschnitt (dargestellt durch gestrichelte Linie), für Periode 2000 bis 2021: +9,6%.
Auch im Vergleich zu anderen Asset-Klassen hat sich Gold bewährt. So lag der jahresdurchschnittliche Zuwachs des Goldpreises von Anfang 1973 bis Dezember 2021 bei knapp 6,9 Prozent, der für US-Aktien bei 11,2 Prozent - wobei zu beachten ist, dass für den deutschen Anleger der Ertrag für das Gold steuerfrei, während von der Rendite für US-Aktien noch die Kapitalertragssteuer abzuziehen war. (Zudem sei hier betont, dass der hier verwendete US-Aktienmarktindex ein "Performance-Index" ist: Dividenden werden reinvestiert, wobei dabei keine Dividendensteuer berücksichtigt wird. So gesehen sind die Renditen, die ein Aktien-Performance-Index ausweist, für den Anleger de facto gar nicht erzielbar.)

Quelle: Refinitiv; eigene Berechnungen. CPI bis Nov '21.
Vor allem zeigt sich, dass das Gold besser abgeschnitten hat als verzinsliche US-Dollar-Bankdepositen. (Der Greenback wird hier als repräsentativ für das ungedeckte Geld angeführt). In der Zeit von den frühen 1970er Jahren bis Ende 2021 lag der jahresdurchschnittliche Zuwachs des Goldpreises merklich über der Inflationsrate der Konsumgüterpreise.
Diese "Outperformance" des Goldes gegenüber dem ungedeckten Geld hat in den letzten zwei Dekaden noch zugenommen: Von Mitte 2007 (also kurz vor Ausbruch der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise) bis Ende 2021 lag der jahresdurchschnittliche Preiszuwachs des Goldes bei 6,7 Prozent, während der Wertzuwachs für kurzlaufende US-Dollar-Bankguthaben bei nur 0,6 Prozent lag und damit deutlich unterhalb der Inflation der Konsumgüterpreise von knapp 1,9 Prozent.