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Weltwirtschaft 2022: Mehr Inflation. Weniger Wachstum. Auf Gold und Silber setzen

21.01.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Die nachstehende Abbildung zeigt die jährliche Inflation der Konsumgüterpreise in Prozent in den USA und Deutschland von 1965 bis 1985. Wie zu erkennen ist, wies der Inflationsprozess in dieser Zeit einen wellenförmigen Verlauf auf: Unter Schwingungen stieg die Inflation im Zeitablauf immer weiter an - und in Deutschland erreichte der Inflationszyklus seinen Hochpunkt Anfang 1974, in den USA hingegen erst Mitte 1980. Wie erklärt sich der wellenähnliche Verlauf der Inflation? Dazu muss man zunächst wissen, dass Inflation keine Naturkatastrophe, sondern dass sie menschengemacht ist.

Hinter einem Inflationsprozess verbirgt sich stets eine politische Agenda: Der Staat treibt die Konjunktur mit neu geschaffenem Geld an, das ihm die Zentralbank zur Verfügung stellt. Das Ausweiten der Geldmenge sorgt früher oder später für steigende Güterpreise, was für die meisten Menschen unerwartet kommt.

Die unerwartet hohe Inflation beschert ihnen Verluste, und nachfolgend passen sie ihre Inflationserwartungen nach oben an: In den Lohn-, Miet- und Kreditverträgen wird fortan eine erhöhte Inflationsrate zugrundegelegt, und das wiederum treibt die Güterpreise weiter in die Höhe. Der Staat, will er sich durch Inflation (Ausweitung der Geldmenge) finanzieren oder die Wirtschaft weiter antreiben, muss daraufhin für erneute "Überraschungsinflation" sorgen.


In einem solchen Prozess wird die Inflation nicht sofort und unmittelbar "wie mit dem Lineal gezogen" ansteigen. Vielmehr stellen sich auch Phasen ein, in denen die Inflation etwas nachlässt (weil sich zum Beispiel "Basiseffekte" einstellen oder Energiepreise nachgeben). Sobald jedoch die Zentralbank für erneute Überraschungsinflation sorgt, schrauben die Marktakteure ihre Inflationserwartungen in die Höhe - und zwar stärker als bisher, weil sie aus dem vorangegangenen Inflationsbetrug gelernt haben. Deshalb wird die „zweite Inflationswelle“ höher ausfallen als die "erste Inflationswelle".

Ist ein solcher Inflationsprozess erst einmal in Gang gekommen, bedarf es einer "Stabilisierungsrezession", um diesen unheilvollen Trend zu brechen und das Vertrauen in niedrige Inflation wiederherzustellen. Das aber ist politisch heikel. Und solange die Bereitschaft bei den Regierenden und Regierte nicht vorhanden ist, die Inflation zu stoppen, auch wenn es dazu eine Rezession und Arbeitslosigkeit bedarf, kann sie eine ganze Weile andauern - und im Auf und Ab der Inflationszahlen in einem langgestreckten Prozess die Kaufkraft des Geldes stark herabsetzen. In der oben betrachteten Periode hat die D-Mark 56 Prozent ihrer Kaufkraft eingebüßt, die des US-Dollar sogar 72 Prozent.

Die Inflation ist nicht nur auf das Ansteigen der Konsumgüterpreise beschränkt. Sie zeigt sich auch im Ansteigen der Vermögenspreise - wie zum Beispiel Aktien- und Häuserpreisen. Die "Vermögenspreisinflation" ist für die Geldhalter genauso problematisch wie die Inflation der Konsumgüterpreise: Auch sie setzt die Kaufkraft des Geldes herab. Vor allem aber spielt die Inflation dem Staat in die Hände. Denn er (und die von ihnen begünstigten Gruppen) ist der große Gewinner. Beispielsweise durch die "kalte Progression": Wenn die Löhne an die Inflation angepasst werden, rutschen die Einkommensverdiener in eine höhere Grenzbesteuerung. Dadurch steigt ihre reale Steuerlast, die dem Staat zugutekommt.


Zins: Keine echte Wende

Seit Jahrzehnten wird das internationale Finanz- und Wirtschaftssystem durch ein Anschwellen des Kredit- und Geldangebots, das die Zentralbanken, in enger Kooperation mit den Geschäftsbanken, bereitstellen, angetrieben. Damit einher geht unübersehbar eine Geldpolitik des fallenden Zinses: Im Zeitablauf schleust die Zentralbank den Zins auf immer niedrigere Niveaus. Warum? Vereinfacht gesprochen lautet die Antwort: Die Verschuldung der Volkswirtschaften steigt immer weiter an, und um einen Schuldenkollaps zu vermeiden, sorgt die Zentralbank für immer geringere Kreditkosten. Das ist ein (ganz wesentlicher) Grund, warum die Kapitalmarktzinsen in vielen Volkswirtschaften seit Jahrzehnten fallen.

Mittlerweile sind die Möglichkeiten, die Staatshaushalte durch neue Steuern und Platzierung neuer Anleihen bei privaten Investoren zu finanzieren, weitestgehend ausgeschöpft. Die Staaten greifen daher auf ihre Zentralbanken zurück, die ihnen per Kredit neues Geld in die Kassen spülen. Das ist nichts anderes als die Finanzierung der Staaten durch die elektronische Notenpresse - etwas, was in der Vergangenheit immer wieder den Volkswirtschaften zum Verhängnis wurde, das in Hochoder gar Hyperinflation geendet hat.

Die Zentralbanken stehen mittlerweile unter der "Dominanz der Fiskalpolitik". Das heißt, die öffentliche Kassenlage bestimmt den geldpolitischen Kurs; und dass dadurch die Inflation in die Höhe getrieben wird, liegt auf der Hand.

Damit ist ein ganz entscheidender Aspekt angesprochen: Die Prioritäten in der Geldpolitik haben sich verschoben. Es geht nicht mehr darum, die Inflation der Konsumgüterpreise (relativ) niedrig zu halten, es geht darum, die Inflation "kontrolliert" zu erhöhen, um dadurch eine Entwertung der ausstehenden Schulden - vor allem der Schulden von Staaten und Banken - herbeizuführen.

Dazu fixieren die Zentralbank die Kapitalmarktzinsen auf einem niedrigen Niveau (beispielsweise durch Ankäufe von Staatsanleihen), und gleichzeitig erhöhen sie die Geldmenge, die sich nachfolgend in steigenden Güterpreisen entladen, also die Kaufkraft der offiziellen Währungen herabsetzt. Die Inflation wird gezielt als "Inflationssteuer" eingesetzt, um die Staatsfinanzen und die "Scheinprosperität" zu "retten".

Natürlich sagt man das der Öffentlichkeit so nicht. Schließlich ist die Inflation ja ein Betrug, eine Täuschung, die nur dann im Sinne des Staates (und der von ihm begünstigten Sonderinteressengruppen) "funktioniert", wenn sie für die von ihr Betroffenen überraschend eintritt. Vor allem die Zentralbankräte werden alles tun, um den Eindruck zu vermeiden, sie würden für höhere Inflation sorgen, dass sie die Staatshaushalte durch Inflation finanzieren beziehungsweise sanieren wollten. Denn wenn der Inflationsschwindel auffliegt, droht das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, dass sich durch die chronische Papiergeldinflation in den letzten Dekaden aufgebaut hat, in sich zusammenzustürzen.

Die Zentralbanken werden daher vermutlich versuchen, dass die Inflation nicht außer Kontrolle gerät, gleichzeitig aber verhindern wollen, dass die Finanzierungskosten des Staates steigen. Wie lässt sich dieser "Spagat" vollziehen? Antwort: Indem die Zentralbanken der Öffentlichkeit in Aussicht stellen, sie werden die Inflation (die sie ja selber erzeugt haben) "bekämpfen" - und zwar indem sie vorgeben, die Zinsen zu einem künftigen Zeitpunkt anzuheben. Dadurch sollen die Inflationserwartungen der Marktakteure im Zaume gehalten werden, es soll also verhindert werden, dass sich die Inflationserwartungen nach oben schrauben und entsprechend Preiserhöhungen auf den Gütermärkten angeheizt werden.

Worten werden notgedrungen Taten folgen (müssen), sonst ist die Glaubwürdigkeit der Zentralbanken verspielt - zumal die breite Öffentlichkeit ja die Inflation als Problem erkannt hat. Die US-Zentralbank wird daher im laufenden Jahr sehr wahrscheinlich die Leitzinsen anheben - denkbar ist ein Anstieg des Leitzinses auf 0,75 bis 1,5 Prozentpunkte bis Mitte 2023.

Eine solche Zinsstraffung wird jedoch nicht mehr als eine kosmetische Änderung sein: Nach Abzug der laufenden Teuerungsrate wird der US-Leitzins tief im negativen Territorium verharren. Das heißt, der Kaufkraftschwund des Greenback wird weitergehen, die US-Zentralbank steuert in einen "neues Regime": eines, in dem die Inflation höher ausfallen wird als 2 Prozent - vermutlich wird sie fortan eher bei 4 (oder mehr) Prozent liegen.


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