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Ukraine-Krise: Frei nach Otto von Bismarck

16.03.2022  |  Vertrauliche Mitteilungen
Frei nach Otto von Bismarck wird niemals so viel gelogen wie vor der Wahl, nach der Jagd und im Krieg. Dies gilt auch für die gegenwärtige Ukraine-Krise, wo sich Russlands Präsident Wladimir Putin bisher als der dreisteste Lügner erwies. Doch auch westliche Politiker waren und sind in dieser Hinsicht keine Waisenknaben.

Zur Einschätzung der gegenwärtigen Lage, sehr geehrte Damen und Herren, ist ein von westlicher oder russischer Voreingenommenheit möglichst freier Blick auf die jüngere Vergangenheit hilfreich. Es geht darum, die Entwicklung zu kennen und zu verstehen, was mit Verständnis für die eine oder andere Seite rein gar nichts zu tun hat. In diesem Sinne mögen die folgenden Ausführungen über Fakten, die in den meisten "Qualitätsmedien“ unerwähnt bleiben, für Ihre persönliche Meinungsbildung hilfreich sein.

Das aktuelle Unheil nahm nach Auffassung mancher Beobachter bereits mit den Verhandlungen zur deutschen Einheit seinen Lauf. Auf Außenministerebene (darunter Hans-Dietrich Genscher von der FDP) sagte man zunächst ganz eindeutig zu, daran erinnern diese Beobachter, daß eine Osterweiterung der NATO über die Oder hinaus nicht in Frage käme. Der damalige NATO-Generalsekretär Manfred Wörner erklärte z.B. Mitte Mai 1990 in Brüssel:

"Schon der Fakt, daß wir bereit sind, die NATO-Streitkräfte nicht hinter den Grenzen der Bundesrepublik zu stationieren (Wörner meinte damit ‚nicht östlich der Oder‘, die Red.), gibt der Sowjetunion feste Sicherheitsgarantien.“ Doch diese Einigkeit gab es eben nur auf Ministerebene. Dem damaligen und letztlich entscheidenden US-Präsidenten Bush sen. wäre eine derartige Zusage niemals über die Lippen gekommen, wie diese Beobachter ebenfalls zu verstehen geben. Und der damalige deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl dürfte darüber sehr genau informiert gewesen sein.

Da es auch damals schon eine ausgeprägte "Scheckheft-Diplomatie“ zu Lasten der deutschen Steuerzahler gab, dürften sich Kohl und Michail Gorbatschow von der Sowjetunion nach - allerdings nicht belegbaren - Vermutungen schließlich darauf verständigt haben, daß eine verbindlich einzuhaltende östliche NATO-Grenze einstweilen nicht offiziell vereinbart wurde und die Bundesrepublik im Gegenzug für einen Großteil derjenigen Kosten aufkam (man sprach damals von deutlich mehr als 10 Mrd. DM), die mit dem Abzug der Sowjettruppen vom früheren "DDR“-Gebiet verbunden waren.

Nur zur Erinnerung: Der letzte sowjetisch-russische Soldat verließ Deutschland vollkommen planmäßig im Jahr 1994, während auch heute noch zigtausende US-Soldaten auf deutschem Boden stationiert sind - wobei Deutschland noch immer für einen Großteil der dabei entstehenden Kosten aufkommt. Nachdem der u.a. Kohls Vertrauen genießende Gorbatschow von Boris Jelzin abgelöst worden war, nahm man in Washington, Brüssel und Bonn/Berlin die inzwischen entstandene Russische Föderation leider nicht mehr als möglichen Partner wahr, sondern nur noch als einen dysfunktionalen Staat mit alkoholkrankem Präsidenten. So nahm das Unheil seinen Lauf.

Denn vor allem aus diesem Grund, so heißt es zumindest in einigen diplomatischen Kreisen, fanden durchaus ernst gemeinte Annäherungsversuche des nächsten russischen Präsidenten Wladimir Putin praktisch keine Beachtung mehr. Stattdessen leitete man eine Osterweiterung sowohl der NATO als auch der Europäischen Union ein - wobei nach Auffassung mancher Experten wegen der damit verbundenen wirtschaftlichen Vorteile letztere in Russland als noch weitaus "bedrohlicher“ empfunden wurde und wird.

In den Jahren nach der Jahrhundertwende mußte man in den westlichen Hauptstädten schließlich erkennen, daß man sich in einem entscheidenden Punkt getäuscht hatte. Statt endgültig im Chaos der 1990er Jahre zu versinken gelang es Putin, Russland zu stabilisieren und auf die politische Weltbühne zurückzubringen. Auf der Münchener Sicherheitskonferenz von 2007 erklärte Putin dann das erste Mal in aller Deutlichkeit, daß der Kreml einer fortwährenden NATO-Osterweiterung nicht untätig zusehen werde.

Er fokussierte seine Bedenken dabei weniger auf mögliche Sicherheitsgefahren für Europa selbst als vielmehr auf den damit verbundenen bilateralen Vertrauensverlust. Obwohl Putins deutliche Worte in den westlichen Hauptstädten stark kritisiert wurden (was beweist, daß sie dort durchaus angekommen waren), tat man bezüglich der damit verbundenen Warnungen so, als habe man diese nicht vernommen.

Schon ein Jahr später, 2008, zeigte Russland, daß man es durchaus ernst nehmen sollte. Nachdem Georgien im Hinblick auf letztlich nicht eingehaltene westliche "Sicherheitsgarantien“ militärisch gegen das abtrünnige Südossetien vorgegangen war, wollte Moskau diese Verletzung seiner Einflußsphäre nicht hinnehmen und bescherte Georgien eine krachende Niederlage, die zum endgültigen Verlust Südossetiens und Abchasiens führte. Brüssel brachte dies nicht zum Einlenken, die NATO schritt weiter ostwärts voran. Als Russland dadurch im Jahr 2014 den Verlust seines strategisch wichtigen Schwarzmeerhafens Sewastopol fürchtete, annektierte es - dies ist stark verkürzt dargestellt, wofür wir um Ihr Verständnis bitten - die Krim.

Die westliche mediale Reaktion war heftig. Heftiger jedenfalls als 1982, als Großbritannien sich den weiteren Zugriff auf die Falkland-Inseln sicherte. Heftiger als im Herbst 2001, als US-Kräfte in Afghanistan einmarschierten, obwohl nachweislich kein Afghane an den Anschlägen vom 11.9. beteiligt gewesen war. Und auch als herauskam, daß Washington den Irakkrieg von 2003 mit gefälschten "Beweisen“ gerechtfertigt hatte, herrschte verglichen mit dem "Krim-Fall“ weitgehende mediale Ruhe.

Unbestritten, auch das gehört sich in diesem Zusammenhang zu sagen, bleibt dabei der von Teilen der ukrainischen Bevölkerung gehegte Wunsch nach einer Westanbindung. Doch darf man sich seitens der NATO dadurch berechtigt fühlen, Russlands Sicherheitsinteressen in Osteuropa zu mißachten? Darf man sich deshalb anhaltend weigern, Russlands Rolle als regionale Großmacht anzuerkennen?

Eher nein. Denn von den daraus resultierenden Konfliktgefahren abgesehen (die zur Zeit offenkundiger denn je sind), treibt man damit Russland nur noch in die Arme Chinas. Und an einer Partnerschaft zweier großer Länder mit heftigen Demokratiemängeln sollten die westlichen Staaten am wenigsten interessiert sein. Nach Angaben des chinesischen Außenministeriums forderte Chinas Außenminister Wang Yi noch vor dem russischen Ukraine-Einmarsch in einem Telefongespräch mit seinem US-amerikanischen Amtskollegen Antony Blinken alle Beteiligten auf, Ruhe zu bewahren und den Konflikt im Dialog und mittels Verhandlungen zu lösen. Auch wenn er aus Peking kommt, ist dies ein gewiß sinnvoller Rat von dem nur zu hoffen ist, daß er in Moskau, Washington, Brüssel und an weiteren Orten auch jetzt noch ankommt!



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