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Das ungelöste Weltgeldproblem und das Gold

18.04.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die "US-Dollar-Dominanz" im Weltwirtschafts- und -finanzsystem wird seit je her kritisch gesehen. Doch was könnte den Greenback ersetzen? Derzeit gibt es nur einen Kandidaten - und das ist das Gold.


Das System von Bretton Woods (1)

Vom 1. bis 22. Juli 1944 trafen sich Vertreter von 44 Nationen in der Kleinstadt Bretton Woods im US-Bundesstaat New Hampshire und legten dort die Grundlagen für das internationale Finanzsystem für die Zeit nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Das Ergebnis war das "System von Bretton Woods". Es zeichnete sich durch drei Kernelemente aus:

(1) Der US-Dollar wurde zur Weltreservewährung erklärt. Er war goldgedeckt: 35 US-Dollar entsprachen einer Feinunze Gold.

(2) Die Wechselkurse der nationalen Währungen waren gegenüber dem US-Dollar fixiert (unter bestimmten Bedingungen allerdings auch “anpassbar“).

(3) Alle Währungen waren konvertibel, das heißt, sie ließen sich in US-Dollar eintauschen und waren dadurch ebenfalls (indirekt) an das Gold angebunden.

Das System von Bretton Woods war jedoch auch in seiner Anfangsform nicht - wie vielfach behauptet wird - ein “Goldstandard”. Es war lediglich so etwas wie ein “Devisen-Goldstandard” oder besser: “Pseudo-Goldstandard”: Man konnte zum Beispiel britische Pfund, französische Franc und D-Mark in US-Dollar eintauschen, und diese US-Dollar konnte man sodann bei der US-Zentralbank zur offiziellen Parität in Gold einlösen.

Allerdings war im System von Bretton Woods die Goldeinlösepflicht des US-Dollar schon stark eingeschränkt: Sie galt nur zwischen den Zentralbanken bei der Abwicklung internationaler Zahlungen. Der Privat- und Geschäftsmann, der US-Dollar besaß, hatte hingegen keine Möglichkeit, seine Greenbacks bei der US-Zentralbank einzureichen und dafür physisches Gold zu erhalten. Die breite Bevölkerung war also “vom Goldgeld abgeschnitten”.


Was einen "echten Goldstandard" ausmacht

In einem "echten Goldstandard", der diesen Namen verdient, wird Gold das Geld verwendet, ist Gold das Geld. Entweder in Form von umlaufenden Münzen oder Banknoten (genauer: Geldzertifikaten), die die ausgebende Goldlagerstätte jederzeit auf Verlangen des Geldzertifikate-Besitzers in physisches Gold einlöst; oder aber, im digitalen Zeitalter, in Form von elektronischen Kontoguthaben bei der Goldlagerstätte oder in Form von Token, die von der Goldlagerstätte ausgegeben werden.

Im “reinen Goldstandard” würden die Geldpreise der Güter in Gewichtsäquivalenten wie zum Beispiel “Goldgramm” oder “Goldunzen” ausgewiesen: zum Beispiel kostet ein Herrenanzug 1 Feinunze Gold. Wenn das Gold einen “Namen” bekommt (wie Taler, Mark, Dollar, am praktischsten wäre wohl die Bezeichnung “AU”), dann ist der Name lediglich Ausdruck eines bestimmten Feingoldgehalts.

Beispielsweise in dem Sinne, dass eine bestimmte Anzahl US-Dollar einer Feinunze Gold entsprechen. Ganz entscheidend in einem “echten Goldstandard” ist, dass das Gold, das als Geld verwendet wird, dass also auch alle Geldsubstitute (Banknoten, elektronische Guthaben, Token etc.) 100 Prozent durch Gold gedeckt sind. (Es gibt, das sei hier nur erwähnt, eine nicht enden wollende Diskussion darüber, ob in einem Warengeldsystem den (Kredit-)Banken eine “Teilreserve” erlaubt sein sollte/darf oder nicht.

Diese Diskussion soll hier jedoch nicht aufgegriffen werden). Weiterhin gibt es in einem echten Goldstandard keinen Bedarf für eine Zentralbank, die in die Märkte für Geld und Kredit eingreift. Jüngst war zu lesen und zu hören, Russland sei dabei, einen Goldstandard einzurichten. Anlass für diese Schlussfolgerung war, dass die Zentralbank von Russland angekündigt hatte, physisches Gold im Heimatmarkt für 5.000 Rubel pro Gramm aufzukaufen.

Der Goldkauf einer Zentralbank bedeutet jedoch noch nicht, dass ein (“echter” oder ein “Pseudo”-)Goldstandard herbeigeführt wird. In erster Linie bedeutet es, dass die Zentralbank ihre Goldbestände auf der Aktivseite ihrer Bilanz erhöht. Sie kann die Goldkäufe auf zwei Wegen finanzieren.

Der erste Weg: Die Zentralbank bezahlt das Gold durch die Ausgabe neu geschaffenen (Zentralbank-) Geldes. Das führt zu einer Verlängerung ihrer Bilanz und wirkt tendenziell inflationär.

Der zweite Weg: Die Zentralbank verkauft Währungsreserven (wie zum Beispiel USund/ oder Euro-Anleihen) und kauft mit den Erlösen Gold. In diesem Falle kommt es zu einer Umschichtung der Währungsreserve: Anleihebestände in Fremdwährung nehmen ab, Bestände an physischem Gold steigen. Die Bilanzsumme der Zentralbank bleibt dabei unverändert, ein inflationärer Impuls resultiert dadurch nicht. Von einem Übergang zu einem Goldstandard lässt sich erst dann sprechen, wenn der Rubel bei der Zentralbank von Russland in physisches Gold eintauschbar ist. Dafür gibt es, Stand heute, jedoch noch keine Indizien.



Das System von Bretton Woods (2)

Am 15. August 1971 verkündete US-Präsident Richard Nixon (1913-1994), dass der US-Dollar fortan nicht mehr in physisches Gold eintauschbar sei. Spätestens mit dieser unilateralen Entscheidung der US-Administration war das Ende des Systems von Bretton Woods (I), so wie es ursprünglich angedacht war, besiegelt.

Denn das Kernelement seiner Konstruktion war ja die Anbindung der Währungen an das nicht beliebig vermehrbare physische Gold. Und dadurch, dass alle Währungen konvertibel gegenüber dem US-Dollar waren, und der US-Dollar einlösbar war gegen physisches Gold, war auch der inflationären Geldmengenvermehrung im Prinzip eine Grenze gesetzt. Doch die Amerikaner hatten sich nicht an die “Spielregeln” gehalten.

In den späten 1950er Jahren, vor allem aber in den 1960er Jahren begann die US-Inflation stark anzusteigen. Der Grund: Die Dollar-Geldmenge wurde stark ausgeweitet, um vor allem den Korea-Krieg und nachfolgend den Vietnam-Krieg zu finanzieren. Diese Entwicklung schädigte zusehends das Vertrauen in den Greenback. Nicht nur, weil seine Kaufkraft immer weiter schwand, sondern weil viele Investoren erkannten, dass die US-Zentralbank nicht mehr in der Lage sein würde, die ausstehenden US-Dollar auf Verlangen seiner Besitzer vollumfänglich in physisches Gold einzutauschen. Und so kam es, wie es kommen musste.


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