In Gold We Trust-Report 2022 "Stagflation 2.0"
24.05.2022 | Ronald Peter Stöferle
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"Ein mittel- bis langfristiger Gewinner dieser Sanktionspolitik könnte ausgerechnet Gold sein. Denn in einer zunehmend politisierten, sich womöglich in zwei Blöcke aufteilenden Welt könnte Gold das verbindende Element darstellen. Schließlich ist Gold (politisch) neutral, weist kein Gegenparteirisiko auf und ist sehr liquide", so Stöferle zu den tektonischen Verschiebungen im Weltwährungssystem.Die Zentralbanken bauen seit 2009 ihre Goldreserven sukzessive auf, insbesondere die Schwellenländer, aber auch europäische Staaten wie Polen und Ungarn und zuletzt das Eurozonenmitglied Irland. Die größten Währungsreserven halten nach wie vor die Zentralbanken der westlichen Welt, mit den USA und Deutschland an der Spitze.
Hat Gold 2021 sein „Mojo“ verloren?
"Angesichts der stark anziehenden Inflationsraten war die Performance von Gold 2021 enttäuschend, vor allem in US-Dollar mit einem Minus von 3,5%. Anleger im Euroraum konnten aufgrund der Euroschwäche ein Plus von 3,6% verbuchen", so die beiden Autoren. "Es darf nicht darauf vergessen werden, dass Gold 2020 in US-Dollar gleich um 24,6% zulegte, in Euro immerhin auch noch um 14,3%. Eine Verschnaufpause war daher durchaus zu erwarten", rekapituliert Stöferle die Goldpreisentwicklung der vergangenen Monate.
Der Goldpreisanstieg in den vergangenen drei Jahren war im Euroraum so kräftig, dass ein Goldanleger beim heurigen Oktoberfest für seine Unze genauso viele Maß Bier erhält wie 2019, und das obwohl der Preis für eine Maß um 25% steigen wird.
"Mitverantwortlich für das Pausieren der Goldpreisrally im Jahr 2021 war wohl auch das herrschende Narrativ, dass die Inflation nur vorübergehend sei. Erst zu Beginn des Jahres 2022 wurde diese These zunehmend bezweifelt", ergänzt Valek.
Während der Goldpreis zu Jahresbeginn in beiden Währungen zulegen konnte, hat sich der Beginn der Straffungspolitik der Federal Reserve auf den Goldpreis negativ niedergeschlagen. In US-Dollar liegt Gold seit Jahresbeginn mit -0,7% leicht im Minus, in Euro wegen der kräftigen Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar knapp 7,9% im Plus (Stand 18.5.2022). Für Euro-Anleger besonders erfreulich erscheint die Tatsache, dass der Euro-Goldpreis mit EUR 1.880/Unze im März ein neues Allzeithoch markieren konnte.
Fazit
Der von den Autoren im Vorjahr skizzierte monetäre Klimawandel war der Beginn eines Paradigmenwechsels, hin zu einem inflationären Umfeld. Der Krieg in der Ukraine und die mit ihm einhergehenden Sanktionen und Exportbeschränkungen sind nur ein weiterer Brandbeschleuniger. Die zaghaften Versuche, die Liquiditätsflut einzubremsen, beginnen die Probleme, die jahre-, wenn nicht gar jahrzehntelang durch inflationäre Notmaßnahmen verdeckt wurden, offenzulegen. Zinserhöhungen und Notenbankbilanz-Schrumpfungen bergen die große Gefahr, diverse Verwerfungen an den Finanzmärkten auszulösen.
Allein seit Jahresbeginn hat der Nasdaq über 25% seines Werts verloren. Auch die Renditedifferenz zwischen deutschen und italienischen Staatsanleihen zeigt mit etwa 2%-Punkten bereits erneute Nervosität hinsichtlich einer etwaigen Eurokrise an.
Neben dem Einbremsen der Teuerung ist es jedoch das seitens der Zentralbanken erklärte Ziel, die geldpolitische Kehrtwende zu bewerkstelligen, ohne eine Rezession auszulösen. Dieser Balanceakt einer "sanften Landung" ist aus Sicht der Autoren jedoch von Vornherein zum Scheitern verurteilt. Die große Frage lautet: Was passiert, wenn die Notenbanken auf den geldpolitischen Pausenknopf drücken und danach einen U-Turn einleiten müssen? Dies würde wohl die nächste Abwertungs- und Teuerungswelle einleiten und die Währungen der westlichen Welt weiter fragilisieren.
Es ist schwer vorstellbar, dass der Beginn einer Stagflation das Ende eines Gold-Bullenmarktes darstellen sollte. Auch verschiedene Makro- und Marktkennzahlen zum Zeitpunkt der letzten beiden säkularen Allzeithochs 1980 und 2011 sind nicht vergleichbar mit der aktuellen Situation. Aus diesem Blickwinkel wird deutlich, dass der Goldpreis
weiterhin viel Luft nach oben hat.
Die letzten Monate haben gezeigt: Inflation ist die Achillesferse vieler Portfolios. "Das Thema Teuerung war für die Kapitalmärkte lange Zeit so wichtig wie das Studieren des Schneeberichts in der Sahara", so Stöferle. Doch für einen Großteil der gemischten Portfolios sind gleichzeitig fallende Aktien und Anleihen das absolute Worst-Case-Szenario. In den letzten 90 Jahren gab es lediglich vier Jahre, in denen sowohl US-Aktien als auch Anleihen im selben Jahr eine negative Jahresperformance auswiesen. Aktuell deutet alles darauf hin, dass 2022 das fünfte Jahr werden könnte.
"Wir halten es für illusorisch, dass die Federal Reserve dem Markt die sprichwörtliche "Punchbowl" längere Zeit entziehen kann, und bezweifeln, dass die Verwandlung von Tauben in Falken von Dauer ist. Die meisten Falken werden sich bei gröberen Verwerfungen an den Finanzmärkten bloß als Tauben im Falkengewand entpuppen", so Valek.
Ausblick
Auch in diesem Jahr wagen die beiden Fondsmanager eine Goldpreisprognose. "Wir bestätigen unser langfristiges Goldpreisziel, das wir im In Gold We Trust-Report 2020 mit Hilfe unseres proprietären Goldpreismodells berechnet haben. Dieses liegt im Basisszenario am Ende der Dekade bei 4.800 USD. Um hier auf Kurs zu sein, sollten wir per Jahresende Preise von etwa 2.200 USD sehen", so Stöferle.
"Voraussetzung dafür ist jedoch ein Lockern der angekündigten Straffung der Geldpolitik. Im Zuge der anhaltenden Verwerfungen auf den Märkten wird das in den kommenden Monaten immer wahrscheinlicher werden. Schließlich hat die Federal Reserve nach dem scharfen Einbruch im Dezember 2018 ihre damalige Straffungspolitik sehr schnell wieder aufgegeben", ergänzt Valek.
Kontakt:
Incrementum Liechtenstein AG
Ronald-Peter Stoeferle: rps@incrementum.li
Mark Valek: mjv@incrementum.li