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US-Dollar überschätzt, Gold unterbewertet

22.07.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Die blauen Punkte stehen für die Phase Juni 2008 bis Juli 2022. Hier hat sich der Zusammenhang verändert: Die Aufwertung des US-Dollar (vis-a-vis dem SZR) war im Trend verbunden mit einem ansteigenden Goldpreis und umgekehrt. Hier galt nicht "starker Dollar, schwaches Gold", sondern "starker Dollar, starkes Gold". Wie lässt sich diese Beobachtung deuten?

Eine Interpretation ist, dass nach der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise (ab etwa 2011) sowie den nachfolgenden Krisen der US-Dollar wieder zusehends von den internationalen Investoren als "sicherer Hafen" angesehen wurde. Die übrigen im SZR enthaltenen Währungen werteten entsprechend gegenüber dem Greenback ab. Und gleichzeitig stieg das Gold in der Gunst der Anleger als eine der wenigen verbliebenen "Versicherungen" gegenüber dem US-Dollar, und der Goldpreis in US-Dollar gerechnet (und auch in allen anderen Währungen) stieg an. Doch kann der Goldpreis sich dauerhaft in dieser Weise vom US-Dollar entkoppeln?

Was dafür spricht: Mit dem Einfrieren der russischen Währungsreserven im Zuge des Ukraine-Krieges werden nun vermutlich einige Länder bestrebt sein, eine verstärkte Diversifikation ihrer Währungsreserven zu erreichen. Sprich: den Anteil an US-Dollar im eigenen Portfolio abbauen, um nicht Opfer der "Finanziellen Kriegsführung" der US-amerikanischen Regierung zu werden. Doch was kann als Dollar-Ersatz dienen? Eine Alternative ist der Auf- und Ausbau von Goldpositionen. In einem solchen Fall wäre damit zu rechnen, dass die Marktpreisbildung in das "alte Muster" zurückfällt: Dass ein gleichbleibender oder auch abwertender US-Dollar-Außenwert mit einem steigenden US-Dollar-Goldpreis verbunden ist.

In diesem Zusammenhang ist zudem zu bedenken, dass nicht nur der US-Dollar, sondern dass auch viele andere Währungen, die bislang als Währungsreserven gehalten werden, an Attraktivität verlieren. Schließlich sind sie alle de facto auf dem US-Dollar aufgebaut. Gerät der US-Dollar in Misskredit, werden alle anderen Währungen den damit verbundenen Vertrauensverlust schmerzlich zu spüren bekommen.

Und dass alle ungedeckten Währungen mittlerweile in immer schwierigeres Fahrwasser geraten sind, ist unübersehbar. Die prekäre Lage wird unmissverständlich klar im Zusammenspiel von Hochinflation und Rekordtiefständen der Zentralbankzinsen, das sich in vielen Währungsräumen zeigt.

Die Zentralbanken haben mit ihrer extremen Tiefzinspolitik und ungestümen Geldmengenvermehrung eine gewaltige Inflationswelle ausgelöst, die sie nun nicht mehr einfangen können beziehungsweise wollen. Denn dazu wären sehr hohe Leitzinsen beziehungsweise positive Realzinsen erforderlich. Doch steigende Kreditkosten würden vermutlich die nächste Schuldenkrise auslösen, die Konjunktur einknicken lassen.

Die Zentralbanken versuchen daher, einen Zwischenweg zu gehen: Sie lassen zwar die Hochinflation nicht völlig aus dem Ruder laufen, haben aber keine Eile, die Inflation auf die 2-Prozentmarke zurückzuführen. Auf diese Weise, so hoffen sie wohl, könne eine erneute Schuldenkrise, Rezession und Massenarbeitslosigkeit verhindert werden.

Das aber ist ein sehr riskantes Unterfangen. Denn Inflation schädigt die Volkswirtschaften auf vielfältige Weise. Und wenn sich bei den Anlegern die Einsicht durchsetzt, dass die Hochinflation keine vorübergehende Sache, sondern dass sie (geld-)politisch gewollt ist, eskaliert das Ganze. Die Marktakteure passen dann ihre Lohn-, Miet- und Kreditverträge an die Hochinflation an. Die Zentralbank muss daraufhin eine noch höhere Überraschungsinflation erzeugen, damit die politisch gewünschten Inflationswirkungen - Entwertung der Schulden und des Geldes - erreicht werden. Das jedoch ebnet den Weg in eine Hyperinflation, der zum Ruin der Währungen führen kann.

Inflation - das Ansteigen der Güterpreise auf breiter Front - ist letztlich ein monetäres Phänomen. Da Gold (auch) als ein Schutz vor Inflation angesehen wird, liegt es nahe zu vermuten, dass es einen Verbund zwischen Geldmenge und Goldpreis gibt. Abb. 4 zeigt die US-Geldmenge M2 und den Goldpreis (USD/oz) von Januar 2000 bis Juni 2022. Wie zu erkennen ist, gab es in der Tat einen positiven Zusammenlauf der beiden Zeitserien.

Er war allerdings nicht immer besonders eng. Beispielsweise stieg der Goldpreis ab 2009 bis 2011 weitaus stärker als die Geldmenge an, und dieser "Überschwang" korrigierte sich bis etwa 2015. Seit Anfang 2021 ist der Goldpreisanstieg nun merklich hinter der Geldmengenausweitung zurückgeblieben. Wie erklärt sich das?

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Quelle: Refinitiv; Graphik Degussa.


Die Hoffnung auf Seiten vieler Investoren, die Zentralbanken werden letztlich doch die Zinsen anheben und die Hochinflation absenken, scheint derzeit die Goldnachfrage zu Absicherungszwecken zu reduzieren, den Goldpreis zu belasten. Zudem mag es auch im "Papiergoldmarkt" Marktaktivitäten geben, die den Goldpreis am trendmäßigen Anstieg hindern. Welche Faktoren letztlich auch am Werke sind: Gerade die (weltweite) monetäre Expansion in den letzten Jahren spricht dafür, dass der Goldpreis sich eigentlich auf einem deutlich höheren Niveau befinden müsste, als es derzeit der Fall ist.


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