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Die Machtverhältnisse auf der Welt ordnen sich neu

19.08.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Ist es angesichts dieser Entwicklung wahrscheinlich, dass die US-Zentralbank (und in ihrem Gefolge viele andere Zentralbanken) den Realzins wieder über die Nulllinie befördern? Die Antwort ist nein. Denn das würde die Produktions- und Beschäftigungsstruktur, die sich in den Dekaden negativer Zinsen aufgebaut hat, zum Einsturz bringen; eine sehr schwere Wirtschafts- und Finanzkrise wäre die Folge. Für Geldhalter heißt das: Das Halten von US-Dollar (und Euro & Co) wird also ein Verlustgeschäft bleiben. Eben weil die Realzinsen sehr wahrscheinlich auf absehbare Zeit negativ bleiben werden.

Genau das aber erfordert "finanzielle Repression": Die Zentralbanken halten die Zinsen künstlich niedrig, und zwar so niedrig, dass die Inflation die Zinsrate übersteigt. Auf diese Weise wird der Realzins (das ist der Nominalzins minus Inflation) negativ. Unter diesen Bedingungen können sich vor allem die hochverschuldeten Staaten entschulden: Sie zahlen effektiv weniger Geld in realer Rechnung zurück, als sie sich geliehen haben.

Die Kosten haben die Geldhalter und die Besitzer von (Staats-)Anleihen zu tragen. Sie erhalten weniger Geld in realer Rechnung zurück, als sie verliehen haben. Die finanzielle Repression steht und fällt mit der Zinskontrolle der Zentralbank. Sie muss die Zinsen auf die gewünschten Höhen drücken (beispielsweise durch Anleihekäufe), ansonsten würde die Inflationsprämie und damit auch der Marktzins in die Höhe steigen, und der Realzins würde nicht in den Negativbereich fallen.

Angesichts der aufgelaufenen Schuldenlasten ist ein baldiger Ausstieg aus der finanziellen Repression folglich nicht allzu wahrscheinlich. Die Zentralbanken werden natürlich versuchen, den "Schein zu wahren": vor allem mit vorsichtigen Zinserhöhungen zu signalisieren, dass sie die Inflation herunterbringen wollen. Aber die realen Zinsen werden dabei wohl nicht in den positiven Bereich zurückkehren.

Vor diesem Hintergrund erscheinen zwei Szenarien wahrscheinlich:

[1] Die Zentralbanken erhöhen die Zinsen nur wenig (beispielsweise bleibt der US-Leitzins unter der 3-Prozentmarke, im Euroraum übersteigt der EZB-Zins nicht 2 Prozentpunkte). Der Realzins bleibt negativ, und die Verschuldungslasten werden in realer Rechnung abgebaut. Die Kaufkraft des Geldes bleibt unter Entwertungsdruck. Diese Phase kann durchaus lange andauern - was dann der Fall wäre, wenn Inflation nicht derart außer Kontrolle gerät, dass die Menschen aus dem Geld fliehen.

In Zeiten des "Great Reset", der "Großen Transformation" sind zudem anhaltend hohe Defizite sehr wahrscheinlich. Mit kreditfinanzierten Ausgaben versuchen die Staaten, die Kosten des "Umbaus" vor den Augen der Öffentlichkeit zu verbergen beziehungsweise abzumildern - beispielsweise indem der Staat die Belastungen, die mit steigende Energiepreisen für Haushalte und Firmen entstehen, mit kreditfinanzierten Subventionen bezahlt.

Das bedeutet nicht nur anhaltenden Inflationsdruck, sondern auch, dass der Staatsanteil am Wirtschaftsleben weiter zunimmt zu Lasten privatwirtschaftlicher Aktivität. Ein Wirtschaftszusammenbruch kann auf diese Weise zeitweise verzögert werden, er wird jedoch nicht vollends umgangen, sondern nur in die Zukunft verlagert.

[2] Ein weitaus dramatischeres Szenario entfaltet sich, sollten die Menschen immer mehr am Wert der offiziellen Währungen zweifeln, und sie beginnen, ihre Geldhaltung "abzubauen", wenn sie also aus dem Geld beginnen "zu fliehen" (die Konsequenzen wurden bereits weiter oben angesprochen). Eine solche Entwicklung ist gleichbedeutend mit einer Währungskrise. Sie wäre unter den herrschenden politischen Umständen von den Zentralbanken kaum mehr zu bewältigen. Denn ihre Eindämmung erfordert eine "Stabilisierungsrezession", also einen mitunter gewaltigen Einbruch der Wirtschaften und der Finanzmärkte, der den Preisauftrieb stoppt und das Kredit- und Geldmengenwachstum scharf abbremst.

Wenn jedoch die Finanzmarktakteure davon ausgehen, dass die Zentralbanken davor zurückscheuen, den Inflationstrend notfalls auch durch Zulassen einer Stabilisierungsrezession zu brechen, dann wird die Sache rasch "explosiv": Die Flucht aus dem Geld nimmt Fahrt auf, wirkt selbstverstärkend. Wenn die Zentralbank gegensteuert, indem sie die Geldmenge nicht weiter ausdehnt, dann führt der damit verbundene Güterpreisauftrieb zu einem Wirtschaftszusammenbruch ("negativer Realkasseneffekt").

Erhöhen die Zentralbanken die Geldmengen weiter, um den Wirtschaftszusammenbruch abzuwenden, rutschen die Volkswirtschaft in die Hyperinflation ab. Kommt es also erst einmal zu einer Währungskrise, ist kaum mehr mit einem positiven Szenario für die Weltwirtschaft zu rechnen.

Wenn jedoch die einleitend genannte Einschätzung auch nur annähernd stimmt - das die Neuordnung der Machtverhältnisse auf der Welt mit einer Renaissance der Unterwerfung des Individuums unter das Kollektiv verbunden ist -, dann ist das skizzierte Szenario [1] wahrscheinlicher als das Szenario [2].

Um das ungedeckte Geldsystem vor dem Kollaps zu bewahren, können Staaten, die sich nicht mehr an das System der freien Märkte gebunden fühlen, auf vielerlei Wegen verhindern: Einführung von Preis- und Kapitalverkehrskontrollen, Finanzierungs- und Handelskontingenten, Bankenverstaatlichungen, Börsenschließungen etc. Und natürlich lassen sich auch Proteste der breiten Bevölkerung, die sich gegen die damit verbundenen Bedrängnisse erheben, ersticken. Etwa durch "Social Credit Scores" (der digitale Impfpass wäre gewissermaßen ein erster Schritt dazu), aber auch durch "Schauprozesse" zur Abschreckung und natürlich auch durch gewaltsame Unterdrückung.

Liebe Leserinnen und Leser, das alles ist kein Grund zur Resignation. Die Freiheit des Individuums war und ist stets bedroht. Sie musste stets verteidigt und, wo sie verloren gegangen war, zurückerobert werden. So ist es auch heute, in einer Zeit, in der die Machtverhältnisse auf der Welt sich neu ordnen. Damit die Freiheit den Sieg davonträgt, ist die Kenntnis über die Freiheitslehre von ganz entscheidender Bedeutung.

Wie sagte es Friedrich Schiller doch so treffend: "Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei | Und würd er in Ketten geboren". Jeder Mensch gehört sich selbst, hat Selbsteigentum an sich. Und niemand hat das Recht über andere zu herrschen. Wer das in seinem täglichen Leben beherzigt, keinem Politiker, keinem Staat die Hand reicht, die Zwang und Gewalt über andere auszuüben gedenken, der verteidigt wirksam die Freiheit, nicht nur seine eigene, sondern vor allem auch die seiner Mitmenschen.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


¹ Siehe hierzu z. B. Polleit, T. (2022), Staat und Krieg, Ludwig von Mises Institut Deutschland, 13. April, hier klicken.
² Mit den Ideen des Great Reset ist auch verbunden der Transhumanismus: Die Grenzen der menschlichen Möglichkeiten und seines Seins durch Technologie ("Künstliche Intelligenz") und pharmazeutische, medizinische Eingriffe zu erweitern. Entwicklungen, die quasi auf die Schaffung eines "neuen Menschen" hinauslaufen.
³ Ein Überblick über die weltweite Nahrungsmittelproduktion findet sich hier.



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