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Die Pleite der Silicon Valley Bank. Oder: Das Problem der "Teilreserve"

18.03.2023  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die Pleite der Silicon Valley Bank ist aus mehreren Gründen eine Art Weckruf. Sie offenbart ein zentrales Problem im ungedeckten Geldsystem: die Teilreservehaltung, die auch durch die jüngste Rettungsaktion der US-Regierung nicht aus der Welt geschaffen wird.

Am Freitag, den 10. März 2023 ist die US-amerikanische Silicon Valley Bank Pleite gegangen. Die Einlagensicherung der US-Regierung (kurz "FDIC" für Federal Deposit Insurance Company) hat die Konkursverwaltung übernommen. 48 Stunden zuvor hatte ein "Run" auf die kalifornische Bank eingesetzt. Das Kreditinstitut sah sich gezwungen, Wertpapieren aus dem eigenen Portfolio zu verkaufen, die zur Realisation von Verlusten führten; die Entscheidung, neue Aktien auszugeben, scheiterte, es gab keine Kaufinteressenten.

Die Silicon Valley Bank ist nicht durch Kreditausfälle ("Credit Events") untergegangen. Die Bank hatte sich vielmehr durch ein sogenanntes "Duration-Mismatch" zu Fall gebracht: Die durchschnittliche Laufzeit (Duration) ihrer Aktiva (in Form von Krediten, vor allem aber Staatsanleihen) war viel höher als die Duration ihrer Verbindlichkeiten (hauptsächlich kurzfristig abrufbare Einlagen).

Das hatte zur Folge, dass die steigenden Marktzinsen den Marktwert der Bankaktiva viel stärker fallen ließen, als der Marktwert ihrer Verbindlichkeiten abnahm. Die Folge war ein buchhalterischer Verlust des Eigenkapitals. Das eigentliche Problem setzte jedoch ein, als die Kunden ihre Einlagen abzurufen begannen und die Bank, um die Auszahlungen zu finanzieren, Wertpapierpositionen verkaufte – und dadurch bisher unrealisierte Verluste realisierte, die das Eigenkapital der Bank tatsächlich aufzuzehren drohten.

Am Sonntag, dem 12. März 2023, verkündete dann die FDIC, das US-Finanzministerium und die US-Zentralbank (Fed), dass die Einlagen der Silicon Valley Bank (sowie auch der Signature Bank in New York) vollumfänglich versichert werden. Investoren, die unbesicherte Kreditforderungen gegenüber der Bank halten, müssen hoffen, aus der Liquidation des Bankvermögens (teil-)entschädigt zu werden; die Aktionäre der Bank gehen wohl leer aus.

Zudem biete die US-Zentralbank den Geschäftsbanken eine neue Kreditlinie an mit einer Laufzeit von 1 Jahr ("Bank Term Funding Program"). Dadurch soll verhindert werden, dass Banken Wertpapiere verkaufen müssen, um den Auszahlungswünschen ihrer Kunden nachzukommen, und dass sie auf diese Weise bisher unrealisierte Verluste realisieren müssen. Anders gesagt: Die US-Zentralbank wird bei Bedarf den Banken neues Zentralbankgeld bereitstellen.

Die Pleite der Silicon Valley Bank – die Ende 2022 eine Bilanzsumme von knapp 212 Mrd. US-Dollar, Kundeneinlagen von 173 Mrd. US-Dollar und ein Eigenkapital von gut 16 Mrd. US-Dollar hatte – ist die zweitgrößte einer Geschäftsbank in der US-Geschichte nach dem Untergang von Washington Mutual in 2008 (deren Bilanzsumme 307 Mrd. US-Dollar betrug; die am 15. September 2008 gescheiterte US-Investmentbank Lehman Brothers hatte eine Bilanzsumme von 639 Mrd. US-Dollar).

Eher beschwichtigende Stimmen sagen jetzt, der Untergang der Silicon Valley Bank sei ein "ideosynkratisches" Ereignis, ein Einzelfall sozusagen. Sorgenvolle(re) Kommentatoren befürchten hingegen systemweite Probleme, sie befürchten "Ansteckungseffekte", die auf das gesamte Bankensystem ausstrahlen könnten, nicht nur auf die USA beschränkt, sondern weltweit.

Die Lage ist einigermaßen kompliziert, unübersichtlich. Als Anleger ist man gut beraten, umsichtig zu agieren. Man sollte in jedem Falle nicht die Augen verschließen vor den Problemen, die im heutigen Bankensystem lauern. Diese Probleme rühren aus der Konstruktion des Kreditund Geldsystems, einem Fiatgeldsystem, in dem die Banken mit einer Teilreserve operieren.


Fiatgeld und Teilreserve

US-Dollar, Euro & Co sind Fiatgeld, das unter ökonomischen (und auch ethischen) Defekten leidet. Die Ausgabe von Fiatgeld, das über die Kreditmärkte in die Volkswirtschaft eingespeist wird, senkt die Zinsen künstlich ab, und setzt einen künstlichen Aufschwung ("Boom") in Gang, der aber früher oder später in sich zusammenbrechen, in einem Abschwung ("Bust") endet. Die Geschäftsbanken sind in diesem Prozess eine kritische Größe.


Liquiditätsposition des US-Bankensektors

Die beiden nachstehenden Abbildungen zeigen die Liquiditätsposition des US-Bankensektors insgesamt. Dazu wurden unterschiedliche Geldmengen (exklusive des ausstehenden Bargeldes) geteilt durch die Guthaben, die die Banken bei der US-Zentralbank halten. Die Geldmenge M2 (ohne Bargeld) ist derzeit zu etwa 16 Prozent gedeckt, die Sichteinlagen zu 61 Prozent. Damit wird deutlich: Die US-Banken operieren mit einer Teilreserve. Und würden die Kunden plötzlich große Teile der Bankeinlagen in bar abheben wollen, dürften die Banken nicht in der Lage sein, diesen Kundenwünschen vollumfänglich zu entsprechen.

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Quelle: Refinitiv, Federal Reserve Bank of St. Louis; Berechnungen Degussa. Die Liquiditätsposition des Bankensektors wird dargestellt als monetäre Basis abzüglich des Bargeldumlaufs. Die Linien in den Abbildungen (a) und (b) zeigen, zu wieviel Prozent die Bankguthaben durch die Liquiditätsposition der Banken gedeckt sind.


In einem Fiatgeldsystem operieren sie mit einer Teilreserve (englisch: "Fractional Reserve Banking"). Das heißt, der Bankenapparat verfügt grundsätzlich nur über einen Teil der unmittelbar liquiden Mittel (Bargeld plus Zentralbankgeldguthaben) im Verhältnis zu seinen Zahlungsverbindlichkeiten. Zwar haben beispielsweise in der EU die Regulierungsbehörden die Liquiditätserfordernisse für die Banken heraufgeschraubt.


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