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Eine Anatomie der Krisen: Von der Bankenkrise zur Kreditkrise, zur Währungskrise

09.04.2023  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die Krisen im heutigen Fiatgeldsystem sind hochkomplex und nicht leicht zu verstehen. In diesem Artikel wird erklärt, welche Krisen es gibt, wie sie sich auswirken (können), und wie eine Lösung derartiger Krisen aussehen kann (und sollte). Krise ist nicht gleich Krise. Jede ist anders. Und in Krisenzeiten ist es für Anleger und Investoren wichtig zu erkennen, welche Art von Krise sich gerade zuträgt, und wie sich diese Krise verändern kann.

In diesem Aufsatz werden drei Krisenformen erklärt, und es wird aufgezeigt, wie sie zusammenhängen: Und das sind Bankenkrise, Kreditkrise und Währungskrise. Zudem stelle ich heraus, dass alle drei Krisenformen quasi vorprogrammiert sind in einem ungedeckten Geldsystem, einem Fiatgeldsystem, das man heutzutage überall in der Welt antrifft.

Lassen Sie uns beginnen mit der Bankenkrise.

Vermutlich erinnern sich die einen oder anderen noch daran: Die sogenannte internationale Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009 war anfänglich eine Bankenkrise. In einer Bankenkrise haben Kunden und Investoren die Befürchtung, die Banken könnten zahlungsunfähig werden; dass man also nicht mehr an sein Geld kommt, dass die Bank keine Zinsen und Tilgungen mehr zahlt auf das Geld, was man ihr geliehen hat.

Der Hochpunkt der Bankenkrise war im Herbst 2008 – und zwar als die US-Investmentbank Lehman Brothers am 15. September Pleite ging. Wie kam es dazu? Nach vielen Jahren eines fulminanten Kreditbooms begann gegen Ende 2007 die Spekulationsblase im US-amerikanischen Häusermarkt zu platzen, und die Konsequenzen waren rasch weltweit zu spüren.

US-Hypothekenanleihen, die international verkauft worden waren, fielen aus. Banken erlitten Zahlungsausfälle, ihr Eigenkapital drohte, ausgelöscht zu werden, der Kreditfluss geriet ins Stocken, die Volkswirtschaften gingen in die Rezession, der Systemkollaps stand vor der Tür. Um den immer weiter um sich greifenden Vertrauensverlust aufzuhalten, begannen in Europa viele Staaten, die Verbindlichkeiten ihrer heimischen Banken zu garantieren (genauer gesagt: Die Staaten zwangen ihre Steuerzahler, den Kopf hinzuhalten für die Banken beziehungsweise deren Gläubiger). Doch die Beträge zur Rettung der Geldhäuser, um die es ging, waren schlichtweg zu groß, lösten Zweifel an den Staatsfinanzen aus.

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Und so entstand aus der Bankenkrise zusätzlich noch eine europäische Staatsschuldenkrise.

Mit der Verschlechterung des staatlichen Kredits geriet der gesamte Kreditmarkt ins Wanken, Hausbau-, Konsum- und Firmenkredite wurden in Mitleidenschaft gezogen. Anders gesagt: Es kam zu einer allgemeinen Kreditkrise: Anleger und Investoren zweifelten daran, dass die Schuldner ihren Schuldendienst wie vereinbart leisten, ihre Kredite zurückzahlen würden. Der Kreditmarkt trocknete gewissermaßen aus, und Schuldner, deren Kredite fällig werden, fanden plötzlich niemanden mehr, der bereit war, ihnen neuen Kredit zu geben – oder wenn doch, dann nur zu sehr hohen Zinsen. Vielen von Ihnen drohte der Konkurs.

Im Herbst 2008 löste sich das Vertrauen in den internationalen Kreditmärkten sprichwörtlich in Luft auf. Investoren trauten den Kreditnehmern nicht mehr, und viele Kreditnehmer wussten vermutlich auch selbst nicht, ob sie ihre Schulden wie geplant bedienen konnten. Die ganz große Pleite, eine Art "Große Depression 2.0" droht. Doch es kam anders.

Banken und Staaten, die Volkswirtschaften insgesamt, wurden letztlich über Wasser gehalten von den Zentralbanken: Die Zentralbanken senkten die Zinsen sehr stark ab und pumpten Zentralbankgeld in das Bankensystem – vor allem durch den Aufkauf von Staatsanleihen in großem Stil. Dadurch wurde der Zahlungsausfall, die große Pleite, abgewendet. (Jetzt sollte nicht der Eindruck entstehen, die Geldpolitik sei der Retter in der Not! Weit gefehlt. Sie ist vielmehr Teil des Problems, und ich werde das gleich noch näher erläutern.)

In der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008-2009 fielen die Kurse der Aktien, der Unternehmens- und Bankanleihen. Nachgefragt wurden Staatsanleihen von Emittenten, die noch als verlässlich eingestuft wurden – wie die USA, Deutschland, Japan, Schweiz. Und es gab zudem eine Flucht in das Geld. Verschreckte Anleger und Investoren wollten Giroguthaben bei solchen Banken halten, die noch als stabil, die als zu groß angesehen wurden, als dass sie Pleite hätten gehen können. Und natürlich wurde auch das Bargeld stark nachgefragt: Viele Menschen ließen sich ihre Guthaben in Banknoten auszahlen, versteckten es im Schließfach oder zuhause unter der Matratze.

Wie das Beispiel der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise zeigt, ist eine Bankenkrise also bereits eine Art Kreditkrise; und eine Bankenkrise kann sich in eine allgemeine Kreditkrise auswachsen. Mit der Pleite der US-amerikanischen Silicon Valley Bank am 10. März 2023 könnte jetzt vielleicht eine neue Bankenkrise ihren Anfang genommen haben. Was ist hier passiert?

Die im US-Bundesstaat Kalifornien beheimatete Silicon Valley Bank hatte mit den Kundeneinlagen unter anderem Schuldpapiere, insbesondere Staatsanleihen, gekauft – und zwar zu einer Zeit, als die Zinsen noch extrem niedrig lagen, die Kurse der Anleihen entsprechend extrem hoch waren. Die Zinserhöhungen der US-Zentralbank ließen dann aber die Anleihekurse abstürzen. (Ich sollte hier anfügen: Zwischen Zins und Anleihekurs besteht ein negatives Verhältnis. Das heißt: Steigen die Zinsen, fällt der Anleihekurs; und fallen die Zinsen, steigt der Kurs der Anleihe.) Das führte zu Buchverlusten in der Bilanz der Silicon Valley Bank.


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