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Der US-Kreditzyklus: Eine Standortbestimmung

17.04.2023  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Der Hochpunkt im US-Kreditvergabezyklus ist überschritten, und es gibt eine Reihe von Faktoren, die für eine Verknappung des Kredits und damit zumindest für eine Abwärtsbewegung der Konjunktur sprechen, die aber auch rezessive Entwicklungen auslösen könnten.


Kreditzyklus

Zwischen dem Wachstum des US-amerikanischen Bruttoinlandsprodukts und dem Bankkreditwachstum bestand in den vergangenen Dekaden ein positiver, recht enger Verbund (siehe Abb. 1): Steigende Produktion ging im Durchschnitt mit steigenden Wachstumsraten der Bankkredite einher und umgekehrt. Offen bleiben dabei jedoch die Fragen: Treibt das Produktionswachstum das Kreditwachstum, oder verhält es sich umgekehrt? Verläuft die Beziehung zwischen diesen beiden Zeitserien stets in einer Richtung? Oder kann sich einen solche Wechselbeziehung auch umkehren? Man merkt bereits: Der Verbund zwischen Wirtschaftswachstum und Bankkreditexpansion ist komplex.

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Quelle: Refinitiv; Graphik Degussa.


Die "Arbeitshypothese" ist sicherlich statthaft, dass die Vermehrung von Kredit unmittelbar Rückwirkungen auf das Wirtschaftsgeschehen hat; und dass Veränderungen im Kreditangebot Auswirkungen auf Produktion und Beschäftigung haben – und umgekehrt. Wie also steht es derzeit mit dem US-amerikanischen Bankkreditangebot?

Der Blick auf die Jahreswachstumsraten der US-Bankkreditpositionen zeigt, dass die Darlehensvergabe sich nach wie vor zwar auf einem recht hohen Niveau befindet (Abb. 2). Allerdings ist auch zu erkennen, dass das zyklische Hoch der Kreditvergabe wohl bereits überschritten ist – und dass nunmehr mit einer deutlichen Verlangsamung der Kreditvergabe zu rechnen ist – und damit mit einer Abschwächung der Konjunktur. Dafür spricht auch, dass es einige ernste Probleme im US-amerikanischen Kreditmotor gibt. Der augenfälligste Störfaktor ist sicherlich das jüngste Beben im US-Bankenmarkt, das auch viele andere Banken weltweit erreichte.

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Quelle: Refinitiv; Berechnungen Degussa.


Die Pleite der kalifornischen Silicon Valley Bank (sowie der weniger beachteten Signature Bank) am 10. März 2023 hat vor allem das Zinsänderungsrisiko in den Bankenbilanzen bekannt gemacht. Zur Erinnerung: Die Zinserhöhungen durch die US-Zentralbank haben bei vielen Banken zu beträchtlichen "unrealisierten Verlusten" auf verzinslichen Wertpapierpositionen geführt. So waren die ausgewiesenen Wertpapiere Ende Februar 2023 (es handelte sich um 5.228,6 Mrd. US-Dollar) um 6 Prozent geringer als im Vorjahr; die Bilanzposition "Treasury and agency securities" lag um 4,7 Prozent niedriger, "andere Wertpapiere" um 11 Prozent.

Die Zinserhöhungen haben also zu einem merklichen Rückgang der bilanzierten Wertpapierkurse geführt – die buchtechnischen Verluste entsprachen etwa 16 Prozent des Eigenkapitals aller US-Banken und waren damit keine Kleinigkeit. Schließlich ist die Eigenkapitaldecke der Banken bekanntlich besonders dünn. Auch das hat Anleger veranlasst, vor allem ihre Depositen von kleinen und mittelgroßen Banken zu den Großbanken zu verlagern. Die dabei entstandenen Finanzierungsprobleme für die betroffenen Banken hat die US-Zentralbank mittlerweile allerdings mit neu bereitgestellten Kreditlinien behoben.



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