Groteske Realitäten: Ironie als Brückenschlag
20.07.2009 | Prof. Dr. Hans J. Bocker
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Doch droht weiteres Ungemach: Die für die Hypothekengiganten Fannie und Freddie bereits abgelieferten und wahrscheinlich noch notwendigen Rettungssümmchen dürften sich am Ende auf etwa 5 Billionen, also 5000 Milliarden $ belaufen, worunter sich kein normal Sterblicher mehr etwas vorstellen kann. Aber derlei ist nicht weiter wichtig. Man hat ja die unerschöpfliche Druckerpresse. Und es ist ja auch noch Vermögen in den Bilanzen der Mega-Bankrotteure da. Die Lloyds beispielsweise verfügt über einen Schatz von beachtlichen 250 Milliarden Pfund an Wertpapieren - faulen allerdings. Das sind etwa 315 Milliarden €, die wahrscheinlich größtenteils abgeschrieben werden müssen. Zum Vergleich: Der gesamte Staatshaushalt der BRD beläuft sich auf 288 Milliarden €. Ganz Deutschland müßte also ungefähr 13 oder 14 Monate lang arbeiten, Steuern abführen und dem Staat überreichen, nur um die Giftpapiere einer einzigen zur EU gehörigen Institution abdecken zu können, ohne dass auch nur ein Cent für geplante staatliche Ausgaben Deutschlands übrig bliebe, einschließlich der 22 Milliarden für die Brüsseler Monsterbürokratie und der ungezählten Milliarden, die für diverse militärische Abenteuer mühelos fließen. Doch das muß leider sein, denn am deutschen Wesen wird der Hindukusch genesen. Was wären die Afghanen und andere durch deutsch-alliierte Truppen beglückte Regionen der Welt ohne nachdrückliche und äußerst kostspielige Entwicklungshilfe in Form von Panzerspähwagen, Hubschraubern, Raketen, Mörsern, bayerischen Scharfschützen mit Nachtsichtgeräten und Maschinenwaffen?
Das Lamento schüchterner Kritiker an derlei Abenteuern wird mit immer neuen Sonntagsreden aus Berlin und Brüssel übertüncht. Hier gibt es keinerlei Probleme mit der Finanzierung. Auch wird mantrahaft wiederholt, dass die EU in Wahrheit die rettende Insel der Stabilität im wild tosenden Ozean der Finanzkrise sei. Leider werden Sonntage immer seltener, und auch an Wochentagen wackelt die EU-Stabilität bedenklich. Gegen sieben Mitgliedsstaaten leitete Brüssel - bisher - ein Verfahren wegen der Überschreitung der Defizitgrenzen ein. Was natürlich eine reine Formalität ohne reale Bedeutung bleiben wird. Doch es beruhigt ahnungslose Bürger. Schliesslich wird «etwas gegen die Schuldenmacherei getan».
Irland liess mit seiner minimen Regulierung die irrsinnigsten Finanzgeschäfte zu, deren Milliardenverluste nun alle tragen müssen, Griechenland und Portugal lebten massiv über ihre Verhältnisse, zulasten anderer EU-Mitglieder. Ihre Industrien sind auf Grund der durch den Staat hochgepumpten Entlohnungsstrukturen, genau wie in Italien, nicht mehr wettbewerbsfähig. In Spanien explodieren Staatsschulden und Lohnstückkosten, Banken krepieren und Immobilienblasen platzen mit lautem Knall. In Italien sieht es nicht viel besser aus.
Schon werden diese Länder nach ihren Anfangsbuchstaben mit dem Sammelbegriff PIGS, auf gut Deutsch also Schweine benannt. Eigentlich müsste es PIIGS heißen, zählt man Irland hinzu. Das schlichtere PIGS aber steht für Portugal, Italien, Griechenland und Spanien. Die finanzpolitischen Sünden der PIGS sollen nun Staaten wie Deutschland mittragen. Kein Zweifel, der europäische Solidaritätsgedanke durchläuft eine steile Abwärtsspirale. Die Deutschen werden aber schon durch die Berliner Größen auf die Solidarhaftung vorbereitet. Bald schon sollen Europäische Staatsanleihen ohne Zinsaufschläge ausgegeben werden, deren Erlöse den südlichen Bankrottstaaten auf Kosten der nördlichen Brüder zufließen.
Die derzeit von nervösen Investoren verlangten Zinsaufschläge für die Staatsanleihen der EU-Südstaaten-Bankrotteure drohen deren Staatsfinanzen im Schnellgang völlig zu ruinieren. Da muß Brüderlein im Norden helfend einspringen. Der Euro bestraft also solides Wirtschaften und belohnt Verschwendung, Über-die-Verhältnisse-Leben und Größenwahn. Richtig so, denn nur wenn es Probleme gibt wird man die Politiker wieder wählen, sofern diese überhaupt den Wahlgesetzen unterliegen. Schließlich hält sich die europäische Machtzentrale in Brüssel frei von diesem altmodischen Wählerunsinn und schaltet und waltet weitgehend nach Belieben. Und dem ursprünglichen Stabilitätspakt war ja in weiser Voraussicht durch Rot-Grün in Deutschland der machtpolitische Zahn gezogen worden. Also: Alles Bestens!
Manche Deutsche sammeln in Vorahnung eines Auseinanderbrechens der Eurozone bereits statt Goldmünzen deutsche Euros. Das sind die mit einem X vor der Seriennummer, die sie dann für die neue Mark nach dem erhofften Verschwinden der in Wirklichkeit superstarken und soliden Gemeinschaftswährung einzutauschen gedenken. Das X ist der Ländercode und jedes Land hat «seine Euros», gekennzeichnet durch den Vorbuchstaben, z.B.: Belgien durch Z, Irland T, Griechenland Y, Spanien V, Frankreich U, Italien S, Zypern G, Malta F, Holland P, Portugal M, Slowenien H, Finnland L, usw. Doch wie könnte es zu einem Ende des Euros und einer Auferstehung der Mark kommen, von einer Auferstehung des Goldes als Geld ganz zu schweigen. Eher wird man, ähnlich wie nach dem ersten Weltkrieg, kleine Anstecker mit der Aufschrift tragen: «Gold gab ich für Euros». Genausowenig wie es, laut Propagandawalze, je zu einem Ende des riesenstarken kommunistischen Imperiums kommen konnte... - uuups, hier hat sich wohl ein kleiner Fehler eingeschlichen, aber: nobody is perfect, nicht einmal die Propaganda-Ministerien oder PR-Firmen.
Könnten nun die PIGS und andere Bankrottstaaten die Euro-Zone verlassen, Landeswährungen wieder einführen und diese der Realität entsprechend abwerten? Wohl kaum, denn dann würden sich ihre verbleibenden Euro-Schuldenberge dramatisch erhöhen und sie völlig ersticken. Sie wären ja dann in einer Hartwährung verschuldet. Auch Länder wie Deutschland würden dabei in den Strudel der Entwertung riesiger Anleihenbestände gerissen. Zudem würden viele der deutschen Nachbarn solange abwerten, bis Deutschland mit seiner dann teuren Währung kaum noch etwas exportieren könnte. Wie gesagt, an alles ist gedacht man hat alles im sicheren Griff. Die Brüsseler Monstrosität wird also sicher an der Macht bleiben und der Euro steht wie ein Fels, auch wenn er seit seiner Einführung am 1. Januar 2002 schon 57% seiner Kaufkraft verloren hat. Aber das hat ja keiner gemerkt. Und die verbleibenden 43% könnten doch genau so unbemerkt verschwinden. Papier und die Bevölkerung sind geduldig.
Gewisse Systemgegner meinen: «Ach wie schön wäre es gewesen, eine Goldwährung zu haben, die all diese Riesenprobleme verunmöglicht hätte». Doch das bleibt alles leeres Gerede, denn nur wenige Gipfel später, und auch diese Probleme werden elegant gelöst.
Ach ja, die Royal Bank of Scotland (RBS) hält nach 24,1 Milliarden Pfund Verlust nicht nur den bisherigen Negativrekord in der britischen Wirtschaftsgeschichte, sondern sie hält auch noch schwerkranke Risikopositionen in Höhe von 304 Milliarden Pfund (etwa eine Drittel Billion €), die der britische Steuerzahler jetzt versichert. Doch ist Letzterer selbst entweder finanziell bereits schon völlig ausgeblutet oder arbeitslos. Um den Vergleich zu wiederholen; Der deutsche Staatshaushalt, als Zahlmeister der EU, wäre allein für die Rettung dieser beiden krebskranken Institutionen im EU-Raum (also Lloyds und RBS) jetzt schon für etwa 30 Monate vollumfänglich in Anspruch genommen, von hunderten anderer um Hilfe brüllender Banken und Konzerne gar nicht zu reden. Doch auch hier lautet die frohe Botschaft: «Der nächste Gipfel kommt bestimmt!» Und dort löst die Superintelligenz der Banker und Politiker derlei Miniprobleme zum Nachtisch. Was sind denn weltweit schon 200 oder 300 Unternehmen wie Lloyds, die RBS oder die AIG?
Da kann der Verfasser nur noch mit Goethes Faust resigniert ergänzen: «Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!» Und sein berühmtes Gedicht Über allen Gipfeln ist Ruh gewinnt neue Bedeutung.