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Der Feldzug gegen den Zins und die Folgen für den Goldpreis

09.11.2015  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Szenario 2: Hyperinflation

Von Hyperinflation spricht man üblicherweise, wenn die Preise sehr schnell und sehr stark ansteigen. Der Auslöser einer Hyperinflation ist die Erwartung, dass die Zentralbank die Geldmenge immer weiter und mit immer höheren Raten ausweiten wird. Eine „Flucht aus dem Geld“ setzt ein: Die Menschen wollen anstelle von Geld lieber andere Güter halten - wie Schmuck, Aktien oder Häuser. Geld wird verstärkt gegen andere Güter angeboten. Daraufhin steigen die Preise der nachgefragten Güter, und entsprechend fällt die Kaufkraft des Geldes.

Im Extremfall kann der Währungswert vollends ruiniert werden, wie es beispielsweise im Zuge der Hyperinflation in der Weimarer Republik in den frühen 1920er Jahren geschah. Die damalige entwertete Papiermark wurde im Zuge einer Währungsreform durch die Rentenmark ersetzt. In anderen Ländern führte die Hyperinflation zwar ebenfalls eine mitunter drastische Entwertung der Kaufkraft des Geldes herbei, doch die Währung wurde, nachdem die Geldmengenvermehrung zu ihrem Ende gekommen war, weiterhin als Geld verwendet.

Im Zuge einer Hyperinflation kann die Wirtschaftsaktivität zunächst weiter zunehmen beziehungsweise noch weiter anziehen (man spricht hier auch von „Katastrophen-Hausse“). Weil aber das Geld zusehends unbrauchbar wird, um mit ihm zu wirtschaften, stellen sich Fehlentwicklungen ein, und irgendwann wird mit dem Geld die Geldrechnung, das Kalkulieren gänzlich unmöglich, und die Wirtschaft bricht zusammen.


Szenario 3: Rezession-Deflation

Stagflation und Hyperinflation sind im Grunde keine „eigenständigen“, abgeschlossenen Szenarien. Sie sind vielmehr Vorstufen der Rezession-Depression. Eine Stagflation kann in einen erneuten Boom umgemünzt werden, und eine Hyperinflation kann gestoppt und ebenfalls in einen neuerlichen Boom münden. Aber beide werden letztlich in einer Rezession-Deflation enden: Schrumpfende Wirtschaftsaktivität und fallende Preise auf breiter Front.

Beispielsweise wäre im Zuge einer Hyperinflation zu erwarten, dass die Wirtschaftsaktivität zum Erliegen kommt, wenn der Zustrom von immer mehr Geld in den Wirtschaftskreislauf abebbt. Auch werden die Güterpreise nicht weiter steigen, beziehungsweise beginnen zu fallen, wenn sich die Erwartung durchsetzt, die Zentralbank werde aufhören, die Geldmenge mit immer höheren Raten weiter auszuweiten. Die Preise der Güter, die zuvor besonders stark gestiegen sind (weil sie als „sicherer Hafen“ angesehen wurden), geben dann wieder nach, pendeln sich wieder auf „normalen Niveaus“ ein.


Der Wert des Goldes - und sein Preis

Vorab lassen sich die Länge eines Booms sowie auch das zeitliche Eintreten des Busts nicht verlässlich vorhersagen. Der Boom kann beispielsweise länger als gedacht in Gang bleiben, wenn Produktivitätsschübe (etwa durch technologische Neuerungen) die Fehlentwicklungen, für die das Fiat-Geldregime sorgt, abmildern. Ein mit Fiat-Geld angetriebener Boom kann jedoch auch in eine Stagflation, im Extremfall sogar in eine Hyperinflation abgleiten, und beide würden letztlich ihr Ende in einer Rezession-Depression finden.

Eine mögliche Versicherung gegen diese negativen Szenarien ist das Gold. Gold ist ein über Jahrtausende erprobtes Geld. Es verfügt über die physischen Eigenschaften, die ein Gut verfügen muss, damit es als Geld Verwendung finden kann: Es ist knapp; es ist von gleicher Qualität (es ist homogen); es ist haltbar (es verdirbt nicht) und lagerfähig, es ist teilbar; es ist prägbar; man kann es transportieren; es wird allgemein wertgeschätzt, und es repräsentiert eine hohe Kaufkraft. So gesehen ist Gold gewissermaßen ein perfektes Geld.

Gold kann - anders als das Fiat-Geld - durch das Vermehren der Geldmenge nicht entwertet werden. Es trägt auch kein Zahlungsausfall- beziehungsweise Kreditrisiko. Gold ist das ultimative Zahlungsmittel. Das mag auf den ersten Blick nicht einsichtig sein. Das tritt jedoch dann zutage, wenn die offiziellen Währungen wie US-Dollar, Euro, chinesischer Renminbi oder japanischer Yen in Probleme geraten. Eine solche „Währungskrise“ war letztmalig in den 1970er und 1980er Jahren zu beobachten: Nachdem die US-Administration dem US-Dollar und damit auch allen anderen Währungen der Welt die Golddeckung endgültig entzogen hatte, schwand das Vertrauen in die nunmehr ungedeckten Währungen.

Hohe Inflation war die Folge - und das bestärkte das Misstrauen in die Werthaltigkeit der ungedeckten Fiat-Währungen. In vielen Volkswirtschaften war eine schmerzvolle „Stabilisierungsrezession“ erforderlich, um die Inflationserwartun-gen zu senken und das Vertrauen in die Währungen wiederherzustellen. Es war ein langwieriger, von beträchtlichen Produktions- und Beschäftigungsverlusten begleiteter Weg, der in vielen Ländern auch mit erheblichen politischen und sozialen Spannungen verbunden war.

Für Sparer und Investoren, die eine Versicherung ihres Vermögens gegen die Widrigkeiten des Fiat-Geldsystems suchen, stellt sich daher vor allem eine Frage: Ist der aktuelle Goldpreis „zu teuer“ oder „zu billig“? Bekanntlich lässt sich der Goldpreis (wie auch alle anderen Edelmetallpreise) nicht mit einer „exakten Formel“ bestimmen, beziehungsweise es gibt keine exakte Methode, den „richtigen Goldpreis“ zu berechnen. Allerdings lässt sich der langfristige Zusammenhang zwischen dem Goldpreis und wirtschaftlichen Daten (wie Geldmenge und Zinsen) betrachten, um eine Idee zu erhalten. Mit folgenden langfristigen Reaktionen des Goldpreises wäre üblicherweise zu rechnen:

  • Steigt die Geldmenge, steigen die Güterpreise, einschließlich des Goldpreises.
  • Fallen (steigen) die Zinsen, wird die Goldhaltung attraktiver (weniger attrak-tiv): Das Halten von Gold kostet weniger (mehr).
  • Steigt (fällt) die Inflation, wird das Halten von Gold attraktiver (weniger at-traktiv).
  • Steigt das Risiko von Kreditausfällen, wird das Goldhalten attraktiver (und umgekehrt): Gold trägt keine Zahlungsausfallrisiko.

Diese Zusammenhänge haben wir getestet. Auf der folgenden Seite sind die Ergebnisse in grafischer Form dargestellt (die Erklärungen dazu finden sich unter den Grafiken). Die Bandbreite, in der der Goldpreis „angemessen“ erscheint, liegt derzeit zwischen ungefähr 1.354 und 1.412 USD/oz. So gesehen erscheint der aktuelle Goldpreis von etwa 1.120 USD/oz eher „zu niedrig“, jedoch nicht „zu hoch“ zu sein. Mit der gebotenen Vorsicht dabei anzumerken, dass (1) es sich hierbei um eine „statistische Schätzung“ handelt, die mit Unsicherheit behaftet ist; und dass (2) der Marktpreis vom Schätzwert einige Zeit abweichen kann, auch wenn der Schätzwert „richtig“ ist.

Dem ist gegenüberzustellen, dass die Risiken insbesondere für Sparer und Investoren im Euroraum, Vermögensverluste zu erleiden, rasant zunehmen. Die EZB verfolgt nicht nur eine Politik der Geldmengenvermehrung, die den Geldwert schwinden lässt. Zudem gibt es auch das Risiko, dass (ausgewählte) Schulden von Staaten und Banken nicht zurückgezahlt werden (das wäre die Folge der „Bail-In“-Politik). Ein weitergehender Verfall des Euro-Außenwertes würde Sparern und Investoren im Euroraum zusätzlich Verluste bescheren: Ihre Kaufkraft auf den internationalen Güter- und Vermögensmärkten schwindet. Das Halten von Gold ist daher als eine mögliche Versicherung, eine Impfung, gegen die Widrigkeiten des Euro-Fiat-Geldprojektes anzusehen.

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Quelle: Bloomberg. *CDS = Credit Default; *Preis der CDS, gemessen wie folgt: Ein CDS Spread von 100 Basispunkten bedeutet, dass die Versicherung für eine Anleihe in Höhe von 10 Mio. US-Dollar 10.000 US-Dollar kostet. Je höher also der CDS Spread, desto höher sind die Kosten der Versicherung (und je höher wird das Zahlungsausfallrisiko eingeschätzt).

Eine gar nicht zu überschätzende Bedeutung für die Finanzmärkte und die Konjunkturen weltweit spielen die Zentralbanken, indem sie die Kreditausfallsorgen aus den Finanzmärkten vertrieben haben. Die Zentralbanken stellen in Aussicht, dass sie keine Zahlungsausfälle von Staaten und Banken zulassen werden. In einer „Notsituation“ stellen sie strauchelnden Schuldnern jede gewünschte Geldmenge zur Verfügung.

Das hat Folgen. Angesichts eines solchen „Sicherheitsnetzes“, das die Zentralbanken aufgespannt haben, fragen Sparer und Investoren jetzt Schuldpapiere nach, die sie ohne das Sicherheitsnetz nicht nachfragen würden. Sie werden zu Investitionen verleitet, die sie bei unverfälschter Sicht der Dinge nicht tätigen würden. Sparer und Investoren werden nicht mehr entlohnt für die Risiken, die sie eingehen.

Das Vertreiben der Zahlungsausfallrisiken ist (zumindest bislang) noch nicht mit einem Aufkeimen von Inflationssorgen einhergegangen. Die Zahlungsausfallrisiken zu vertreiben, indem die elektronische Notenpresse angeworfen wird, und gleichzeitig die Inflationssorgen in Schach zu halten, wird dauerhaft vermutlich nicht gelingen.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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