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Die Zentralbanken treiben uns in die Null-Rendite-Welt

05.07.2019  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
  • Die großen Zentralbanken setzen ihre Zinssenkungspolitiken fort - die von vielen Investoren herbeigesehnte "Zinswende" rückt in unerreichbare Ferne.

  • Es erscheint uns wahrscheinlich zu sein, dass die EZB die Renditen nahezu aller Euro-Staatsanleihen auf beziehungsweise unter die Nulllinie absenken wird.

  • Diese Verschärfung der Null- und Negativzinspolitik wird auch dazu führen, dass über kurz oder lang sich die Renditen für andere Vermögensanlagen ebenfalls in Richtung Nulllinie bewegen werden.

  • Insbesondere das Gold wird in diesem Umfeld attraktiv(er): als Ersatz für zinslose Bankguthaben, als Inflationsschutz und als Versicherung gegen Zahlungsausfälle.


Auf was es ankommt

Viele Informationen prasseln tagtäglich auf die Anleger ein: der Handelsstreit zwischen den USA und China; der Konflikt der USA mit Iran; die Verlangsamung der Weltkonjunktur; und vieles andere mehr. Die Finanzmedien verstehen es halt, wie sie ihre Zuschauer und Leser in Atem halten. Die große Herausforderung für jeden Anleger besteht darin, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden - zu wissen, wann man hinhört und wann man besser Augen und Ohren verschließt; und welche Ereignisse tatsächlich für die Investitionsentscheidungen bedeutsam sind und welche nicht.

In dem Trommelfeuer von Informationen wird in der Regel ein Sachverhalt, der höchst bedeutsam für das Investieren ist, selten oder gar nicht thematisiert: Und das ist das ungedeckte Papiergeldsystem. Ohne dass man aber seinen Aufbau und seine Funktionsweise versteht, lassen sich viele Geschehnisse in den Finanzmärkten und der Wirtschaft nicht oder nur schwer verstehen. Das gilt vor allem für die aktuelle Zinsentwicklung - bei der sich mittlerweile vermutlich viele fragen: Geht es mit rechten Dingen zu, dass die Marktzinsen im Euroraum auf beziehungsweise unter die Nulllinie gefallen sind?

Der Zins verdient in der Tat besonderes Augenmerk. Denn er ist von herausragender Bedeutung für jede Anlageentscheidungen am Kapitalmarkt, weil er Einfluss auf alle Finanzmarktpreise nimmt - und dazu gehören natürlich auch die Edelmetallpreise. Die Verbindung zwischen dem ungedeckten Papiergeldsystem und dem Zins ist im Grunde leicht erkennbar: Das ungedeckte Papiergeldsystem ist auf Kredit aufgebaut und damit in höchstem Maße zinsabhängig. Neues Geld wird in Umlauf gebracht, wenn Zentralbanken und Geschäftsbanken neue Kredite vergeben, beziehungsweise wenn sie Anleihen im Kapitalmarkt aufkaufen.

Womit wir beim Thema wären: In der Praxis führt das Geldmengenvermehren durch die Vergabe von Bankkrediten dazu, dass die Schuldenstände in den Volkswirtschaften schneller anwachsen, als die Wirtschaftsleistung zunimmt. Das schafft früher oder später Probleme - denn genauso wie in jedem privaten Haushalt auch können die Schulden in einer Volkswirtschaft nicht dauerhaft stärker wachsen als die Einkommen. Dieser Gedanke leitet über zur sogenannten "Schuldendynamik".


Box 1: Goldpreis und Zins

Wenn man dem Gold Geldqualität zuspricht, dann muss man auch davon ausgehen, dass die Nachfrage nach Gold (wie die Nachfrage nach jeder anderen Währung auch) vom Zins abhängt: Steigt der Zins, nimmt die Goldnachfrage ab; und fällt der Zins, nimmt sie zu. Abb. 1 zeigt den Goldpreis in US-Dollar pro Feinunze und den (fiktiven) Ertrag, den das Halten von US-Dollar-Bankguthaben mit einer dreimonatigen Laufzeit erzielt hat - und zwar vor Steuern und nach Abzug der Inflation der US-Konsumgüterpreise. Man erkennt dreierlei: (1) Langfristig betrachtet war das Gold das bessere Wertaufbewahrunsgmittel. (2) Die Kaufkraft des Goldes hat deutlich stärker geschwankt als die des US-Dollar.

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Quelle: Thomson Financial; Berechnungen Degussa. (1) Indexiert (Januar 1970 = 100). Dunkelgraue Fläche: Phase, in denen der reale, das heißt inflationsbereinigte Kurzfristzins null oder negativ war.


Vor allem erkennt man, dass (3) in Phasen, in denen der reale, also inflationsbereinigte Zins positiv war, der Goldpreis gesunken ist, und in Phasen, in denen der Realzins null oder negativ war, gestiegen ist. Die Periode von Ende 2009 bis Mitte 2015 war so gesehen eine Ausnahme: Sie markiert rückblickend betrachtet den Aufbau einer "Preisübertreibung" mit nachfolgender Korrektur. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrung liegt folgender Schluss nahe: Anleger, die damit rechnen, dass die Realzinsen weiterhin auf beziehungsweise unter der Nulllinie bleiben werden, haben gute Gründe, auch künftig auf Gold zu setzen.


Schuldendynamik

Eine unerquickliche Wahrheit ist, dass das ungedeckte Papiergeldsystem die Volkswirtschaft in eine Überschuldungssituation führt. Um das Unausweichliche, die Pleitewelle, zu verhindern, setzten die Zentralbanken alles daran, die Marktzinsen so niedrig wie nur möglich zu halten beziehungsweise sie auf immer niedrigere Niveaus herabzuschleusen. Der Drang, den Zins immer weiter abzusenken, lässt sich verstehen, wenn man sich die Formel der "Schuldendynamik" vor Augen führt. Sie hat folgendes Aussehen:
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Dabei bezeichnet sq die Schuldenquote der Volkswirtschaft (d. h. Schulden in Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP)), pd ist das Primärdefizit (d. h. Neuverschuldung vor Zinszahlungen), i ist der Kreditzins und g ist das Jahreswachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Dabei steht t für das betreffende Jahr (t-1 steht also für das Vorjahr). Der Blick auf die Formel zeigt: Wenn der Kreditzins i größer ist als das Wirtschaftswachstum g, steigt die Schuldenquote an - es sei denn, die Neuverschuldung wird negativ, also Schulden werden zurückgezahlt. Genau das aber ist politisch nicht gewollt! (1)



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