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Null- und Negativzinsen in den USA - und das Geldchaos ist perfekt

27.09.2019  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 4 -
Doch die Lehre, der Zins könne Null werden oder gar unter die Nullgrenze fallen, ist eine falsche Lehre. Das haben wir im letzten Degussa Marktreport versucht darzulegen. An dieser Stelle sei nur in aller Kürze gesagt: Ein Null- oder Negativzins ist etwas "unnatürliches", etwas logisch falsches (so als ob man sagen würde "1 plus 1 ist nicht gleich 2"). Die Zentralbank kann zwar den Marktzins auf oder auch unter die Nulllinie drücken, aber das führt notwendigerweise zu einem Ungleichgewicht. Null- und Negativzinsen fügen der Volkswirtschaft auf schweren Schaden zu. Dazu zählt nicht nur die Entwertung des Geldvermögens.

Eine Null- und Negativzinspolitik führt zu Boom-und-Bust-Zyklen, weil sie die Konsum-, Spar- und Investitionsentscheidungen der Menschen völlig durcheinanderbringt. Es kommt vor allem auch zu einer "Umwertung aller Werte". Das Heute wird durch die künstlichen Zinssenkungen noch wichtiger "gemacht" als das Morgen: Die Erfüllung der Bedürfnisse in der Gegenwart erscheint noch dringlicher zu sein als die Erfüllung der Bedürfnisse in der Zukunft. Die gesamte Lebensführung der Menschen - Ausbildung, Karriere, Familie etc. - wird dadurch zusehends gegenwartsorientierter "gemacht" auf Kosten der Vorsorge für künftige Bedürfnisse.


#4: Die Scheu vor der Inflationspolitik

Warum nicht gleich das Verschuldungsproblem mit Inflation lösen? Inflation hilft dem Schuldner: Das Geld, das er zurückzahlt, ist weniger wert als das Geld, das er sich ursprünglich geliehen hat. Allerdings verursacht Inflation große wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme. Und wenn die Geprellten den Inflationsschwindel durchschauen, steigen sie auf die Barrikaden - und genau das macht eine "zu hohe" Inflation aus Sicht der Regierenden unattraktiv. (1) Eine zu hohe Inflation wirkt zudem wie "Sand im Getriebe" der Wirtschaft.

Die Regierungen setzen, um die Staatskasse zu befüllen, auf ein gewisses Maß an Besteuerung und vor allem auf Verschuldung. Erst dann, wenn Besteuerung und Verschuldung ausgereizt sind, greifen die Regierungen zur offenen Inflationspolitik. Allerdings kann eine Inflationspolitik nur allzu leicht aus dem Ruder laufen, und der Staat riskiert dadurch das Vertrauen der Menschen in sein Geld, eines der machtvollsten Instrumente, über die der Staat verfügt. Aus diesem Grunde ist für den Staat beziehungsweise die verschuldeten Gruppen eine Null- und Negativzinspolitik attraktiver als eine offene Inflationspolitik.


#5: Die Politik gegen den Kapitalismus

Die Null- und Negativzinspolitik übt einen ganz besonderen Anreiz aus für die politischen Kräfte, die gegen die freie Marktwirtschaft, den Kapitalismus, vorzugehen gedenken. Der Grund: Die arbeitsteiligen modernen Volkswirtschaften sind ohne einen positiven Marktzins nicht denkbar, nicht durchführbar. Wären alle Marktzinsen null Prozent, würde das arbeitsteilige Sparen und Investieren aufhören. Warum sparen, wenn man nicht dafür entschädigt wird? Warum investieren, wenn man dafür keinen Ertrag erzielt?

Wären alle Marktzinsen auf der Nulllinie, käme die arbeitsteilige Volkswirtschaft zum Erliegen; der Kapitalismus wäre am Ende. Die Wirtschaft würde in eine primitive Subsistenzwirtschaft zurückfallen, in der jeder nur für die eigenen Bedürfnisse wirtschaftet. Diese Wahrheit ist marktwirtschaftsfeindlichen Ideologen natürlich nicht verborgen geblieben. So gesehen entzaubern sich die fortgesetzten Rufe nach Null- und Negativzinsen als eine "Wolf im Schafspelz"-Strategie: Null- und Negativzinsen werden eingefordert, angeblich um Wachstum und Beschäftigung zu stützen, in Wahrheit jedoch sorgen Null- und Negativzinsen für das genaue Gegenteil!

Dass die politischen Kräfte immer stärker werden, die auf eine de facto Abschaffung der freien Marktwirtschaft (was von ihr noch übrig ist) hinarbeiten, ist wohl unbestreitbar. (Beispielsweise wird diese Zielerreichung häufig auch auf dem Umweg über die sogenannte Klimaschutz-Politik vorangetrieben.) Null- und Negativzinsen spielen Politiken in die Hände, die freie Marktwirtschaft abschaffen wollen, sie ebnen quasi durch die Hintertür interventionistischen-sozialistischen Wirtschafts- und Gesellschaftskonzepten den Weg.


Kurs auf “Helikoptergeld”

Das zentrale Interesse der machtvollen "etablierten Interessengruppen" - allen voran Staat und Banken- und Finanzindustrie - besteht darin, dass das inflationäre Geldregime in Gang bleibt; dass die Güter- und Dienstleistungspreise im Zeitablauf weiter stetig und unaufhaltsam in die Höhe steigen, dass das "Inflationsregime" nicht von einem "Deflationsregime" abgelöst wird. Allein aus diesem Grund ist es sehr wahrscheinlich, dass die Fed die Leit- und auch die Kapitalmarktzinsen für Staatsschulden der Nulllinie entgegentreibt.

Allerdings kann eine Nullzinspolitik eine tiefgreifende Veränderung des Geldsystems, genauer: der Geldproduktion, bewirken: Was dann der Fall ist, wenn die Geschäftsbanken nicht mehr in der Lage oder willens sind, bei Nullzinsen die Geldmenge per Kreditvergabe auszuweiten. Dann muss die Zentralbank in die Bresche springen, und zwar mit "Helikoptergeld": Bei "Geldknappheit" schmeißt die Zentralbank sprichwörtlich Geld vom Himmel - sie ist ja der Monopolist der Geldproduktion und kann die Geldmenge jederzeit in jeder beliebigen Mengen schaffen und unter das Volk bringen.

Beispielsweise indem die Zentralbank neu geschaffene Banknoten in Hubschrauber lädt und sie dann über den Städten abwirft. Es gibt es auch andere Wege, Helikoptergeld auszuteilen - etwa indem neues Geld direkt auf die Konten der Bürger und Unternehmer gebucht wird. (2) Neben diesen und anderen "technischen Fragen" bedeutet die Ausgabe von Helikoptergeld aber vor allem dies: Die Zentralbank muss das neue Geld nach politischen Erwägungen zuteilen. Sie muss festlegen, wer, wann und wieviel erhält. Sollen der Zentralstaat oder die Bundesstaaten das neue Geld bekommen?


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