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Der Antikapitalist. Ein Weltverbesserer, der keiner ist

06.12.2020  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Gegner der freien Märkte

Der Wohlstand der Menschen ist das Ergebnis des - wenn auch sehr stark gehemmten - kapitalistischen Wirtschaftens. Ohne kapitalistisch zu wirtschaften könnte eine Weltbevölkerung von mehr als 7 Milliarden Menschen nicht ernährt, bekleidet und behaust werden. Doch trotz seiner Erfolgsbilanz hat der Kapitalismus, das System der freien Märkte viele Gegner. Denn es zeichnet sich durch etwas aus, was vielen tief in ihrem Inneren missfällt. Und zwar das Folgende:

In einer freien Marktwirtschaft ist jeder seines Glückes Schmied. Jedermanns Lebensstellung hängt von ihm selbst ab. Jeder hat die Möglichkeit, mit Fleiß aufzusteigen, seinen wirtschaftlichen Erfolg zu erringen. Und jeder, dessen ehrgeizige Pläne sich nicht erfüllen, weiß daher recht gut, dass er seine Chancen nicht genutzt hat, dass er von seinen Mitmenschen geprüft, aber nicht als der Beste befunden wurde. Und das ist nicht immer leicht zu ertragen.

Wenn meine Frau mich vorwurfsvoll fragt: "Warum verdienst du nur so wenig Geld? Wenn du so tüchtig wärest wie dein früherer Schulkamerad Jeff Bezos, dann hätten wir jetzt ein Leben in Saus und Braus". Wenn ich das höre, dann fühle ich mich gedemütigt. Und das Schlimme ist nicht nur die eigene Enttäuschung, sondern auch dass alle anderen sehen und wissen, dass ich nicht der Erfolgreichste bin. Und wenn ich mich da nicht im Griff habe, steigen Neid und Missgunst in mir auf.

Ich sage meiner Frau: "Ja, der Jeff Bezos, der war schon in der Schule ein egoistischer Typ, immer auf seinen Vorteil bedacht. Wenn ich mich so wie Jeff verhalten hätte, ja dann hätte ich auch so reich werden können wie er. Aber ich bin eben ehrlich." Noch besser: Ich richte meine Ressentiments nicht direkt gegen die Erfolgreichen. Eine solche Blöße will ich mir doch lieber nicht geben. Ich suche vielmehr nach einem geeigneteren Sündenbock. Und der ist schnell gefunden: Die freien Märkte sind es, die ungerecht, kalt und materialistisch sind, die solche Typen wie Jeff Bezos hervorbringen.

Ich erwärme mich an den Verheißungen des Sozialismus. Denn der verspricht eine gerechtere, eine gleichere und friedvollere Welt. Er will mich befreien vom unliebsamen Konkurrenzdruck, von meiner Unzufriedenheit, die ich im System der freien Märkte verspüre.

Derartige Ressentiments erfassen vor allem auch Menschen, die man als sogenannte "Intellektuelle" bezeichnet. Das sind Leute, die eine höhere Bildung erfahren haben oder sich für gebildet halten, und die - das ist entscheidend - einen starken Einfluss durch Wort oder Schrift auf die Meinungen ihrer Mitmenschen ausüben. Zu den Intellektuellen zählen zum Beispiel Lehrer, Professoren, Journalisten, Literaten, Filmemacher, Schauspieler und Politiker.

Die Intellektuellen meinen, ihre Tätigkeit sei besonders wichtig, sie sei höherstehend als die des gemeinen Händlers, Kaufmanns, des Geschäftsmanns, des Investors. Dass all diese Berufsgruppen höhere Einkommen haben als er, kann der Intellektuelle nicht verstehen, es schürt vielmehr Missgunst in ihm. Er denkt: "Wie kann es sein, dass diese Geschäftemacher und Krämerseelen viel höher entlohnt werden als ich, wo ich doch so wichtiges tue? Da kann doch etwas nicht richtig sein mit diesen freien Märkten!

Nicht wenige Intellektuelle verbreiten daher die Botschaft: Freie Märkte sind nichts Gutes. Sie führen zu übersteigertem Konsum, zu Ungleichheit. Dagegen muss etwas getan werden! Der Staat muss die freien Märkte zähmen! Es ist so gesehen kein Zufall, dass der Sozialismus eine Erfindung der Intellektuellen ist. Die Arbeitenden haben ihn nicht ersonnen. Er entspringt vielmehr Vorbehalten und Verwirrungen, die vor allem in Intellektuellenkreisen zuhauf anzutreffen sind. Die marktfeindliche Einstellung der Intellektuellen nutzt der Staat für seine Zwecke: Er hat die meisten von ihnen auf seine Lohnliste genommen.

Der Staat weiß: Die Intellektuellen wirken besonders gut in seinem Sinne, wenn er sie bezahlt, ihnen Anstellung und Prestige verschafft. Dass die Intellektuellen einen großen Einfluss auf die Meinung der breiten Bevölkerung haben, liegt daran, dass die meisten Menschen nicht eigene Ideen entwickeln, sondern den Ideen von "Experten" folgen. Die Ablehnung der Intellektuellen gegen die freien Märkte entfaltet daher eine besondere Breitenwirkung, färbt negativ auf die gesamte Gesellschaft ab.

Die Intellektuellen lassen die breite Bevölkerung wissen, dass die Übelstände wie Finanz- und Wirtschaftskrisen, Arbeitslosigkeit, Einkommensungleichheit, Altersarmut und Umweltprobleme Folge der freien Märkte, des Kapitalismus sind. Auch viele Ökonomen (die ja auch zu der Gruppe der Intellektuellen zu zählen sind) vertreten die Position, dass der freie Markt nicht alles lösen kann, dass man den Staat braucht. Sie reden einer Politik das Wort, die das System der freien Märkte einschränkt, im Extremfall ganz abschafft.


Der Staat

Für die Antikapitalisten aller Schattierungen ist der Staat (wie wir ihn heute kennen) ein unverzichtbarer Partner. Grund genug, um den Staat etwas näher unter die Lupe zu nehmen.

Ich hatte bereits eine positive Definition des Staates vorgebracht: Der Staat (wie wir ihn heute kennen) ist ein territorialer Zwangsmonopolist mit der Letztentscheidungsmacht über alle Konflikte auf seinem Gebiet, ausgestattet mit der Macht zur Besteuerung seiner Untergebenen. Ein solcher Staat ist - ob nun in der Form der Monarchie oder der Demokratie - nicht auf natürlichem Wege entstanden, sondern durch Zwang und Gewalt.

Ich will die Entstehung des Staates hier jedoch hier nicht weiter thematisieren, sondern sogleich die Frage stellen: Wie hält sich solch ein Staat an der Macht? Antwort: Er muss die Duldung, besser noch die Zustimmung der breiten Bevölkerung haben. Das erreicht er, indem er beispielsweise Propaganda einsetzt. Den Menschen wird von Kindesbeinen beigebracht, dass der Staat gut und unverzichtbar ist; dass der freie Markt nicht alles regeln kann, dass ohne den Staat das Chaos ausbricht. Zudem erkauft sich der Staat die Zustimmung der Menschen. In der Demokratie buhlen Parteien um Wählerstimmen. Sie versprechen Wählern Wohltaten, damit sie gewählt werden: bessere Schulen, hohe Renten, mehr soziale Gerechtigkeit, etc.

Die Wähler wählen diejenigen, von denen sie meinen, dass sie ihnen die größten Vorteile bringen - selbst wenn das auf Kosten Dritter geht. Seine Versprechungen finanziert der Staat mit Steuern, die er den Netto-Steuerproduzenten abknöpft. Die Besteuerung erfolgt dabei offen (in Form der Einkommens- und Mehrwertsteuer), vor allem aber auch verdeckt: Und zwar indem der Staat seine Ausgaben mit neu geschaffenem Geld bezahlt. Dazu gibt er Schuldpapiere aus, die die staatliche Zentralbank kauft, und sie spült ihm dadurch neu geschaffenes Geld in die Kasse.

Der Staat reicht das Geld an die Menschen weiter, die ihm nützlich sind, die seine Herrschaftsmacht stützen. Und die Menschen, die ihm hinderlich sind, haben das Nachsehen. Gerade der demokratische Staat macht seinen Wählern immer mehr Versprechungen, gibt immer mehr Geld aus, macht immer mehr Menschen finanziell von sich abhängig: Berufsstände, Industrien, Pensionäre sowieso. Die unberuhigende Einsicht daraus ist die Folgende: Der Staat (wie wir ihn heute kennen) lässt sich nicht kleinhalten, der wird vielmehr immer größer und mächtiger.

Der Philosoph und Ökonom Hans Hermann Hoppe (*1949) hat das treffend auf den Punkt gebracht: Selbst ein Minimalstaat wird früher oder später zum Maximalstaat, artet in eine Tyrannei aus.



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