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Der Antikapitalist. Ein Weltverbesserer, der keiner ist

06.12.2020  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 3 -
Der Interventionismus

Und genau das ist auch die Folge des Interventionismus, den nahezu alle Staaten auf der Welt verfolgen. Der Interventionismus ist nicht nur Ergebnis des Antikapitalismus, er verstärkt auch die antikapitalistische Mentalität vieler Menschen. Interventionismus bedeutet, dass der Staat fallweise in Wirtschaft und Gesellschaft eingreift (mit Steuern, Geund Verboten, Verordnungen, Gesetzen, Regulierungen), um bestimmte politische Ziele zu erreichen.

Der Interventionismus (in Deutschland ist er als "soziale Marktwirtschaft" bekannt) ist das vorherrschende Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell auf der Welt geworden. Er findet sich - durchaus in unterschiedlichen Ausprägungen - in den USA, Europa, Asien, Lateinamerika, Afrika. Kein Lebensbereich bleibt vor dem Interventionismus verschont. Bildung (Kindergarten, Schule, Universität), Gesundheit, Pensionen, Medien, Recht und Sicherheit, Geld und Kredit, Verkehrswege, Umwelt. Überall ist der Staat zum dominanten Akteur aufgestiegen.

Ein Paradebeispiel für den Interventionismus ist das ungedeckte Geldsystem. Staatliche Zentralbanken haben das Geldmonopol inne. Sie erzeugen (in enger Kooperation mit staatlich lizensierten Geschäftsbanken) neues Geld aus dem Nichts durch Kreditvergabe. Das führt zu Wirtschaftsstörungen, zu immer größeren Finanz- und Wirtschaftskrisen. Die staatlichen “Rettungspolitiken” die daraufhin eingeleitet werden, setzen die freie Marktwirtschaft (oder das, was von ihr noch übrig ist) zusehends außer Kraft.

Wenn also heute auf das freie Marktsystem geschimpft wird, der "Kapitalismus" für irgendwelche Übelstände verantwortlich gemacht wird, dann ist das eine falsche Schlussfolgerung, ein Etikettenschwindel: Man findet heute keinen Kapitalismus vor, sondern Interventionismus!


Unmöglichkeit des Sozialismus

Der Interventionismus breitet sich wie ein Tintenfleck immer weiter aus. Im Zuge einer Salamitaktik - Schritt für Schritt - schafft er die freie Marktwirtschaft ab, überführt sie - wenn man sich nicht von ihm abkehrt - in eine Befehls- und Lenkungswirtschaft, im Extremfall in den Sozialismus. Doch der Sozialismus muss scheitern. Das hatte der Ökonom Ludwig von Mises (1881-1973) bereits 1919 abschließend erklärt. In aller Kürze lautet Mises‘ Erklärung wie folgt:

Im Sozialismus gibt es kein Privateigentum. Daher können die Produktionsmittel nicht auf Märkten gehandelt werden. Es gibt folglich auch keine Marktpreise für sie.

Ohne Marktpreise für die Produktionsmittel kann man aber keine Wirtschaftsrechnung betreiben. Man kann nicht wissen, welche Güter knapp sind, und wie und wann die verfügbaren Mittel einzusetzen sind, um die gewünschten Güter zu produzieren. Weil die Wirtschaftsrechnung im Sozialismus unmöglich ist, führt der Sozialismus zu Mangel, Verarmung, aber auch zu Zwang und Gewalt. Das ist eine Erkenntnis, die Mises vor mehr als 100 Jahren formulierte! Sie ist bis heute unwiderlegt. Es wäre ein Irrtum zu glauben, dass man beim nächsten Sozialismusversuch nur bessere und klügere Personen an die Schaltstellen der Macht setzen muss, und dass der Sozialismus dann funktionieren wird.

Der Sozialismus ist unmöglich, er ist undurchführbar, endet in einer humanen Katastrophe, wie Mises es abschließend aufgezeigt hat.


Demokratischer Sozialismus

Diese Erkenntnis lässt sich auch auf den demokratischen Sozialismus übertragen. Er will nicht wie der russische Sozialismus” den Umsturz der Eigentumsverhältnisse gewaltsam herbeiführen, er will es auf demokratischem Wege erreichen. Die demokratischen Sozialisten sagen, dass kein Eigentümer einen 100 prozentigen Anspruch auf die Erträge hat, die er mit seinem Eigentum erzielt. Ein Teil davon gehöre vielmehr der Gemeinschaft und müsse an den Staat abgeführt werden.

Die demokratischen Sozialisten relativieren folglich das Eigentum. Die Folge: Das Eigentum und die Erträge, die mit ihm erwirtschaftet werden, werden zur Jagdbeute erklärt.

Es kommt zum moralischen Niedergang: Ein Wettrennen um das Geld der anderen setzt ein - nach dem Motto: “Ein Teil Deines Geldes gehört mir, und wenn ich es nicht bekomme, nimmt es jemand anderes, also nehme ich es mir.” Die Besteuerung steigt immer weiter an, von 10 auf 20 Prozent, dann auf 30, dann auf 40 Prozent und so weiter. Die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft nimmt ab: Investieren und Arbeiten werden unattraktiver, unproduktive Tätigkeiten attraktiver.


Oligarchisierung der Demokratie

Dass der demokratische Sozialismus ein Nährboden für den Antikapitalismus ist, ist wenig verwunderlich. Denn der Demokratie wohnt die Tendenz inne, sich in eine Oligarchie zu verwandeln, also in eine Herrschaft der Wenigen über die Vielen - und damit die Idee der Demokratie auf den Kopf zu stellen. Diese Einsicht legte der Soziologe Robert Michels (1876-1936) in seinem Buch "Zur Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie" dar, erschienen im Jahr 1911. Michels formuliert darin das "eherne Gesetz der Oligarchie".

In Demokratien bilden sich, so Michels, Parteien heraus. Parteien sind Organisationen, und sie bedürfen der festen Führung. Und die übernimmt eine kleine Gruppe von Menschen - die besonders gewieft ist und den Willen zur Macht hat. Über kurz oder lang sind es die Wenigen, die sich des Parteiapparates bemächtigen. Sie können sich wirksam gegen Kritik von innen und außen immunisieren. Es entsteht eine oligarchisierte Parteielite. Die Parteielite kann sich sogar vom Partei- und Wählervotum entfernen, eigene Ziele verfolgen, mit Lobbygruppen ("Big Business") kooperieren, und der Wählerwille bleibt auf der Strecke.

Es bildet sich ein Kartell zwischen den Parteien heraus, das den Weg zur Oligarchisierung der Demokratie ebnet und den Parteioligarchen weitgespannte Handlungsspielräume eröffnet. Die Parteiendemokratie - wenn man sich von ihr die Selbstbestimmung der Wähler erhofft - ist eine große Illusion, so Robert Michels: In der Demokratie kommt es vielmehr zur Herrschaft der Gewählten über die Wähler, der Beauftragten über die Auftraggeber. Extreme Politiken lassen sich dann umsetzen, die auf basis-demokratischem Wege nicht so ohne weiteres möglich wären.

Wenn man dem Gedankengang von Robert Michels folgt, dann ist die sogenannte Postdemokratie die natürliche Folge einer sich oligarchisierenden Demokratie.



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