Die Weltwirtschaft versinkt in einem Meer von Schulden
18.01.2021 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Denn schwindet die Kaufkraft des Geldes, entschuldet sich der Staat auf Kosten der Sparer und Kreditgeber. Allerdings ist diese Politik der Inflationierung nicht ungefährlich, weil sie sich nur schwer oder gar nicht dosieren lässt. Die Sache kann leicht aus dem Ruder geraten - und zwar dann, wenn die Menschen das Vertrauen in das Geld verlieren und beginnen, aus dem Geld zu fliehen. Es kann dann - im Extremfall - zu einer Hoch- oder Hyperinflation kommen, die zu einer drastischen Entwertung oder gar Zerstörung des ungedeckten Geldes führt.Man sollte allerdings die Beharrungskräfte des ungedeckten Geldsystems nicht unterschätzen. Das gilt insbesondere auch für die List und Tücke der Zentralbankräte, wenn es gilt, neue Maßnahmen zu ersinnen, um das System über Wasser zu halten. Das ungedeckte Geldsystem ist zweifelsohne eine üble Sache, bei der bis auf weiteres aber ein Schrecken ohne Ende vermutlich doch wahrscheinlicher ist als ein Ende mit Schrecken. Die Preisinflation müsste schon extrem hoch ausfallen, dass die Menschen das ungedeckte Geld fallen lassen.
Auf Goldgeld setzen
Bevor wir einen Blick nach vorn werfen, sei noch ein kurzer Blick zurück gestattet. In der Zeit 1970 bis 2020 ist der Goldpreis (USD/oz) um jahresdurchschnittlich 9,9 Prozent gestiegen, in der Zeit 2000 bis 2020 um 10 Prozent. Das ist eine langfristige Renditeentwicklung, die sich sehen lassen kann: Der US-Aktienmarkt (Kurse plus Reinvestition der Dividenden) ist in diesem Zeitraum um jahresdurchschnittlich etwa 11 Prozent gestiegen (vor Steuern). Natürlich waren die Goldpreissteigerungsraten durchaus wechselhaft, aber in der langen Frist lag der Goldpreiszuwachs deutlich über der allgemeinen Teuerungsrate.
Quelle: Refinitiv; Berechnungen Degussa. Periode: 1970 bis 2020. Ermittelt aus Jahresdurchschnittspreisen. Gestrichelte Linie: Durchschnitt 1970 bis 2020.
Gold wird - allen anders lautenden Einschätzungen zum Trotz - nach wie vor "geldnah" gehandelt, gerade auch als Versicherung gegen die Weltwährung US-Dollar. Im aktuellen Umfeld der Null- und Negativzinsen und der stark wachsenden Geldmengen weist Gold ein attraktives Risiko-Ertragsverhältnis für langfristig orientierte Anleger auf. Denn der Goldpreis scheint derzeit - bei einem Niveau von etwa 1.850 USD/oz - nicht zu teuer zu sein.
Berücksichtigt man die weltweite Geldmengenausweitung, das Zinsniveau und die Aufschläge in den Kreditmärkten, so wäre derzeit ein Goldpreis von etwa 2.200 USD/oz (mit einer Bandbreite von k 2.500 USD/oz (oben) und 1.900 USD/oz (unten)) gerechtfertigt. So gesehen ist der aktuelle Goldpreis derzeit eher "billig". Es sei jedoch betont, dass diese Schätzung nur ein grober Anhaltspunkt sein kann über den "richtigen" Goldpreis, und zwar unter Annahme, dass die Beziehungen, die in der Vergangenheit zwischen dem Goldpreis und den ihn bestimmenden Faktoren stabil geblieben sind.
Ein Wort zur Vorsicht an dieser Stelle: Mittels der hier angewandten Modellrechnung lässt sich zwar die "Lücke" zwischen geschätzten und tatsächlichem Preis bestimmen (unter beträchtlicher Unsicherheit sei angemerkt). Was sich auf diese Weise jedoch nicht ableiten lässt, ist, in welchem Zeitraum die "Lücke" geschlossen wird. In jedem Falle ist wichtig für den Anleger, dass er Gold (das gleiche gilt auch für Aktien und Immobilien) nicht zu teuer kauft; und bei der Beantwortung dieser Bewertungsfrage kann es hilfreich sein, unsere Modellberechnung in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen.
Für eine Einschätzung des Goldpreises in der Zukunft ist eine Schätzung der ihn bestimmenden Faktoren notwendig. Dadurch ergeben sich natürlich neue Unsicherheiten. Unter der Annahme, dass die Geldmenge auch in 2021 mit außergewöhnlich hohen Raten ausgeweitet wird, und dass auch die Zinsen und Kreditprämien in den Märkten niedrig bleiben, hat der Goldpreis gute Chancen, knapp 2.500 USD/oz gegen Ende des Jahres zu erreichen; sehen Sie hierzu bitte auch die Tabelle auf S. 15. Ausgehend von aktuellen Preisen, hat das Gold damit ein erhebliches Steigerungspotential.
Auch wenn die Weltwirtschaft im laufenden Jahr wahrscheinlich wieder anzieht, so nehmen jedoch die Risiken für das ungedeckte Papiergeldsystem weiter zu: Die Schuldpyramide wird zusehends fragiler, gerade auch im Hinblick auf ein längerfristiges Absinken des Potentialwachstums in vielen Volkswirtschaften. Bis auf weiteres ist absehbar, dass die Zentralbanken immer mehr Kredit und Geld in Umlauf bringen und immer unverhohlener in das Marktgeschehen eingreifen, sollte es neue Störungen im Kreditmarkt geben. Ein zentrales Risiko für den Anleger ist daher die Kaufkraftentwertung von US-Dollar, Euro und Co.
Quelle: Refinitiv; Berechnungen Degussa.