Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Gold & Die Billionen-Dollar-Frage von Basel III

06.08.2021  |  Matt Piepenburg
Der 28. Juni liegt hinter uns und mit ihm die Einführung der mit Spannung erwarteten "makroprudentiellen Basel III-Regulierungen" für die EU, mit denen die "sicheren" Banken noch "sicherer" gemacht werden sollen. (Ab dem 1. Juli gelten die Verordnungen für US-Banken, am 1. Januar 2022 kommt auch Großbritannien hinzu.)

Die Billionen-Dollar-Frage für Goldinvestoren liegt auf der Hand: Was jetzt? Die kurze Antwort lautete: Gold wird steigen. Erwarten Sie aber keine kerzengerade Linie oder eine Preisentwicklung frei von Unannehmlichkeiten bzw. Volatilität. Für die lange Antwort braucht es aber ein bisschen mehr Kontext. Also: Krempeln wir die Ärmel hoch, nehmen wir das Thema auseinander und reden wir Klartext!


Was ist Basel III?

Basel III ist im Grunde eine mit großer Verspätung kommende Bankenregulierung, die, so kontrovers sie ist, auf internationaler Basis beschlossen wurde. Mit ihr werden Banken unter anderem dazu verpflichtet, ihre "strukturelle Liquiditätsquote" (Net Stable Funding Ratio) für Gold zu ändern, das in den Bilanzen als Tier-1-Asset (Klasse-1-Vermögenswert) geführt wird. Um die Banken "für Krisenzeiten stärker und widerstandsfähiger" zu machen, wurde dieses Verhältnis jetzt von 50% auf 85% angehoben.

(Stillschweigende Voraussetzung? Machen sich die BIZ und ihre regulierten Banken etwa Sorgen um eine neue "Krise"?)

Übersetzt in Nicht-Banker-Sprache: Banken müssen dafür sorgen, dass alle von ihr gekauften Assets durch "stabile Finanzierung" (also keine Repo-Gelder, Sichteinlagen oder stark gehebelte Positionen) abgesichert sind, um dann weitere Papiere kaufen/ hebeln zu können…

Noch einfacher übersetzt, bedeutet es: Banken dürfen, unter anderem, beim Kauf und Verkauf von Edelmetallen nicht mehr so stark auf "Fristentransformation" oder "Duration Mismatches" setzen (Nichtübereinstimmungen bei den Aktiva-Passiva-Laufzeiten). Also: Weniger Hebel und kurzfristige Kredite zur Finanzierung langfristiger Spekulationen (Arbitrage).

Mit Basel III werden Banken im Grunde dazu verpflichtet, verstärkt auf längerfristige (und weniger auf kurzfristige) Formen der Kreditaufnahme zu setzen. Für die Banken bedeutet das unterm Strich u.a. Folgendes: Ihre "nicht zugewiesenen" Goldbestände verteuern sich deutlich, weil das Gold, das die Banken in der Vergangenheit besaßen, zumeist nur drittklassig (Tier 3) war und "papiergehebelt" bis zum Abwinken.

Um wieder stärker im Bankerjargon zu sprechen: Basel III zielt offen darauf ab, den Banken im Papiergoldhandel verstärktes Deleveraging abzuverlangen (geringere Finanzhebel- bzw. Fremdkapitalnutzung).

Zu diesem Zweck sind die Banken angehalten bzw. per Verordnung verpflichtet, ihre tatsächlichen physischen Goldbestände (Barren oder Münzen) als Tier-1-Assets (echt/ sicher) zu klassifizieren und ihre Papiergoldbestände als Tier-3-Assets (gehebelt/ unsicher), für die dann größere Reserven zurückgehalten werden müssen.

Wieder in die eigentliche Praxis zurückübersetzt, bedeutet das: Basel III wird dazu führen, dass viel geringere Banken-Finanzhebel auf einem, sagen wir, 400-Unzen-Goldbarren im COMEX-Handel lasten (von 200:1 im Jahr 2016 auf nur noch 3:1 heute). Die COMEX wird dabei langsam von einer derivategestützten (d.h. gehebelten) Spekulantenbörse in einen deutlich stärker besicherten Markt umgewandelt.


Bringt Basel III ehrliches Banking und eine sichere Welt?

Scheint doch eine ganz gute Sache zu sein, meinen Sie nicht? Geringere Hebel, weniger Tier-3-Risiko, „stabilere“ Assets, höhere Reserven, sicherere Bankpraxis, tragfähigere Bankenbilanzen zum Schutz der Einleger und, man glaubt es kaum, vielleicht sogar echte und ehrliche Preisfindung bei den Edelmetallen…?

Jein…

JA, weil den Banken jetzt verstärkte Liquiditätsanforderungen vorgeschrieben werden („Net Stable Funding Ratios“). Sie verhindern, dass Banken weiterhin (und unrichtigerweise) sagen können, sie hätten Gold, obwohl ihr Gold größtenteils nur aus Hebelpapieren bestand und alle physischen Goldbestände mehr als einen Eigentümer hatten.

Das heißt jedoch nicht, dass die Banken - zur Erfüllung der neuen Reserveanforderungen - ganz plötzlich auf große, wenn auch erzwungene, Einkauftour gehen werden (die zu sprunghaft steigenden Goldpreisen führt), um ihre altes Tier-3-Papiergold durch glänzendes, neues, echtes und physisches Tier-1-Gold zu ersetzen.

Gleichwohl kursierten im Internet viele windige Aufrufe, in denen behauptet wurde, ein Kurssprung stünde unmittelbar bevor. Wir hatten es an anderer Stelle aber schon erwähnt: Banken mögen vielleicht gierig sein, finanzhebelsüchtig und unehrlich, sie sind aber nicht dumm, ungeschützt oder selbstmörderisch…

Das heißt nur Folgendes: Die Banken wussten, dass diese Regulierungen kommen würden. Und sie sind nicht in hysterische Panik verfallen und haben nicht nervös Kleingeld zusammengekratzt, um mehr Tier-1-Gold und -Silber zu kaufen, damit sie die neuen Regulierungsquoten erfüllen. Überhaupt nicht.

Viele Expertenrunden und Akteure im Youtube-Universum haben es verpasst, ihrem Publikum in Erinnerung zu rufen, dass eben jene Banken auch schon vor Inkrafttreten der Basel-III-„Reservevorschriften“ auf richtig großen Überschussreserven saßen, dank vorheriger Bailouts (man denke an 2008…).

Allein im US-Bankensektor hatten die Großakteure schon eine gute Ausgangsposition gehabt - Überschussreserven von mehr als 1,6 Bill. $. Und um die Vorschriften von Basel III zu erfüllen, brauchte es nicht mehr als 400 Mrd. $.

Kurz: Die Banken sind weit davon entfernt, sich zur Erfüllung der Basel-III-Quoten um erzwungene Goldankäufe Gedanken machen zu müssen; sie brauchen einfach nur einen Teil ihrer üppigen Überschussreserven einzusetzen (Ihnen sei Dank - dem Steuerzahler und ungefragten Bailout-Geldgeber).


Geraderücken (Klassifizierung) der Stühle auf dem Titanic-Deck

Über Basel III wissen wir vor allem eines: Alle nicht zugewiesenen (unallocated) Papiergoldpositionen, die sich zuvor in den Bankenbilanzen befunden hatten, müssen nachgeprüft, umstrukturiert und neu klassifiziert werden.

Im Klartext für alle Nicht-Banker (also für uns Normalsterbliche) heißt das, dass die Banken einige Entscheidungen zu treffen haben. Soll Geld zum Kauf von physischem Gold zur Seite gelegt werden, damit das Papiergold ersetzt werden kann? Oder wird einfach nur Größe und Umfang des alten Bullion-Geschäfts reduziert? Sie dürfen gerne wilde Vermutungen anstellen…

Wie schon oben erwähnt: Falls Sie davon ausgehen, dass Banken wie Citi Group und Morgan (JP oder Stanley) zur Einhaltung der 85 %-Quote ganz plötzlich ihr gesamtes Tier-3-Papiergold in physisches Tier-1-Gold konvertieren werden, liegen Sie höchstwahrscheinlich falsch. Eher werden sie große Mengen Papiergold abstoßen, als einen rapiden Preisanstieg am physischen Markt auszulösen.


Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"