Das Inflationsbiest
08.10.2021 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die Sorge vor Inflation ist begründet: Die Zentralbanken inflationieren die Geldmenge ungestüm, und der "Energiepreisschock", für den vor allem auch die "grüne Politik" sorgt, lässt sie sich in steigenden Güterpreisen entladen; das "Inflationsbiest" hebt sein hässliches Haupt.
"Kein Übel ist so groß, dass es nicht von einem neuen übertroffen werden könnte." - Wilhelm Busch
Sorge vor Inflation
Die Preisinflation ist da: Güter und Dienstleistungen werden merklich teurer, und zwar auf breiter Front. Weltweit. In den Vereinigten Staaten von Amerika betrug der Anstieg der Konsumgüterpreise im August 2021 5,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr, in Deutschland lag die vergleichbare Rate im September 2021 bei 4,1 Prozent, im Euroraum bei 3,4 Prozent. Die Preisinflation übersteigt damit die 2-Prozentmarke erheblich, die als noch vertretbar angesehen wird.
Ein mitunter hitziger Wettstreit ist nun darüber entbrannt, wer die Deutungshoheit über das Geschehen beanspruchen darf: Wer die Ursache(n) für die gestiegene Preisinflation benennt, und vor allem wer die weitere Entwicklung der Güterpreisinflation in der Öffentlichkeit glaubhaft vermittelt.
Es stehen sich gegenüber: Auf der einen Seite befinden sich die Menschen, die in ihrem tägliche Leben bemerken, dass die Kaufkraft ihres Geldes dahinschwindet. Sie spüren an ihrem Geldbeutel, dass die Preisinflation "real" ist, und sie treibt jetzt die Sorge um, dass sich die Geldentwertung verschlimmern könnte - beispielsweise angesichts der Folgen, die die stark steigenden Energiepreise nach sich ziehen.
Auf der anderen Seite stehen Politiker, Zentralbankräte und auch eine ganze Reihe von Hauptstrom-Ökonomen, die beschwichtigend erklären: Die gestiegene Güterpreisinflation ist nur eine Folge von "einmaligen" Faktoren, die auch nur von "vorübergehender" Natur sind; die Güterpreisinflation werde schon bald wieder abnehmen.
Die gestiegene Preisinflation hat in Deutschland dazu geführt, dass die realen Löhne und Gehälter im Juli 2021 um 3,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr gefallen sind. Das war der größte Rückgang seit den frühen 1960er Jahren. Die Preisinflation beraubt also die Beschäftigten der Früchte ihrer Arbeit. Und noch etwas Auffälliges lässt sich beobachten: Der Zuwachs der realen (inflationsbereinigten) Entlohnung betrug von Anfang 1961 bis Ende 1998 durchschnittlich 2,6 Prozent pro Jahr. In der Zeit von Anfang 1999 (dem Beginn der Euro-Währungsunion) bis Juli 2021 betrug sie hingegen nur noch 0,7 Prozent.
Nun wäre es sicherlich voreilig zu sagen, die Euro-Einführung habe den Zuwachs der realen Verdienste in Deutschland verringert. Denn schon lange vor der Euro-Einführung zeigte sich ein Trend nachlassender Lohn- und Gehaltszuwächse in Deutschland. Das wiederum ist nicht überraschend, weil auch das Trendwachstum der deutschen Wirtschaft seit Jahrzehnen immer weiter nachgibt - und das Trendwachstum wird von einer Vielzahl von Faktoren (nicht nur vom Euro) beeinflusst.
Man könnte nun vielleicht auf die Idee kommen zu sagen, die Euro-Einführung habe verhindert, dass der Zuwachs der Entlohnung noch stärker geschrumpft ist. Aber dann kann man auch nicht die Befürchtung von der Hand weisen, dass die Umfeldbedingungen, die mit der Einheitswährung erzeugt wurden, dazu beigetragen haben, Deutschlands Wachstumstrend weiter zu schwächen. Wie dem auch sei: Die gestiegene Preisinflation ist zweifelsohne, unverkennbar und unübersehbar zum Schaden der schaffenden Bevölkerung in Deutschland.
Welchen Reim soll man sich nun daraus machen als jemand, der von der Preisinflation direkt betroffen ist - sei es als Konsument, Sparer oder Anleger? Im Folgenden wird versucht, etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Wir beginnen mit einer Erklärung, was "Inflation" eigentlich ist, wie man sie sinnvoll deuten kann. Dann gehen wir auf die Ursache(n) der Inflation ein. Dabei heben wir vor allem auch die Beziehung zwischen Staat und Inflation kritisch hervor, und wir betonen die problematischen sozialen-politischen Folgen der Inflation. Abschließend geben wir eine (vorsichtige) Empfehlung, wie man als Anleger auf die Preisinflation reagieren kann.
Was Inflation ist
Das Wort "Inflation" fällt dieser Tage zwar häufig, aber nicht immer ist klar, was damit gemeint ist. Einzelne Güterpreise können mitunter stark ansteigen - wie derzeit beispielsweise die Preise für Öl und Gas oder Baumaterialien -, doch das ist für sich genommen noch keine Inflation. Um Inflation handelt es sich dann - genauer sollte man von "Güterpreisinflation" sprechen -, wenn die Preise der Güter auf breiter Front und auch fortgesetzt in die Höhe steigen. Die unmittelbare Folge der Güterpreisinflation liegt damit auf der Hand: Sie setzt die Kaufkraft des Geldes herab: Steigen die Güterpreise, erhält man weniger Güter und Dienste für sein Geld. Doch wie kann es dazu kommen?
In der ökonomischen Lehre unterscheidet man üblicherweise zwischen zwei Erklärungen. Zum einen spricht man von angebots- und oder nachfragegetriebener Preisinflation. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn das Güterangebot knapp ist, die Nachfrage also das Angebot übersteigt, und als Folge davon die Güterpreise anziehen - weil Unternehmen ihre erhöhten Kosten auf die Preise überwälzen und/oder die Güterpreise knappheitsbedingt ansteigen. Zum anderen gibt es die monetäre Erklärung der Preisinflation.
Ihr zufolge ist die Güterpreisinflation das Resultat einer übermäßigen Geldmengenausweitung, also einer "Geldmengeninflation". Beide Erklärungen der Inflation stehen sich allerdings nicht unvereinbar gegenüber. Zwar ist eine anhaltende Güterpreisinflation ohne eine unterliegende Geldmengeninflation kaum denkbar¹, jedoch können Angebotsknappheit und Nachfrageüberhang in den Gütermärkten sehr wohl eine Güterpreisinflation in Gang setzen, wenn die Zentralbank das Geldangebot übermäßig ausweitet beziehungsweise ausgeweitet hat.
"Kein Übel ist so groß, dass es nicht von einem neuen übertroffen werden könnte." - Wilhelm Busch
Sorge vor Inflation
Die Preisinflation ist da: Güter und Dienstleistungen werden merklich teurer, und zwar auf breiter Front. Weltweit. In den Vereinigten Staaten von Amerika betrug der Anstieg der Konsumgüterpreise im August 2021 5,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr, in Deutschland lag die vergleichbare Rate im September 2021 bei 4,1 Prozent, im Euroraum bei 3,4 Prozent. Die Preisinflation übersteigt damit die 2-Prozentmarke erheblich, die als noch vertretbar angesehen wird.
Ein mitunter hitziger Wettstreit ist nun darüber entbrannt, wer die Deutungshoheit über das Geschehen beanspruchen darf: Wer die Ursache(n) für die gestiegene Preisinflation benennt, und vor allem wer die weitere Entwicklung der Güterpreisinflation in der Öffentlichkeit glaubhaft vermittelt.
Es stehen sich gegenüber: Auf der einen Seite befinden sich die Menschen, die in ihrem tägliche Leben bemerken, dass die Kaufkraft ihres Geldes dahinschwindet. Sie spüren an ihrem Geldbeutel, dass die Preisinflation "real" ist, und sie treibt jetzt die Sorge um, dass sich die Geldentwertung verschlimmern könnte - beispielsweise angesichts der Folgen, die die stark steigenden Energiepreise nach sich ziehen.
Auf der anderen Seite stehen Politiker, Zentralbankräte und auch eine ganze Reihe von Hauptstrom-Ökonomen, die beschwichtigend erklären: Die gestiegene Güterpreisinflation ist nur eine Folge von "einmaligen" Faktoren, die auch nur von "vorübergehender" Natur sind; die Güterpreisinflation werde schon bald wieder abnehmen.
Die gestiegene Preisinflation hat in Deutschland dazu geführt, dass die realen Löhne und Gehälter im Juli 2021 um 3,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr gefallen sind. Das war der größte Rückgang seit den frühen 1960er Jahren. Die Preisinflation beraubt also die Beschäftigten der Früchte ihrer Arbeit. Und noch etwas Auffälliges lässt sich beobachten: Der Zuwachs der realen (inflationsbereinigten) Entlohnung betrug von Anfang 1961 bis Ende 1998 durchschnittlich 2,6 Prozent pro Jahr. In der Zeit von Anfang 1999 (dem Beginn der Euro-Währungsunion) bis Juli 2021 betrug sie hingegen nur noch 0,7 Prozent.
Quelle: Refinitiv; Berechnung Degussa.
Nun wäre es sicherlich voreilig zu sagen, die Euro-Einführung habe den Zuwachs der realen Verdienste in Deutschland verringert. Denn schon lange vor der Euro-Einführung zeigte sich ein Trend nachlassender Lohn- und Gehaltszuwächse in Deutschland. Das wiederum ist nicht überraschend, weil auch das Trendwachstum der deutschen Wirtschaft seit Jahrzehnen immer weiter nachgibt - und das Trendwachstum wird von einer Vielzahl von Faktoren (nicht nur vom Euro) beeinflusst.
Man könnte nun vielleicht auf die Idee kommen zu sagen, die Euro-Einführung habe verhindert, dass der Zuwachs der Entlohnung noch stärker geschrumpft ist. Aber dann kann man auch nicht die Befürchtung von der Hand weisen, dass die Umfeldbedingungen, die mit der Einheitswährung erzeugt wurden, dazu beigetragen haben, Deutschlands Wachstumstrend weiter zu schwächen. Wie dem auch sei: Die gestiegene Preisinflation ist zweifelsohne, unverkennbar und unübersehbar zum Schaden der schaffenden Bevölkerung in Deutschland.
Welchen Reim soll man sich nun daraus machen als jemand, der von der Preisinflation direkt betroffen ist - sei es als Konsument, Sparer oder Anleger? Im Folgenden wird versucht, etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Wir beginnen mit einer Erklärung, was "Inflation" eigentlich ist, wie man sie sinnvoll deuten kann. Dann gehen wir auf die Ursache(n) der Inflation ein. Dabei heben wir vor allem auch die Beziehung zwischen Staat und Inflation kritisch hervor, und wir betonen die problematischen sozialen-politischen Folgen der Inflation. Abschließend geben wir eine (vorsichtige) Empfehlung, wie man als Anleger auf die Preisinflation reagieren kann.
Was Inflation ist
Das Wort "Inflation" fällt dieser Tage zwar häufig, aber nicht immer ist klar, was damit gemeint ist. Einzelne Güterpreise können mitunter stark ansteigen - wie derzeit beispielsweise die Preise für Öl und Gas oder Baumaterialien -, doch das ist für sich genommen noch keine Inflation. Um Inflation handelt es sich dann - genauer sollte man von "Güterpreisinflation" sprechen -, wenn die Preise der Güter auf breiter Front und auch fortgesetzt in die Höhe steigen. Die unmittelbare Folge der Güterpreisinflation liegt damit auf der Hand: Sie setzt die Kaufkraft des Geldes herab: Steigen die Güterpreise, erhält man weniger Güter und Dienste für sein Geld. Doch wie kann es dazu kommen?
In der ökonomischen Lehre unterscheidet man üblicherweise zwischen zwei Erklärungen. Zum einen spricht man von angebots- und oder nachfragegetriebener Preisinflation. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn das Güterangebot knapp ist, die Nachfrage also das Angebot übersteigt, und als Folge davon die Güterpreise anziehen - weil Unternehmen ihre erhöhten Kosten auf die Preise überwälzen und/oder die Güterpreise knappheitsbedingt ansteigen. Zum anderen gibt es die monetäre Erklärung der Preisinflation.
Ihr zufolge ist die Güterpreisinflation das Resultat einer übermäßigen Geldmengenausweitung, also einer "Geldmengeninflation". Beide Erklärungen der Inflation stehen sich allerdings nicht unvereinbar gegenüber. Zwar ist eine anhaltende Güterpreisinflation ohne eine unterliegende Geldmengeninflation kaum denkbar¹, jedoch können Angebotsknappheit und Nachfrageüberhang in den Gütermärkten sehr wohl eine Güterpreisinflation in Gang setzen, wenn die Zentralbank das Geldangebot übermäßig ausweitet beziehungsweise ausgeweitet hat.