Keine Eskalation um Taiwan - Führungsrolle für Deutschland?
03.08.2022 | Christian Buntrock
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0191 (06:00 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,015 im US-Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 132,52. In der Folge notiert EUR-JPY bei 135,05. EUR-CHF oszilliert bei 0,97265.
An den Finanzmärkten wurde gestern mit Sorgenfalten nach Taiwan geschaut. Während der Markt auf belastbare Nachrichten wartete, konnte der zuletzt unter die Räder gekommene japanische Yen wieder seine Rolle als sicherer Hafen einnehmen. Das aus Peking angekündigte Manöver vom 4.8. bis zum 07.08. wurde letztlich von den Anlegern unter "lautem Säbelrasseln" zur Gesichtswahrung verbucht. In der Folge hielten sich die Ausschläge an den Aktien- und Rentenmärkten in Grenzen. Damit sollte sich kurzfristig die Spannung um Taiwan wieder entladen. Mittelfristig wird uns der Konflikt weiter beschäftigen mit dem negativen Potential bedeutender als der Ukrainekrieg zu werden.
Es stellt sich die Frage, wie sich die Bundesrepublik und Europa hinsichtlich zukünftiger Herausforderungen aufstellen will. Die Sichtweise zumindest eines Teils der Bundesregierung äußerte laut FAZ (Link zum Artikel) Außenministerin Baerbock am Dienstag vor Studenten in New York. Danach sollte die Bundesregierung eine Führungsrolle in der Festigung der transatlantischen Allianz mit den USA einnehmen. Die neue Partnerschaft solle auf drei Säulen ruhen:
1. Erhöhung der Sicherheit in militärischer Hinsicht, in der Abwehr von Desinformationen in sozialen Medien und der Überprüfung von Lieferketten für wichtige Güter.
Die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr wieder herzustellen ist wichtig und richtig. Interessant, dass dies aus dem politischen Lager gefordert wird, dass sich über Jahrzehnte sich für die Schwächung der Bundeswehr einsetzt hat. Eine Lernkurve wird aber gerne positiv goutiert. Verwunderung kommt bei der Forderung auf, Desinformationen in sozialen Medien zu verhindern. Wer bestimmt, was Desinformationen sind? Facebook als Unternehmen, wie es aktuell der Fall ist? Also die Privatwirtschaft und zugleich ein US-Unternehmen für Inhalte in Deutschland? Oder benötigen wir ein "Wahrheitsministerium"? Wie soll zwischen Desinformation und anderer politischer Auffassung unterschieden werden?
Der Weg, der an dieser Stelle eingeschlagen wird, sieht sehr nach einem sonst viel kritisierten chinesischen Weg aus. Vielleicht würde der Einsatz für mehr Bildung helfen, dann haben auch Fake-News keine Chance.
2. Die zweite Säule bestehe aus einer regelbasierten internationalen Ordnung, so dass alle Staaten sich entfalten und miteinander in Frieden leben können. Insbesondere müsse der Westen "die regelbasierte Ordnung gegenüber jenen Herausforderungen verteidigen, die von China ausgingen."
Das Einfordern einer internationalen regelbasierten Ordnung in den USA loben wir an dieser Stelle ausdrücklich. Man könnte es auch mit Forderungen verbinden, nicht die WTO durch Verhinderung von Richterstellen außer Kraft zu setzen (USA 2020). Ebenso sollten keine Schutzzölle unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit erhoben werden (USA gegen die EU seit 2018, Ausweitung 2020); (gegen die Türkei mit gleicher Begründung ab 2018).
Ein Eingriff in die Tarifautonomie in anderen Ländern wäre ebenso zu unterlassen (USA im Handelsstreit gegen Mexiko 2020), Sanktionen gegen Dritte aus Gründen des nationalen Interesses ebenso (USA gegen Deutschland (2021). Ob mit einer regelbasierten Ordnung Investitionssubventionen unter der Bedingung nicht in Drittländern zu investieren, vereinbar sind, ist ebenso fraglich. (USA gegen China 2022, siehe gestriger Bericht). Mit den USA für eine regelbasierte Ordnung zu kämpfen, erscheint genauso logisch wie ein Bündnis mit China gegen Wirtschaftsspionage. In beiden Fällen machen wir den Bock zum Gärtner.
Die USA vertreten ihre Interessen vehement und egoistisch - genauso wie die chinesische Seite.
In diesem Sinne wäre die regelbasierte Ordnung gegenüber beiden Streithähnen zu verteidigen, gegen China ebenso wie gegenüber den USA. Das übermäßige Stellen auf eine Seite wird weder der Sache, unserem Interesse, noch dem Frieden und der Sicherheit gerecht und untergräbt die internationale Glaubwürdigkeit unseres Landes.
3. Die dritte Säule sei die Stärkung der Widerstandskraft der Demokratien.
Dem Ziel stimmen wir ohne Einschränkung zu, gespannt sind wir auf das "Wie".
Arbeitsmarkt in den USA rückläufig, aber weiter robust
Die Zahl der offenen Stellen in den USA ging im Juni um 605.000 auf 10,7 Millionen zurück. In Folge belief sich der Rückgang von März bis Juni auf insgesamt 1,2 Millionen. Der Anteil an offenen Stellen sinkt zwar mit der höchsten Geschwindigkeit seit Pandemiebeginn, trotzdem ist weiterhin von einem deutlichen Arbeitsnachfrageüberschuss auszugehen. Es besteht für die Federal Reserve genug Spielraum für weitere Zinserhöhungen, ohne das Nebenziel eines "Soft-Landings" zu verletzten.
Die Äußerungen des Präsidenten der San Franciso Fed Daly, der die US-Notenbank "nowhere near almost done" sieht, sind vor diesen Hintergrund ernst zu nehmen. Sie passen zu der Warnung Powells, dass die Federal Reserve sogar bereit sei, im Zweifel eine Rezession in Kauf zu nehmen, um die Inflation wieder in den Griff zu bekommen.
Die Kapitalmärkte scheinen aktuell entweder davon auszugehen, dass die Inflation zum Ende des Jahres deutlich zurückgeht oder aber die Äußerungen aus der Federal Reserve nicht ernst zu nehmen. Sollte im Herbst abzusehen sein, dass die Inflation sich hartnäckiger hält als erwartet, könnte es zu bösen Überraschungen an den Märkten kommen.
Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem EUR favorisiert. Ein Überschreiten des Widerstandsniveaus bei 1.0450 - 1.0480 neutralisiert den positiven Bias des USD.
Viel Erfolg!
© Christian Buntrock
Netfonds Gruppe
Hinweis: Der Hellmeyer Report ist eine unverbindliche Marketingmitteilung der Netfonds AG, die sich ausschließlich an in Deutschland ansässige Empfänger richtet. Er stellt weder eine konkrete Anlageempfehlung dar noch kommt durch seine Ausgabe oder Entgegennahme ein Auskunfts- oder Beratungsvertrag gleich welcher Art zwischen der Netfonds AG und dem jeweiligen Empfänger zustande.
Die im Hellmeyer Report wiedergegebenen Informationen stammen aus Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität wir jedoch keine Gewähr oder Haftung übernehmen können. Soweit auf Basis solcher Informationen im Hellmeyer Report Einschätzungen, Statements, Meinungen oder Prognosen abgegeben werden, handelt es sich jeweils lediglich um die persönliche und unverbindliche Auffassung der Verfasser des Hellmeyer Reports, die in dem Hellmeyer Report als Ansprechpartner benannt werden.
Die im Hellmeyer Report genannten Kennzahlen und Entwicklungen der Vergangenheit sind keine verlässlichen Indikatoren für zukünftige Entwicklungen, sodass sich insbesondere darauf gestützte Prognosen im Nachhinein als unzutreffend erweisen können. Der Hellmeyer Report kann zudem naturgemäß die individuellen Anlagemöglichkeiten, -strategien und -ziele seiner Empfänger nicht berücksichtigen und enthält dementsprechend keine Aussagen darüber, wie sein Inhalt in Bezug auf die persönliche Situation des jeweiligen Empfängers zu würdigen ist. Soweit im Hellmeyer Report Angaben zu oder in Fremdwährungen gemacht werden, ist bei der Würdigung solcher Angaben durch den Empfänger zudem stets auch das Wechselkursrisiko zu beachten.
An den Finanzmärkten wurde gestern mit Sorgenfalten nach Taiwan geschaut. Während der Markt auf belastbare Nachrichten wartete, konnte der zuletzt unter die Räder gekommene japanische Yen wieder seine Rolle als sicherer Hafen einnehmen. Das aus Peking angekündigte Manöver vom 4.8. bis zum 07.08. wurde letztlich von den Anlegern unter "lautem Säbelrasseln" zur Gesichtswahrung verbucht. In der Folge hielten sich die Ausschläge an den Aktien- und Rentenmärkten in Grenzen. Damit sollte sich kurzfristig die Spannung um Taiwan wieder entladen. Mittelfristig wird uns der Konflikt weiter beschäftigen mit dem negativen Potential bedeutender als der Ukrainekrieg zu werden.
Es stellt sich die Frage, wie sich die Bundesrepublik und Europa hinsichtlich zukünftiger Herausforderungen aufstellen will. Die Sichtweise zumindest eines Teils der Bundesregierung äußerte laut FAZ (Link zum Artikel) Außenministerin Baerbock am Dienstag vor Studenten in New York. Danach sollte die Bundesregierung eine Führungsrolle in der Festigung der transatlantischen Allianz mit den USA einnehmen. Die neue Partnerschaft solle auf drei Säulen ruhen:
1. Erhöhung der Sicherheit in militärischer Hinsicht, in der Abwehr von Desinformationen in sozialen Medien und der Überprüfung von Lieferketten für wichtige Güter.
Die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr wieder herzustellen ist wichtig und richtig. Interessant, dass dies aus dem politischen Lager gefordert wird, dass sich über Jahrzehnte sich für die Schwächung der Bundeswehr einsetzt hat. Eine Lernkurve wird aber gerne positiv goutiert. Verwunderung kommt bei der Forderung auf, Desinformationen in sozialen Medien zu verhindern. Wer bestimmt, was Desinformationen sind? Facebook als Unternehmen, wie es aktuell der Fall ist? Also die Privatwirtschaft und zugleich ein US-Unternehmen für Inhalte in Deutschland? Oder benötigen wir ein "Wahrheitsministerium"? Wie soll zwischen Desinformation und anderer politischer Auffassung unterschieden werden?
Der Weg, der an dieser Stelle eingeschlagen wird, sieht sehr nach einem sonst viel kritisierten chinesischen Weg aus. Vielleicht würde der Einsatz für mehr Bildung helfen, dann haben auch Fake-News keine Chance.
2. Die zweite Säule bestehe aus einer regelbasierten internationalen Ordnung, so dass alle Staaten sich entfalten und miteinander in Frieden leben können. Insbesondere müsse der Westen "die regelbasierte Ordnung gegenüber jenen Herausforderungen verteidigen, die von China ausgingen."
Das Einfordern einer internationalen regelbasierten Ordnung in den USA loben wir an dieser Stelle ausdrücklich. Man könnte es auch mit Forderungen verbinden, nicht die WTO durch Verhinderung von Richterstellen außer Kraft zu setzen (USA 2020). Ebenso sollten keine Schutzzölle unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit erhoben werden (USA gegen die EU seit 2018, Ausweitung 2020); (gegen die Türkei mit gleicher Begründung ab 2018).
Ein Eingriff in die Tarifautonomie in anderen Ländern wäre ebenso zu unterlassen (USA im Handelsstreit gegen Mexiko 2020), Sanktionen gegen Dritte aus Gründen des nationalen Interesses ebenso (USA gegen Deutschland (2021). Ob mit einer regelbasierten Ordnung Investitionssubventionen unter der Bedingung nicht in Drittländern zu investieren, vereinbar sind, ist ebenso fraglich. (USA gegen China 2022, siehe gestriger Bericht). Mit den USA für eine regelbasierte Ordnung zu kämpfen, erscheint genauso logisch wie ein Bündnis mit China gegen Wirtschaftsspionage. In beiden Fällen machen wir den Bock zum Gärtner.
Die USA vertreten ihre Interessen vehement und egoistisch - genauso wie die chinesische Seite.
In diesem Sinne wäre die regelbasierte Ordnung gegenüber beiden Streithähnen zu verteidigen, gegen China ebenso wie gegenüber den USA. Das übermäßige Stellen auf eine Seite wird weder der Sache, unserem Interesse, noch dem Frieden und der Sicherheit gerecht und untergräbt die internationale Glaubwürdigkeit unseres Landes.
3. Die dritte Säule sei die Stärkung der Widerstandskraft der Demokratien.
Dem Ziel stimmen wir ohne Einschränkung zu, gespannt sind wir auf das "Wie".
Arbeitsmarkt in den USA rückläufig, aber weiter robust
Die Zahl der offenen Stellen in den USA ging im Juni um 605.000 auf 10,7 Millionen zurück. In Folge belief sich der Rückgang von März bis Juni auf insgesamt 1,2 Millionen. Der Anteil an offenen Stellen sinkt zwar mit der höchsten Geschwindigkeit seit Pandemiebeginn, trotzdem ist weiterhin von einem deutlichen Arbeitsnachfrageüberschuss auszugehen. Es besteht für die Federal Reserve genug Spielraum für weitere Zinserhöhungen, ohne das Nebenziel eines "Soft-Landings" zu verletzten.
Die Äußerungen des Präsidenten der San Franciso Fed Daly, der die US-Notenbank "nowhere near almost done" sieht, sind vor diesen Hintergrund ernst zu nehmen. Sie passen zu der Warnung Powells, dass die Federal Reserve sogar bereit sei, im Zweifel eine Rezession in Kauf zu nehmen, um die Inflation wieder in den Griff zu bekommen.
Die Kapitalmärkte scheinen aktuell entweder davon auszugehen, dass die Inflation zum Ende des Jahres deutlich zurückgeht oder aber die Äußerungen aus der Federal Reserve nicht ernst zu nehmen. Sollte im Herbst abzusehen sein, dass die Inflation sich hartnäckiger hält als erwartet, könnte es zu bösen Überraschungen an den Märkten kommen.
Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem EUR favorisiert. Ein Überschreiten des Widerstandsniveaus bei 1.0450 - 1.0480 neutralisiert den positiven Bias des USD.
Viel Erfolg!
© Christian Buntrock
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