Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Das System Fiatgeld: Schrecken ohne Ende statt Ende mit Schrecken

05.08.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 4 -
10.

Das bisher Gesagte gilt für eine Volkswirtschaft, in der die Güter- und Kapitalmärkte noch relativ frei von staatlicher Einflussnahme sind. Diese Bedingungen finden wir jedoch in der heutigen Zeit so nicht mehr vor. Zum einen sind die Märkte heute weitestgehend "gehemmt", nicht mehr frei, weil der Staat viele Weisungen, Regulierungen, Ge- und Verbote, Verordnungen und Gesetze erlässt, weil er Steuern erhebt, Zinsen, Kredit und Geld manipuliert.

Zum anderen kehrt die westliche Welt seit geraumer Zeit dem System der freien Märkte, dem Kapitalismus, den Rücken zu und bewegt sich immer stärker in Richtung Kollektivismus, Neo-Sozialismus oder Neo-Feudalismus. Stichworte sind an dieser Stelle "Great Reset" und "Große Transformation". Bei ihnen handelt es sich um Konzepte, die ihre intellektuelle Grundlage in kollektivistischen-sozialistischen, neo-marxistischen Ideologien haben.

Konkret gesprochen: Die Menschen sollen ihre Geschicke auf dem Planeten nicht im System der freien Märkte gestalten, sondern sie sollen gezwungen und gesteuert werden nach den Vorgaben, die von zentraler Stelle (wie etwa dem "Gipfeltreffen der Regierungschefs" oder den "Vereinten Nationen") bestimmt und durchgesetzt werden. Um diese Agenda in die Tat umzusetzen, ist Fiat-Geld unverzichtbar: Das Fiat-Geldsystem erlaubt es nämlich, zumindest anfänglich, die wahren Kosten eines "weltwirtschaftlichen Umbaus" vor den Augen der Öffentlichkeit weitestgehend zu verbergen und so den Widerstand der Geschädigten lahmzulegen.

Das macht es für die "Transformatoren" erforderlich, die wenigen, die verbliebenen Elemente des freien Marktes immer weiter einzuschränken, die Volkswirtschaft in eine sogenannte Befehls- und Lenkungswirtschaft zu überführen. In einer Befehls- und Lenkungswirtschaft bleibt das Eigentum formal erhalten.

Der Staat bestimmt jedoch in entscheidendem Maße, was der Eigentümer mit seinem Eigentum tun darf und was nicht. Er gibt vor, und die Unternehmen und Konsumenten folgen. Und diese Befehle werden letztlich mit Gewalt durchgesetzt. Die verbleibenden Elemente einer freiwilligen, auf unerzwungenem Austausch beruhenden Gesellschaftsordnung werden zu Gunsten einer erzwungenen Gewaltordnung immer weiter zurückgedrängt.

Und genau das ist auch das Modell, das sich in der westlichen Welt seit Jahr und Tag ausbreitet - das Modell der Befehls- und Lenkungswirtschaft, das übrigens nach der Blütezeit des Liberalismus im Deutschen Reich Ende des 19. Jahrhunderts mit der Bismarck’schen Arbeiterzwangsversicherung seinen Anfang nahm, das ab 1916 unter dem Namen "Hindenburg-Plan" etabliert wurde und ein weiteres Mal im nationalsozialistischen Dritten Reich in den 1930er Jahren. Übrigens ist es gar nicht so weit von Chinas Modell entfernt; vermutlich ist es daher nicht allzu weit hergeholt, hier von einer Chinarisierung des Westens zu sprechen.


11.

Wenn aber das Fiat-Geld Inflation bringt, wie wird man ihr Herr? Wie verhindert man den Protest der Menschen dagegen? Die Antwort der Politiker wird vermutlich sein: Preiskontrollen. Und da sich bei Preiskontrollen das Problem vom Preis auf die Menge verschiebt, ist die logische Folge eine Rationierungs- und Zuteilungswirtschaft.

Verteuert sich die Versorgungslage für die breite Bevölkerung aufgrund der Fiat-Geldinflation immer mehr, erlässt der Staat Höchstpreise für zum Beispiel Energie, Nahrungsmittel, Mieten und Transport. Preiskontrollen können zwar in den offiziellen Statistiken dafür sorgen, dass die Inflation niedriger ausgewiesen wird, als sie tatsächlich ist. Jedoch sind die Folgen solcher Maßnahmen desaströs.

Um ein Beispiel zu geben: Der Milchpreis im Markt liegt bei 2 Euro pro Liter. Das ist den Politikern zu hoch, und sie erlassen einen Höchstpreis für Milch von, sagen wir, 1 Euro pro Liter. Das führt dazu, dass das Angebot von Milch schrumpft - weil es nunmehr weniger Milchproduzenten gibt, die Milch für 1 Euro pro Liter anbieten können. Gleichzeitig gibt es mehr, die Milch zu 1 Euro pro Liter nachfragen als zu 2 Euro pro Liter. Es entsteht ein Nachfrageüberhang nach Milch.

Wie aber verteilt man das verknappte Milchangebot? Ein Schwarzmarkt entsteht oder es kommt zu Korruption und Vetternwirtschaft. Das wiederum ruft den Staat auf den Plan: Er bestraft die, die sich nicht an den Höchstpreis halten. Dazu braucht der Staat Spitzel, Polizei, Gefängnisse, öffentliche Schauprozesse, zuweilen auch sehr harte Strafen.

Die Deutschen haben leidvolle Erfahrungen mit der Befehls- und Lenkungswirtschaft gemacht. Es war das Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell der deutschen Nationalsozialisten. Mit der Politik der Preiskontrollen hielten die Nationalsozialisten die offizielle Inflation niedrig (beziehungsweise niedriger, als sie tatsächlich war). Nach dem Ende des Krieges entlud sich der gewaltige Geldmengenüberhang auf dem Schwarzmarkt in stark steigenden Güterpreisen. Die Reichsmark wurde von den Alliierten einem "Geldschnitt" unterzogen, der Restbetrag wurde 1948 in den D-Markt umgetauscht. Der Geldhalter erlitt fast einen Totalverlust.


12.

Sie werden vielleicht interessiert sein, wie ich die nächsten Jahre einschätze? Ich befürchte, die wirtschaftliche Lage in der westlichen Welt, vor allem in Europa, wird sich dramatisch verschlechtern. Die vorgeblich “grüne Politik“, der Energiepreisschock, gepaart mit der antikapitalistischen Verblendung in Politik und Gesellschaft werden wohl die vielleicht schwerste Rezession der Nachkriegszeit heraufbeschwören. Es geht vermutlich erst noch viel weiter abwärts, bevor man Hoffnung schöpfen kann, dass es wieder besser werden wird.

Die Zentralbanken werden die Zinsen nicht entschieden genug erhöhen, die Inflation bleibt sehr hoch in den kommenden Jahren. Die Finanzierung der Löcher im öffentlichen Haushalt mit der elektronischen Notenpresse geht weiter. Der Euro wird drastisch entwertet (ich wäre nicht überrascht, wenn seine Kaufkraft um bis zu 40% in den kommenden fünf Jahren nachgibt) - und damit auch die in Euro ausgewiesenen Ersparnisse wie Bankguthaben, Geldmarktfonds und Anleihen.

Das Endspiel des Fiat-Geldes und des Systems, das es erzeugt hat, hat begonnen. Wie lange es noch dauert, weiß man nicht. Der Euroraum wird jedoch, so fürchte ich, der ganz große Verlierer in der "Neuordnung der Welt".


13.

Mises und Hayek hatten die Problematik des Systems Fiat-Geld hellsichtig erkannt. Und weil sie sahen, dass das Fiat-Geld nicht dauerhaft mit einer freien Wirtschaft und Gesellschaft vereinbar ist, sprachen sie sich für eine Abkehr von ihm aus. Das ist mittlerweile dringlicher denn je.

Viele Zentralbanken arbeiten bereits daran, digitales Zentralbankgeld auszugeben, das absehbar das Bargeld aus dem Verkehr drängen und die finanzielle Privatsphäre der Menschen vollends zu beseitigen droht. Digitales Zentralbankgeld hat zudem das Potential, die letzten verbliebenen marktwirtschaftlichen Elemente aus dem Kredit- und Geldproduktionsprozess zu verdrängen, ihn ganz und gar zu verstaatlichen. Die staatliche Lenkung des Kapitals würde damit perfektioniert.


Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"