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Das Fiatgeldsystem gerät ins Rutschen

14.10.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 4 -
Wenn nun aber auch noch die "grüne Politik" die Wirtschaftsleistung schmälert, das Wachstum schwächt, dann ist zu befürchten, dass der Anreiz für Regierende und Regierte zunimmt, noch stärker als bisher auf die Politik der Inflation zu setzen, dass die "Inflationsneigung" beziehungsweise die "Inflationsbereitschaft" der Menschen noch weiter zunimmt.

Denn die "Krisenfallhöhe" steigt nun unerbittlich weiter an: Das Ausmaß der Anpassungskrise und die damit verbundenen Kosten, die eine Kontraktion des Fiat-Geldsystems nach sich ziehen würde, sind in den letzten Jahren gewaltig in die Höhe geschnellt. Es ist daher davon auszugehen, dass Regierende und Regierte mehr denn je alles daransetzen werden, diesen Kosten zu entkommen - und zwar mit einer immer ungehemmteren Politik der Geldmengen-vermehrung.

Das wäre währungsgeschichtlich gesehen zumindest ein recht wahrscheinliches Szenario. In der Not der Stunde, in Zeiten der "Ausnahme- und Notsituation", wird das Ausweiten der Geldmenge zur Bezahlung der offenen Rechnungen als die Politik des vergleichsweise kleinsten Übels angesehen.

Auch aus rein ökonomischer Sicht ist das Szenario plausibel. Schließlich stellen sich bei einer Inflationspolitik die positiven Effekte unmittelbar ein (zum Beispiel werden Firmenpleiten und Arbeitslosigkeit abgewendet), während die Kosten dieser Politik (steigende Inflation mit ihren wirtschaftlichen und sozialpolitischen Missständen) erst zu einem späteren Zeitpunkt zutage treten. Hinzu kommt, dass es für die Öffentlichkeit nicht immer einfach ist, die Ursache der Inflation zu erkennen. Das wiederum erschwert es, die Inflationspolitik zu stoppen.

Politiker, Zentralbankräte und Vertreter aus dem Lager der "Hauptstrom-Ökonomen" präsentieren der Öffentlichkeit viele "Sündenböcke", die angeblich für die Inflation verantwortlich seien: Gierige Unternehmer, die die Güterpreise verteuern; Ölscheichs, die den Ölhahn zudrehen und so den Preis von Diesel und Benzin in die Höhe treiben; habgierige Gewerkschaften, die zu hohe Löhne durchsetzen; und Wechselkurse, die sich stark abgewertet haben, und dass dadurch Inflation "importiert" wird.

Nur eines bleibt ungenannt: die Ausweitung der Geldmenge, die in der Verantwortung der staatlichen Zentralbank liegt. Das wird geflissentlich verschwiegen. Und weil das Ausweiten der Geldmenge erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung auf die Güterpreisinflation wirkt, ist der Zusammenhang zwischen Geldmengenvermehrung und Güterpreisinflation für die breite Bevölkerung tatsächlich nicht immer leicht zu erkennen.


Ende

Droht ein großer Crash? Einiges spricht dafür. Die Volkswirtschaften sind hoch verschuldet, ihre Wachstumskräfte nehmen ab, vor allem auch aufgrund ihrer Abkehr von den Prinzipien der freien Marktwirtschaft (beziehungsweise dem Wenigen, was davon noch übrig ist).

Zusätzlich werden die produktiven Kräfte durch einen zeitlich überambitionierten Ausstieg aus der Verwendung fossiler Brennstoffe geschmälert. Die Energiepreisverteuerung, verstärkt durch die westlichen Sanktionen gegenüber Russland, entwerten das Produktionskapital in großem Stil. Und nun heben auch noch die Zentralbanken die Zinsen an, um die Hochinflation nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. Dadurch bremsen sie das Kredit- und Geldmengenwachstum ab. Zusammengenommen eine explosive Mischung, aus der ein großer, vielleicht sogar ein sehr großer Crash erwachsen kann.

Doch einen großen Crash zuzulassen, war zumindest bislang nicht das Ziel der Regierenden (beziehungsweise der Sonderinteressengruppen, die sie für ihre Zwecke einzuspannen wünschen). Selbst diejenigen, die für einen radikalen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft nach ihren Vorstellungen eintreten (nennen wir sie die "Great-Rest"-Befürworter), rufen in Krisenzeiten wie alle anderen auch lautstark nach staatlichen Hilfen (Kurzarbeitergeld, Energiekosten- und Nahrungsmittelsubventionen etc.), um die Wirtschaft zu stützen, das Schlimmste abzuwenden.

Den angestrebten Umsturz nach und nach zu erreichen und nicht im Zuge einer heftigen Disruption, scheinen sie also offensichtlich zu bevorzugen. Ansonsten hätte es die konjunkturstützenden Staatseingriffe (wie Zinssenkungen, Geldmengenvermehrung und schuldenfinanzierte Staatsausgaben in 2000/2001, 2008/2009 und 2020) nicht gegeben.

Doch mit der wachstumsfeindlichen, tatsächlich wachstumszerstörenden "grünen Politik" wird nun aber vielleicht doch der Bogen überspannt. Sie sägt sprichwörtlich den Ast ab, auf dem sie sitzt: gemeint ist das Fiatgeldsystem. Es verträgt schlichtweg keine fortgesetzte, keine dauerhafte Wachstumsverlangsamung, gar nicht erst zu sprechen eine Schrumpfung.

Der Kredit, auf dem das Fiatgeldsystem letztlich fußt, wandelt sich dann nämlich ganz rasch in Misskredit. Ausbleibendes, vielleicht sogar negatives Wirtschaftswachstum verursacht Kredit- und Zahlungsausfälle, steigende Risiken und damit erhöhte Zinsen, ein Ende des Kredit- und Geldmengenzuwachs in der Volkswirtschaft, das zu Rezession, Arbeitslosigkeit, Verarmung führt. Die illusionäre Traumwelt des Reichtums, für die das Fiatgeldsystem sorgt, würde ganz schnell zerplatzen.

Wenn also die Politik der "Rettung" weitergetrieben wird, wenn das Fiatgeldsystem mit aller Macht vor dem Kollaps bewahrt werden soll, wird der Staat absehbar immer größer, und die produktiven Kräfte in den Volkswirtschaften immer weniger und schwächer. Die gesellschaftlichen Verteilungskämpfe um den noch verfügbaren Kuchen werden erbitterter.

Die Ansprüche, die das Wahlvolk an den Staat stellt, werden bedient, und zwar indem der Staat sich bei seiner Zentralbank verschuldet und mit dem neu geschaffenen Geld die offenen Rechnungen bezahlt. Eine bedrückende Perspektive. Doch eine immer ungehemmtere Inflationspolitik, die im Extremfall in die Hyperinflation führt, ist die einzige Möglichkeit, das Fiatgeldsystem so lange wie möglich über Wasser zu halten.

Man ist ganz bestimmt nicht hysterisch, wenn sich der Gedanke aufdrängt, dass das weltweite Fiatgeldsystem zusehends ins Rutschen gerät, und dass es in diesen Zeiten Sinn macht, zumindest einen Teil des eigenen Vermögens in physischem Gold und Silber zu halten.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



Hinweis Redaktion: Herr Prof. Dr. Polleit ist Referent der diesjährigen Internationalen Edelmetall- und Rohstoffmesse, die am 4. & 5. November 2022 in München stattfindet.


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