Aufstieg des Goldes in Zeiten sinkender Weisheit
14.12.2022 | Matt Piepenburg
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Fake-Genialität als MusterDie jüngsten Verwerfungen im Top-Management unserer Technologieunternehmen und das bestens bekannte Muster 30-jähriger Millionäre/ Milliardäre (wie Adam Newman von WeWork, Facebooks Mark Zuckerberg oder Sam Bankman-Fried von FTX) legen immer deutlicher eine inverse Korrelation zwischen sogenannter "technologischer Genialität" und grundlegender menschlicher Weisheit nah.
Kurz, es wäre durchaus berechtigt zu fragen: Wurde die menschliche Weisheit nicht längst von unserem modernen technologischen Fortschritt und der Strahlkraft hoher Ämter/ Positionen überholt?
Überall Pianos, aber keine Musik
Wie Antoine de St. Exupery (schon 1944) warnte, sei die Welt in der Lage, 1.000 Pianos pro Stunde zu produzieren, nicht aber fähig, genügend Pianisten hervorzubringen, die angemessen auf ihnen spielen könnten.
Kurzum: Die Geschwindigkeit unseres sogenannten "Fortschritts" (von Computerchips, Social Media über Fauci-Wissenschaft und Digitalgeld bis hin zu deregulierten Einschusskonten) scheint tragischerweise die philosophische Maßstäbe unserer Weisheit überholt zu haben.
Abgesehen von einigen wunderbaren Ausnahmen zwischen Wall Street und Pal Aalto sind viele unserer Besten und Gescheitesten getrieben von zeitlosen und "allzu menschlichen" Impulsen wie der Gier, der Angst, zu kurz zu kommen (FOMO) sowie telegrafierter/ fotografierter Zurschaustellung moralischer Werte, anstatt von guter Arbeit, die anonym bleibt sowie ehrlichem Umgang und Handel.
Sam Bankman-Fried (SBF) war beispielsweise ein Meister darin, wie ein Robin Hood aufzutreten, obgleich er die Instinkte eines Räuberbarons besitzt.
Selbstbedienung hinter einer Fassade aus Moralität
Das Endresultat ist buchstäblich eine "Selfie-Kultur", die - aufgebrochen durch Identitätspolitik, Opfernarrative und spontane Ressentiments - zu einer Kultur geworden ist, in der das "Ich" Vorrang vor dem Wohl der Vielen (oder einem echten Interesse an ihnen) bekommen hat.
Dieser Trend trifft genauso auf unsere öffentlichen wie privaten Märkte zu.
Moralische, juristische und wirtschaftliche Gesetze sind immer… vielleicht sagen wir… "elastischer" geworden, weil die Sünden und ihre Konsequenzen (von Währungsentwertung über Monopolbildung bis kanzeröse Schuldenstände) ungeniert von einer Generation auf die nächste übertragen werden.
Solche Muster ignorierter Anständigkeit/ Gesetze sind üblich und führen auch dazu, dass ein Bernie Madoff komischerweise den NASDAQ-Aufsichtsrat leitete oder ein SBF ironischerweise dem eigens bezahlten US-Kongress Lektionen in Kryptosicherheit erteilen konnte.
Genauso befremdlich ist eine "Celebrity"-verrückte Bevölkerung, die ihren eigenen wissenschaftlichen Auftrag vertrauensvoll Spike Lee überlässt oder ihre Krypto-Tipps lieber von Matt Damon bezieht. Sobald jemand finanziell "erfolgreich" ist, wird angenommen, diese Person sei auch weise; und das ist eine gefährliche Annahme…
Unterdessen wurde das Ideal eines echten Kapitalismus mittels Schlagzeilen-Suggestion und Finanzlobbyismus durch eine Art Neofeudalismus ersetzt, in dem Figuren wie Jeff Bezos (mit leichterem Kapitalzugang infolge jahrelanger Verstöße gegen Kartellrechtsprinzipen und Verzerrung von Chef-Mitarbeiter-Verdienstquoten) Teil einer neuen Aristokratie geworden sind, aber keine Musterbeispiele für Meritokratie oder Kapitalismus mit fairer Preisgestaltung.
Zurück zu den Märkten: Was hat FTX zu bedeuten?
Im Kontext des oben schon vorgebrachten Zynismus/ Realismus, der seine Quelle in unseren modernen Märkten hat, lässt sich noch deutlich mehr zusammentragen, was die Richtung und die Risikolage unserer heutigen Märkte angeht.
So ist es zum Beispiel kein Wunder, dass man das FTX-Fiasko inzwischen schon zu einem eher positiven Narrativ für das Bitcoin-Lager umgedeutet hat.
Meine Ansichten zu Kryptformaten im Allgemeinen und BTC im Besonderen habe ich schon ausführlich an anderer Stelle beschrieben und besprochen.
In dieser Hinsicht, und zum verständlichen Schmerz des Krypto-Lagers, betrachtet ich BTC eher als spekulativen Wachstums-/Technologiewert und nicht als lebensfähige Alternativwährung oder langfristigen Wertspeicher.
Die jüngste FTX-Pleite hat dahingehend mein Bild in keinster Weise verändert.
Noch einmal (und damit könnte ich ganz klar auch falsch liegen): Ich betrachte BTC nicht als Geld! Und diese Ansicht wird scheinbar auch von einer großen Anzahl von Schwellenländern und Zentralbanken geteilt, die sich gerade mit Rekordmengen physischen Goldes eindecken anstatt mit unsichtbaren Kryptos.
Ich mein’ ja nur…
Und um ein lahmes aber zutreffendes Zitat von J.P. Morgan wieder aufzuwärmen: Ich (wir) halten weiterhin an der "barbarischen" Vorstellung fest, dass Gold Geld ist, der Rest aber Kredit/Schulden.
BTC als Marktindikator
Doch ungeachtet der eigenen Ansichten, Vorurteile oder Einstellungen gegenüber Kryptoformaten: Für die modernen Märkte ist der Bitcoin-Kurs immer noch von immenser Bedeutung, auch für die Goldmärkte.
So ist Bitcoin beispielsweise für den US-Aktienmarkt ein einzigartiger Liquiditätsfrühindikator - jenseits der Derivatemärkte oder Anleihemärkte, die von der US-Notenbank manipuliert werden.
Mit anderen Worten: Aktien-, Anleihe- und selbst Immobilienmärkte verhalten und bewegen sich tendenziell so, wie sich Bitcoin kurz zuvor verhielt.