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Kindergeschichten: Das Märchen von der US-Wirtschaft

30.06.2023  |  Matt Piepenburg
"Humpty Dumpty saß auf dem Eck, dann fiel das Ei und zersprang im Deck, und auch der König mit seinem Heer rettete Humpty Dumpty nicht mehr." Ich sehe ein ganz ähnliches Ende auf das US-Schuldenei zukommen, dessen Risse sich inzwischen… ja, überall zeigen.


Sprünge im Schuldenei

Im September 2019 tauchten die ersten augenscheinlichen (aber medial ignorierten) Hinweise darauf auf, dass dieses Ei springt. Unter den Too-Big-To-Fail-Banken hatte sich Misstrauen bezüglich der gegenseitigen Schuldensicherheiten breitgemacht und der Repo-Markt schoss über Nacht in die Höhe; daraufhin schaltete sich die US-Notenbank ein und sprang ihren kleinen, verhätschelten Bankenneffen als letzte Refinanzierungsinstanz bei. Dafür wurde Mausklick-Liquidität im Umfang von Hunderten und Aberhunderten von Milliarden benötigt.

Doch was bedeuten Milliarden oder Billionen überhaupt noch angesichts von Mausklickgeldschöpfung und einer öffentlichen US-Verschuldung von 31 Bill. $ + (Tendenz stets steigend)?

Zahlen, und somit Schulden, sind zum Abstraktum geworden, was ich an anderer Stelle auch als die "Banalisierung von Schulden" beschrieben hatte.

Nach der Repo-Krise – Uncle Sams Defizite waren inzwischen mit märchenhafter Geschwindigkeit gewachsen und eine Zinserhöhungspolitik hatte zur Kastration der Staatsanleihepreise und somit der Bilanzen/ Lebenszeit von Regionalbanken geführt – erreichten die Humpty-Dumpty-USA erneut den Punkt, wo kulminierende Schuldenobergrenzen eine Realitätsprüfung erforderten.


Das springende Ei in die Verlängerung gekickt

Wie vorhergesagt, wurde diese "Krise" dadurch "gelöst", dass die eigenen Schuldenverantwortlichkeiten (und Realitätsprüfungen) vorhersagbar auf die Zeit nach der Wahl verschoben wurden. Eine politisch sehr praktische Sache.

In der Tat ist politische Praktikabilität auf Kosten von ökonomischem Commonsense oder fiskalischer Verantwortlichkeit genau das Markenzeichen unserer mathematikblinden jedoch machtblasierten "Volksvertreter" in Washington D.C. Doch beim genaueren Hinsehen stellt man auch Folgendes fest: In den USA wurde nicht nur die Schuldenobergrenze von 31,4 Bill. $ überstimmt, sie wurde insgesamt aufgehoben/ ausgesetzt. Das lässt den Kindern in Washington praktisch freie Hand, bis 2025 grenzenlos Geld zu leihen und auszugeben.

Kurzum: Das Humpty-Dumpty-Schuldenei wird fetter und fetter und kippelt auf der Mauer.


Wenn ein dollardurstiger Humpty Dumpty ins Kippeln gerät

Nachdem eine überaus reale/ toxische Schuldenkrise vorerst künstlich „gelöst“ (aufgeschoben) wurde, werden die politischen Entscheidungsträger jetzt darüber entscheiden müssen, woher die dringend benötigte Liquidität zur Rettung von Humpty Dumpty kommen soll, denn allein Schulden (finanziert durch synthetische Liquidität) hindern Humpty Dumpty noch am Sturz.


Auffüllung leerer Staatskassen – Komplexes Vorhaben ohne Gewinner

Hier stellt sich also die Frage, inwieweit das US-Finanzministerium willens ist, das eigene, sehr durstige Betriebskonto (Treasury General Account, TGA) "flüssig zu machen" (aufzufüllen). Dieses Konto diente als unsichtbare Finanzquelle, um die Folgen der sogenannten "Bilanzstraffungspolitik" der US-Notenbank Mitte 2022 auszugleichen.

Wann immer Powell mit "Liquiditätskürzungen" Schlagzeilen macht, fließt eben diese Liquidität in aller Stille vom Betriebskonto des Finanzministeriums ab – verborgen von einem Schleier aus TGA-Komplexitäten. Doch jetzt muss auch dieses Konto mit USD betankt werden, damit diese alberne Stuhlpolka weiterlaufen kann.

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Vereinfacht formuliert: Wir hören ein mordsmäßiges "Schlürfgeräusch" vom TGA, das Riesendurst nach USD hat.


Woher wird das "Geld" kommen?

Sollte das US-Finanzministerium dem TGA eine generöse Finanzspritze aus Bankenreserven verpassen, dann käme es an anderen Stellen des maroden US-Systems zu Liquiditätsknappheiten, wo ähnliche USD-Injektionen ebenso dringend benötigt werden.

Kurzum: Diese Liquiditätsoption ist gefährlich und unwahrscheinlich.

Alternativ könnte die US-Notenbank das TGA mit der Reverse-Repo-Wasserkanone aufspritzen und auf diesem Weg die notwendige Liquidität (USD) zum Aufkauf von US-Staatsschulden bereitstellen, um das TGA-basierte "Kaufen-auf-Pump"-System weiterlaufen zu lassen, anstatt eine Lösung zu finden. In der Vergangenheit waren es die Banken, die US-Schuldtitel ankauften, doch wir alle wissen, wie gut sich das im Jahr 2023 gerechnet hat…

Also: Inmitten dieser von Washington vorsätzlich betriebenen Verwirrung stellt sich erneut die simple Frage: Wie werden die US-Schuldtitel gekauft, die Humpty Dumpty zum Überleben braucht? Mit Bankenreserven des US-Finanzministeriums? Mithilfe des Reverse-Repo-Programms der Federal Reserve? Durch UST-müde Banken? Durch Geldmarkfonds?


Ja, der Anleihemarkt ist nach wie vor DAS Ding

Um in diesem Wirrwarr den Durchblick zu behalten, muss man stets den Anleihemarkt im Auge behalten, auch wenn es noch so "langweilig" ist. Sollte die Fed die Zinssätze weiter erhöhen und ihre Bilanzen weiter schrumpfen, werden jene T-Bills, die Humpty Dumpty noch auf der Mauer halten, im Preis fallen und somit höhere Renditen aufrufen. Doch werden sie dann nicht viel zu teuer, um von Uncle Sam noch finanziert zu werden?

Das ist ein Problem.


Yellen mit dem Rücken zur Wand. Öffnet sie die Augen vor der Realität?

Vielleicht weitaus wichtiger, aber auch weitaus weniger diskutiert und verstanden, ist Folgendes: US-Finanzministerin Yellen füllt das staatliche Betriebskonto (TGA) vorzugsweise dadurch auf, dass sie verstärkt staatliche Schuldscheine aus dem kurzen Laufzeitspektrum emittiert (also T-Bills) anstatt längerlaufende US-Treasury-Anleihen. Doch wäre es nicht billiger für Uncle Sam, längerlaufende Staatsanleihen bei niedrigeren Renditen (Zinskosten) zu emittieren, um die Schuldenorgie des Landes in verzweifelter Hoffnung weiterlaufen zu lassen?


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