Standortdiskussion Deutschland – Immobilienmarkt China – Amazon: Kartellklage
11.08.2023 | Christian Buntrock
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Da der Sektor aber zugleich ein wichtiger Wachstumstreiber war, steht die Regierung vor einer doppelten Herausforderung. Die Strukturen des Bausektors müssten gesund geschrumpft werden, das volkswirtschaftliche 5% Wachstumsziel soll aber trotzdem erreicht werden. Die Regierung ist sich über das Problem im Klaren und versucht seit Jahren entsprechend gegenzusteuern. Die bisherigen Versuche, Luft aus der überhitzten Bauwirtschaft zu lassen, sind aus Angst vor Dominoeffekten wenig erfolgreich gewesen. Auch in der aktuellen Lage sieht es wieder danach aus, dass die Regierung den Sektor stabilisieren wird, da das Kollabieren von Unternehmen wiederum den Bankensektor gefährden würde. Nicht ohne Grund hat die Ratingagentur Moody‘s gestern das Corporate Family Rating des chinesischen Bauunternehmens Country Garden von B1 auf Caa1 herabgestuft. Begründet wurde dies mit gestiegenen Liquiditäts- und Refinanzierungsrisiken, also mit einer erhöhten nsolvenzwahrscheinlichkeit. Anleihegläubiger erklärten bereits, dass sie noch keine überfälligen Zinszahlungen erhalten hätten, das Unternehmen scheint in Verzug zu geraten.
Dazu hält die chinesische Wertpapieraufsichtsbehörde heute eine Sitzung zum Immobilienmarkt unter Einbeziehung der Unternehmen aus der Branche ab. Ein Zeichen dafür, dass die Immobilienkrise in China vor einer Verschärfung stehen könnte.
Kommentar: Sollte es zu einem großen Staatseingriff mit Zinssenkungen kommen, wird die Börse positiv reagieren. Es ist aber auch möglich, dass die Regierung zunächst den Druck auf dem Sektor belassen will und eine Teilbereinigung anstrebt. Dies würde langfristig von der Volkswirtschaft goutiert werden, aber hätte kurzfristig negative Folgen für den Aktienmarkt. Die Wahrscheinlichkeiten für die Szenarien sind subjektiv und müssen von den Anlegern selbst geschätzt werden, wenn sie sich engagieren wollen.
Wie meine Einstellung dazu ist? An dieser Stelle zitiert ich einen alten Kollegen: "an die Seitenlinie stellen, eine Tüte Popcorn aufmachen und zuschauen." Flapsig ausgedrückt, inhaltlich perfekt.Die Märkte anderer Regionen, wie die der ASEAN-Staaten, bieten aktuell ein deutlich besseres Chance- Risikoverhältnis und hängen nicht binominal an Regierungsentscheidungen.
Amazon: Auf dem Weg zur Kartellklage
Amazons Management wird sich in der nächsten Woche mit Vertretern der Federal Trade Commission (FTC), darunter mit ihrer Vorsitzenden Lina Khan, zwecks Vermeidung einer Kartellklage treffen. Sollte kein Vergleich zwischen den beiden Seiten ausgehandelt werden, wird eine Klage seitens der FTC erfolgen. Bereits seit 2019 ermittelt die FTC gegen Amazon wegen seines Online-Marktplatzes für Drittverkäufer, im Laufe der Zeit kamen weitere Ermittlungsbereiche hinzu, wie der Abonnementdienst, das Cloud Computing und Amazon Prime.
Kommentar: Sie dürfen sich für die nächsten Wochen und Monate auf einen Wirtschaftskrimi freuen. Die Vorsitzende der FTC, Lina Khan, kam zu ihrer Position aufgrund einer viel zitierten und auch umstrittenen Veröffentlichung zur Anwendung des US-Kartellrechts, die im demokratischen Lager großen Anklang fand.
Mit ihr an der Spitze ging die Kartellbehörde gegenüber Fusionsanfragen so restriktiv vor, dass man nicht eine inhaltliche, sondern eine ideologische Handlungsweise der FTC unterstellen darf. In der Folge musste die Behörde im Fall der Übernahme von Activision durch Microsoft eine empfindliche Niederlage und deutliche Schelte seitens des Gerichts hinnehmen und geht entsprechend angeschlagen in den Kampf gegen Amazon.
Ein Vergleich zwischen den Kontrahenten ist trotzdem aus meiner Sicht so sehr ausgeschlossen, wie die Lage gespannt ist. Amazon hat schon im Vorfeld die Teilnahme Khans wegen möglicher Befangenheit versucht zu verhindern. Politisch wird im Vorfeld des Wahlkampfes ein hartes Vorgehen erwartet. Andernfalls hätte Frau Khan nicht ihre Position erhalten. Und inhaltlich wird die FTC diesmal punkten können:
Dass Amazon über seinen Marktplace erfolgreiche Geschäftsmodelle seiner Kunden kopiert und diese aus dem Markt drängt, gilt vielen als gesichert und wäre entsprechend verwerflich. Gleiches gilt für die Vorwürfe, dass Marketplace-Kunden teils vor wichtigen Saisonterminen wie vor Weihnachten über Wochen Zertifizierungsprobleme haben sollen, die sich danach in Lust auflösen.
Ebenso sollen Händler auf der Plattform zu bevorzugt werden, die Amazons Logistikdienste in Anspruch nehmen. Alle genannten Probleme sind mir auch von persönlich bekannten Onlinehändlern, die an dieser Stelle nicht genannt werden wollen, bestätigt worden.
Wir dürfen gespannt sein, ob die FTC ihre Hausaufgaben in der Dokumentation und Analyse für diese Schlacht gemacht hat. Volkswirtschaftlich wäre es sehr zu begrüßen, wir wünschen viel Erfolg! Anleger sollten vor diesem Hintergrund in den nächsten Wochen über Drawdowns der Amazon Aktie nicht verwundert sein.
Spekulanten, die der FTC eine Chance einräumen, könnten gar auf dem derzeitigen Niveau über Shortpositionen nachdenken.
Derzeit ergibt sich für den EUR gegenüber dem USD eine positive Tendenz. Ein Unterschreiten der Unterstützung bei 1,0820 – 1,0850 negiert dieses Szenario.
Viel Erfolg und einen guten Start in den Tag
© Christian Buntrock
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