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Tiberius Rohstoff-Research: Marktkommentar Oktober 2008

12.11.2008  |  Redaktion
Performancerückblick: Auf der Suche nach dem rechten Maß

"Das ist die extremste Marktbewegung, die ich jemals erlebt habe." So oder so ähnlich kommentierten viele Professionals aus den unterschiedlichsten Anlagesegmenten den Crash der Vermögenswerte im Oktober. Dass dieser Eindruck nicht täuscht, belegen im Rohstoffbereich zwei Zeitreihen - die rollierenden Renditen und die Volatilität. Der am längsten, bis Januar 1970 zurückgerechnete Goldman Sachs Commodity Index (GSCI) fiel im Oktober 2008 um 28,25%. Das ist der mit Abstand schlechteste Monat seit Beginn der Rückrechnung. Der zweitschwächste Wert wurde im Januar 1975 mit -16,11% gemessen. Von den sieben schlechtesten Monaten fallen drei (Juli, September, Oktober) in das Jahr 2008. Allein in den letzten vier Monaten büßte der GSCI rund die Hälfte seines Wertes ein. Auf sechs Monate gerechnet ergab sich ein Verlust von knapp 40%, deutlich mehr als die etwa 30% Verlust der Jahre 1975, 1998 und 2001. Bei der Betrachtung des Zwölf-Monatszeitraums mäßigt sich das Bild etwas. Da die Rohstoffmärkte in der ersten Jahreshälfte noch sehr stark angestiegen sind, betrug das Minus auf diese Frist „nur“ 27,65% und liegt damit etwa auf einer Linie mit den rollierenden Jahresverlusten der Jahre 1981, 1998 und 2001.

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Die Extremität der Marktbedingungen in den letzten Monaten lässt sich auch an der Entwicklung der über 12 Monate rollierenden Volatilität festmachen. Im Oktober stieg dieser Wert auf knapp 40% an und liegt damit ähnlich hoch wie während der großen Korrektur der Rohstoffpreise in den Jahren 1974 und 1975. Reduziert man den Betrachtungszeitraum auf lediglich sechs Monate dann betrug die annualisierte Volatilität zuletzt knapp 50%. Dies liegt sogar noch deutlich über den bisherigen Spitzenwerten der siebziger Jahre und des Golfkrieges im Jahr 1990/91.


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Setzt sich die Baisse in den kommenden Monaten unvermindert fort? Mit welchen Renditen dürfen und müssen Rohstoffinvestoren rechnen? Zur Beantwortung dieser Frage bietet sich ein Vergleich der Rohstoffpreisentwicklung in den bisherigen Schwächephasen der US-Wirtschaft an. Die größte Volatilität und die stärksten Preiseinbrüche verzeichnete der GSCI wie oben erwähnt im Anschluss an die Rezession des Jahres 1974, die wir zeitlich von Q1 1974 bis Q3 1975 etwas enger fassen als das National Bureau of Economic Research (NBER), das in den USA offiziell für die Definition von Rezessionen zuständig ist und dieser Aufgabe mit großem zeitlichen Verzug nachkommt. Der erste Ölpreisschock bewirkte in dem von uns abgegrenzten Zeitraum einen Rückgang des Bruttosozialprodukts um 3,1% bei gleichzeitigem Anstieg der Inflationsrate um 1,6%, während die Aktienmärkte vom Hoch gerechnet fast 40% verloren. Die Performance der Rohstoffe in diesem Zeitraum war sehr heterogen.

Während Rohöl und Gold in der Rezession zunächst zulegen konnten, war die Performance der Agrarrohstoffe überwiegend negativ. Der eigentliche Preisrückgang des GSCI setzte jedoch erst in den Folgejahren, als die US-Wirtschaft die Schwächephase bereits überwunden hatte. So fiel Gold von seinem Hoch bei 200 US-Dollar von 1975 bis zum Sommer 1976 fast auf 100 US-Dollar je Unze. Anschließend ergab sich bis zum Ende der siebziger Jahre jedoch eine Preisexplosion auf fast 800 US-Dollar je Unze. Wir könnten uns eine Wiederholung der siebziger Jahre in diesem Jahrzehnt durchaus vorstellen, wobei die heutige Rezession ähnlich wie in den siebziger Jahren etwa die Mitte des Zyklus markiert.

Denkbar wäre jedoch auch eine ähnliche Entwicklung wie zu Beginn achtziger Jahre. Damals hat das NBER zwei US-Rezessionen festgestellt, die unmittelbar aufeinander folgten. Wir begreifen den Zeitraum vom ersten Quartal 1980 bis zum vierten Quartal 1982 als eine einzige wirtschaftliche Schwächephase, die nur kurz von einem konjunkturellen Strohfeuer unterbrochen wurde. Dies wäre heute möglich, wenn die bereits beschlossenen umfangreichen fiskal- und geldpolitischen Maßnahmen nach kurzer Zeit verpuffen würden. In den USA mag dies aufgrund der strukturellen Probleme bei der Finanzierung der privaten Haushalte und des dadurch ausgelösten Sparzwangs möglich sein. In der Tat glauben wir, dass ein wirtschaftlicher Aufschwung kurzlebig sein wird und in den nächsten Jahren in den USA Nullwachstum und kurze Wachstumsperioden ähnlich wie in Japan während der neunziger Jahre alternieren. Auf globaler Ebene spricht jedoch wenig für eine nachhaltige Wachstumsschwäche. Die Handels- und Finanzströme werden sich nach der Krise neu ordnen, wobei die USA als Wirtschafts- und Finanzzentrum an Bedeutung verlieren werden.

Zudem sind die bereits ergriffenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen so massiv, dass sich eher ein Vergleich mit dem Frühjahr 2003 anbietet. Damals brachen die Kapitalmärkte vor dem Hintergrund des Krieges im Irak nochmals dramatisch ein, die Zentralbanken, die bereits im Jahr 2002 einen extrem expansiven Kurs eingeschlagen hatten, fluteten daraufhin die Märkte mit Liquidität. Die Frage, ob und wie eine Zentralbank eine deflationäre Entwicklung aufhalten könne, wurde vom heutige US-Notenbankvorsitzenden Ben Bernanke offen thematisiert. Heute wird über unkonventionelle Maßnahmen der Geldpolitik nicht nur gesprochen, sondern sie werden aufgrund der Krise am Interbankenmarkt z.B. im Rahmen des direkten Aufkaufs von Commercial Paper durch die US-Notenbank auch umgesetzt.






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