Zins-Brand attackiert auch Margin Debt
Wir haben aus den neuen 52-Wochen-Tiefs an der NYSE eine REIT-Aktie (börsennotierter Immobilienfonds) herausgegriffen, stellvertretend für die Entwicklung in diesem Sektor. Der Name des Unternehmens lautet HCP. Investiert wird in Health-Care-Immobilien (Ärztehäuser, Krankenhäuser etc). HCP ist einer von aktuell siebzehn im S&P 500 gelisteten REITs.
Seit Mitte Mai stürzt diese Aktie aufgrund des steigenden Zinsniveaus ab. Das gestiegene Zinsniveau wirft Projekt-Kalkulationen von REITs über den Haufen. Da inzwischen viele Charts zinsabhängiger Fonds/Unternehmen so aussehen, stellt sich die Frage, ob auf Pump finanzierte, misslingende Vorhaben nicht das Abziehen von Kapital aus anderen Sektoren nach sich ziehen. Mit anderen Worten: Müssen Löcher gestopft werden, könnten diese mit Gewinnen aus Aktienanlagen bezahlt werden. Dies wiederum würde die Aktienmärkte dann belasten, wenn die Löcher groß genug sind. Wenn schon bei einem Zinsniveau von 2,3 bis 2,5% (Rendite 10 jähriger US-Anleihen) zinssensitive Anlagen massiv verkauft wurden, wie erst sähe es bei einem Niveau von 3,5% aus?
In der jüngsten Merrill Lynch Umfrage wünschten sich viele Fonds Manager, dass Staat und Unternehmen die CAPEX ("capital expenditures") erhöhen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Doch sind gerade Investitionsausgaben für langfristige Wirtschaftsgüter (z.B. in die Infrastruktur, Gebäude, Maschinen, Computer) stark vom Zinsmarkt abhängig. Wenn man sich fragt, warum IBM eine derart schwache Performance abliefert, dann sollte man wissen, dass der Preis für die Ausrüstung mit IBM-Computern incl. der Dienstleistungen häufig über einen Leasing-Vertrag abgegolten wird oder per Kredit finanziert wird.
Leasingverträge sind renditeabhängig. Ähnliches gilt für Firmenfahrzeuge. Die Leasing Quote bei Neuzulassungen in Deutschland liegt oberhalb von 30%. Steigen die Renditen, so hebelt dies die Leasinggebühren nach oben. Die Folge sind letztendlich nicht mehr, sondern weniger CAPEX-Investments. Dies führt zu Kollateralschäden im Hinblick auf die wirtschaftliche Dynamik.
Im März verwiesen wir in einer Kolumne auf die steigende Spekulationsneigung in den USA, ausgedrückt durch die sogenannte Margin Debt. Die NYSE führt eine Statistik über Kredite, die in US-Portfolios für den Kauf von Aktien zur Verfügung gestellt werden. Diese Kredite erreichten im April 2013 mit 384 Mrd. US-Dollar ein neues Allzeithoch.
Der rasante Teil des Anstiegs begann im Herbst 2012. Während die breite Masse außen vor blieb, gingen viele Fonds und Hedge Fonds in die Vollen, nachdem Mario Draghi seinen Erhaltungsschwur für den Euro abgab und parallel dazu Ben Bernanke QE3 ankündigte (siehe Pfeil obiger Chart).
Während Draghi seinen OMT-Schwur weithin hochhält, will Bernanke mit Blick auf sein Amtsende im Januar 2014 nicht als Helikopter-Ben in die Geschichte eingehen. Vielmehr möchte er als derjenige angesehen werden, der die US-Zentralbank auf den Pfad der Tugend zurückgebracht hat. Selbst wenn es nur ein erster Schritt wäre: Bernanke würde - sollte die Rückführung des Quantitative Easing in Kürze beginnen - behaupten können, dass er die Normalisierung eingeleitet hätte. Die Märkte reagieren zurückhaltend auf das angekündigte Entfernen des Bernanke-Puts. Seit Mai steigt die Margin Debt nicht mehr: Die Spekulation verliert an Reiz. Die Vorsicht schafft sich Raum.