Die Zukunft des Goldes
10.09.2004 | Walter Hirt
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Gold und LifestyleZum Geleit ins neue Jahr 2004 bot das "Dolder Grand Hotel" seinen Gästen an Silvester ein Gala-Diner mit 7 Gängen und Überraschungen zu 390,- CHF pro Person (exakt die Gebühr für ein Abonnement meines Informationsbriefs mit 12 Nummern im Ausland). Nach der Terrine von geräuchertem Stör, schottischem Rauchlachs und Osciètre-Kaviar mit Sauerrahmschaum wurde eine Essenz von der Petersilienwurzel mit einem vergoldeten Gänseleber-Klösschen serviert; seit geraumer Zeit wird in Zürcher In-Bars etwas Goldstaub in feine Drinks geschüttet. Der Zeitgeist einer gesättigten Konsumgesellschaft macht das Gold zu einer Ware, die für den menschlichen Verdauungstrakt gerade noch gut genug ist.
Diese goldene Unsitte ist nicht in Zürich erfunden worden. Schon in der Antike wurden kleine Goldsplitter gegen Melancholie und Herzleiden verabreicht, auch gegen nachlassende Manneskraft erwartete man vom geschluckten Gold kleine Wunder. Später propagierte kein Geringerer als Paracelsus das Gold als "mächtigstes Lebenselixier und Stärkungsmittel"; die Goldkur der Hildegard von Bingen, bei der das Edelmetall gekocht und pulverisiert wurde, galt als bewährte Prophylaxe gegen Rheuma und Grippe. Die Homöopathie setzt bis heute auf das teure Metall, insbesondere gegen Depressionen. Dem lombardischen Adel der Renaissance genügten die feinen teuren Safranfäden im Risotto alla Milanese nicht, hauchfeine Goldplättchen mussten den damaligen Küchenkreationen den Glanz der Zeit verleihen; diese Art der Verfeinerung hat sich in Italien bis heute erhalten: Gualtiero Marchesi, Italiens Drei-Sterne-Koch-Ikone, hantiert seit Jahrzehnten mit Gold für seine lukullischen Eskapaden, und sogar über den Cappuccino werden statt Schokostreusel feiner Puder aus echtem Gold gestreut. Und die Japaner sowie ihre Nachahmer servieren das vielgeliebte Sushi gerne mit Goldflocken statt mit Sesam.
Der mit einem Stern geadelte Richard Kerscher, zuletzt im Deggendorfer Restaurant "Passauer Wolf" für hochkarätige Kochkunst zuständig, verwendet neben marktfrischer Ware seit Jahren auch Gold, weil er es für einen unsterblichen Küchenklassiker und einfach appetitlich hält. Kerscher ist hingegen über dekadente Entgleisungen entsetzt, wenn etwa in der Düsseldorfer Altstadt eine vergoldete Currywurst mit einem Glas Champagner gereicht wird. "Nur wirklich kulinarische Hochgenüsse verdienen es, mit Gold als letztem Schliff noch weiter veredelt zu werden", meint Koch Kerscher. Heute muss man nicht nach Deggendorf pilgern, um dem sonderbaren Spass mit Gold zu frönen; jedermann kann zu Hause Goldenes zelebrieren. Aus dem fränkischen Schwabach, Deutschlands Goldschläger-Hauptstadt, können ambitionierte Köche und Köchinnen feinste Goldblätter und Goldflocken beziehen (www.gold-n-food.com), um die Virtuosität zu steigern. Obschon für die Goldauflage nur Gold mit 22 bis 24-karätiger Reinheit als essbar gelten und verwendet werden darf, wird das Material grausam profan als Lebensmittelfarbstoff E-175 klassifiziert. Glücklicherweise müssen Liebhaber der goldenen Speisen um den guten Geschmack nicht fürchten, weil Gold auf der Zunge sensorisch völlig neutral ist. Es bewahrheitet sich immer wieder: der Gourmet isst auch mit dem Auge. Und den Bakterien im Darm scheint's zu gefallen!
Leistung Schulden - Werte
Tabellierte Zahlen, die den ganzen Horror in der Weltwirtschaft dokumentieren, vor allem der deslate Zustand der Vereinigten Staaten als weltgrößte Volkswirtschaft und selbsternannter Hegemon.
Auf Wunsch eines Abonnenten, der diese Zusammenstellung vor Fertigstellung gesehen hat, folgen die ausgeschriebenen Zahlen nebenan zur leichteren Les- und Vergleichbarkeit.
US-Haushalt-Defizit 2003 | 596 Mrd. US$ | (Kalenderjahr) |
US-Haushalt-Budget für 2003 | 2.212 Bio. US$ | (Fiskaljahr) |
US-Handelsbilanzdefizit 2003 | 491 Mrd. US$ | (Fiskaljahr) |
US-Leistungsbilanzdefizit 2003 | 542 Mrd. US$ | (Fiskaljahr) |
Netto-Auslandschulden der USA 2003, ca. | 4.000 Bio. US$ | |
Gesamtschulden der USA am 31.12. 2003 | 35,860 Bio. US$ | (Flow of Funds Accounts US ) |
Gesamtschulden der USA am 17.03.2004 | 37,50 Bio. US$ | (nach Michael W. Hodges) |
... davon Hypothekenschulden und | 6,82 Bio. US$ | |
... Konsumschulden der US-Konsumenten | 2,58 Bio. US$ | |
«Financial Imbalance» der USA | 44,20 Bio. US$ | *) |
BIP 2002 der USA | 10,45 Bio. US$ | (Kalenderjahr) |
BIP 2003 der USA | 11,30 Bio. US$ | (hedonisch!!!) |
BIP 2002 für die G-5-Länder | 19,40 Bio. US$ | |
BIP 2002 global | 32,00 Bio. US$ | |
Welthandel Waren 2003 (Exportwerte) | 7,30 Bio. US$ | |
Welthandel Dienstleistungen 2003 | 1,76 Bio. US$ | |
Geldumlauf (Noten) in den G-5-Ländem | 1,60 Bio. US$ |
Zum Vergleich (alle Zahlen per Ende 2003):
Global Custody Market | 50 Bio. US$ | **) |
Total ausstehende Derivate, über | 210 Bio. US$ | (Nominal !) ***) |
Marktwert US-Bondmarkt, ca. | 15 Bio. US$ | |
Marktwert aller Anleihen weltweit, ca. | 45 Bio. US$ | (laut Merrill Lynch) |
US-Aktienmärkte (Wilshire 5000+) | 11 Bio. US$ | |
US-Geldmenge M3 ('Geld in Banken') | 9 Bio. US$ | |
gesamtes noch verfügbares Gold, ca. | 1,543 Bio. US$ | (Quelle: Richard Russell) |
alles jemals geförderte Gold, ca. | 1,929 Bio. US$ | (bei 400 US$/oz) |
Wert aller Goldminen-Aktien | 110 Mrd. US$ | |
Wert aller Silberminen-Aktien | 7 Mrd. US$ | (Quelle: Richard Russell) |
COMEX-Silber-Reserven (59 Mio. Unzen) | 315 Mio. US$ | |
zum Vergleich Marktwert von Microsoft | 290 Mrd. US$ | |
zum Vergleich Marktwert Ford Motor Corp. | 185 Mrd. US$ |
Das US-Handelsbilanzdefizit beträgt für das Jahr 2003 491 Milliarden Dollar. Pro Minute (7-Tage-Woche und rund um die Uhr) fließen also für 93.417 Dollar mehr Waren nach den Vereinigten Staaten als die Exporte zur gleichen Zeit betragen; in der Gegenrechnung müssen frisch gedruckte Dollar-Banknoten über den selben Betrag in die Welt geschossen werden, hauptsächlich in Richtung Asien. (Das vielfach vorgebrachte Argument, ein Teil dieses US-Imports von Waren und Dienstleistungen würden von ausgelagerten US-Firmen in Asien stammen, vor allem aus China und Indien, sticht nicht, weil diese in den makroökonomischen Abgrenzungen der Volkswirtschaften nur wenig relevant sind.)
(365 x 24 x 60 = 525.600 Minuten)
Finale: des Goldes Treibsatz
Einige Highlights aus der Studie:
Damit lässt sich eine Frage angehen, die WIRTSCHAFTaktuell immer wieder gestellt wird: Wie weit kann denn der Goldpreis bestenfalls steigen? Eine Frage, die sich ehrlicherweise nicht beantworten, sondern nur einkreisen lässt: Wegen dem aufwendigen Kapazitätsausbau und der Jahre dauernden Exploration neuer Minen kann das Angebot mit der steigender Nachfrage nicht mithalten. Und das über den Goldmärkten pendelnde Damokles-Schwert der Zentralbanken für drohende Goldverkäufe wird zusehends stumpfer, weil sie der krampfhaft angestrebten Reflationierungspolitik zuwiderlaufen würden.
Eine globale Reflation könnte für Gold noch weit positiver werden als in den siebziger Jahren, weil damals der Schweizerfranken und die Deutsche Mark weitgehend 'sichere Häfen' blieben. Die Obergrenze sieht die Studie dann erreicht, wenn der Welt ein "De-facto-Goldstandard" aufgezwungen sein wird. In diesem Fall würden die umlaufenden Geldmengen so bewertet, als wären sie durch Gold gedeckt. Derzeit würde dies für den Dollar einen Goldpreis von 2.716 $/Unze erfordern, beim Euro betrüge das Äquivalent 1.335 €/Unze, beim Pfund Sterling 3.878 Pfund/Unze und beim Schweizerfranken 717 Franken/Unze (inzwischen sind es wegen der idiotischen Goldverkäufe der SNB mehr, Tendenz weiter steigend). Diese Zahlen mögen als ökonometrische Spielereien wirken und rasch weggesteckt werden - brauchbare Prognosen sind sie ohnehin nicht. Und trotzdem ist Dresdner Kleinwort Wasserstein zu danken. Die Überlegungen haben mit Sicherheit perspektivischen Wert.
Der Wunsch einiger Zentralbanken für weitere Goldkäufe könnte die Situation verschärfen. Sollten sich die Zinsen in den USA zur Stützung des abschmierenden Dollar oder/und wegen rapide sinkender Bonitäten und entsprechender Risikoaufschläge dramatisch erhöhen, könnten Ausländer aus ihren massiven US-Beständen umfangreiche Liquidationen vornehmen, wodurch sich die amerikanische Geldmenge vervielfachen würde. Bei derart extremen Entwicklungen schließen Dresdner Kleinwort Wasserstein in ihrer Studie eine Verfünffachung der Geldmenge nicht aus, so dass sich das neue Gleichgewicht erst bei rund 15.000 Dollar/Unze einstellen würde. Der Dollar würde völlig einbrechen und in seiner heutigen Form schließlich verschwinden, und die Weltwirtschaft würde in unvorstellbarem Ausmaß leiden.
Auch wenn sich dieses Szenario infolge unvorhersehbarer Ereignisse und politischer Manipulationen nicht in dieser extremen Form abspielen dürfte, öffnen sich uns generelle Dimensionen, die für unsere Dispositionen als Unternehmer und Geldanleger entscheidend sind. Sonnenklar ist:
"Das Gold wird jede Papierwährung haushoch schlagen!
Einmal mehr in der langen Geschichte der Menschheit. Nur ist diesmal die Fallhöhe für eine Vielzahl von Menschen viel brutaler als jemals zuvor. Nach der jahrelangen Volksverdummung durch skrupellose Politiker, mitspielende Notenbanker, kurzsichtige Volkswirte und andere unbedarfte "Experten" sowie durch eine Lawine irreführender Medienberichte ist es wohltuend, von einer sorgfältigen Grossbank-Analyse zu vernehmen, in der Gold als Währung verstanden und als wichtige Alternative zu den vorhandenen Papierwährungen betrachtet wird. Die raffiniert eingefädelte und mit hinterhältigen Motiven inszenierte Demonetarisierung des Goldes ist fehlgeschlagen, das "barbarische Metall" des Lord John Maynard Keynes wiederum nur ein angefaulter Pflock an der Menschen Weg in die Zukunft.
Wichtig, fundamental und (mit gutem Grund) etwas 'visionär':
Auch wenn Ihnen diese Rechnerei höchst seltsam, "an den Haaren herbeigezogen" erscheinen mag, sollten Sie die Sache sehr ernst nehmen und als generellen Maßstab für anstehende WÄHRUNGSREFORMEN in Ihr künftiges Denken einbeziehen - unabhängig von Gold-Überlegungen. Wenn dereinst die gewaltige globale "Liquidität" als nicht real gestützte Flut aus Papiergeld an den "Klippen der Wahrheit" brechen wird, lässt die hoch aufspritzende Gischt kein Auge trocken! Wenn schon an höchsten Stellen in der Schweiz an Expertisen über solche Vorgänge mit möglichen erforderlichen Maßnahmen gearbeitet wird, ist es auch für uns höchste Zeit, darüber ernsthaft nachzudenken!
© Walter Hirt
Quelle: Teil eines Vortrages im Mai 2004 im Rahmen von "WIRTSCHAFT aktuell"
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Fussnoten:
1) Der im Alter von nur sieben Jahren auf den ägyptischen Thron gehobene Knabe 'regierte' vermutlich von 1332-1323 v. Chr. und starb früh unter bis heute ungeklärten Umständen. Der im Oktober 1922 vom englischen Archäologen Howard Carter entdeckten Grabkammer - die einzige nicht mindestens teilweise ausgeplünderte in ganz Ägypten - verdanken wir einmalige, sensationelle Funde von unschätzbarem Wert (die Ausstellung "Tutanchamun - Das goldene Jenseits" im Antikenmuseum Basel ist ein Muss für jedermann; geöffnet täglich vom 7. April bis 3. Oktober 2004 / Reservation: www.tutanchamun.ch).
2) "EigenStändig. Die Schweiz - ein Sonderfall", Herausgeber Walter Hirt, Robert Nef und Richard Ritter, mit 24 Beiträgen liberaler Autoren zu überfälligen Strukturreformen, 362 Seiten, Verlag Moderne Industrie, Zürich 2002, ISBN 3-478-30160-2; Restexemplare sind noch erhältlich bei Richard C. Ritter, Bahnhofstrasse 26, CH-8001 Zürich, Telefon +41 (0)1 222 15 15.
3) Beim Erscheinen kostete das wertvolle Buch 350 US$; heute können Sie es für 90 US$ bei: Jeffersen Financial beziehen, 2400 Jefferson Highway, Suite 600, Jefferson, Lousiana 70121, USA; (504) 837-3033, ISBN 0-9629019-3-8.
4) Über die Geschichte des Bretton-Woods-Abkommens und den Verlust des Goldstandards habe ich mehrmals geschrieben; auf www.walterhirt.ch bei "Die Macht ökonomischer Altlasten" klicken, dann Inhaltsverzeichnis.