Die Zukunft des Goldes
10.09.2004 | Walter Hirt
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Die Schweizerische Nationalbank und ihr GoldIn der Schweiz war das Gold-Fieber 2002 ausgebrochen. Nicht etwa, weil tief in den Alpen eine Goldmine entdeckt worden wäre und auch nicht wegen der Schweizerischen Nationalbank (SNB), die ihre verwerflichen Verkaufe "überschüssiger Goldreserven" der geplanten rund 1.300 Tonnen sofort eingestellt hätte. An der im Frühjahr eröffneten Expo 2002, genauer an einer mit vier Kilo reinstem Gold beschichteten Wand im Pavillon der Nationalbank mit dem verfänglichen, zweideutigen Thema "Geld und Wert - Das letzte Tabu" auf der Arteplage in Biel waren die Besucher wild und gierig auf das Gold; mit Fingernägeln, mitgebrachtem Werkzeug und Schirmen, auf Stühlen stehend oder auf den Schultern eines Helfers getragen, wurde gekratzt und geschabt was das Zeug hielt. Ob die helvetische Zentralbank ob so viel Enthusiasmus nicht doch bereut, mit ihren Goldreserven hinter Italien zurückgefallen zu sein, war nicht in Erfahrung zu bringen.
WIRTSCHAFTaktuell stellt fest: Goldverkäufe der SNB sind ein riesiger Skandal; die Tatsachen lassen keinen anderen Schluss zu. Der ausführliche Briefwechsel mit der SNB vom 28. Dezember 2000 bis 27. November 2001 ergab - wie eigentlich zu erwarten war - keine konkreten Antworten und vor allem kein Umdenken an entscheidenden Stellen. Deshalb habe ich am 10. Oktober 2002 (mit Kopie und Begleitbrief an die Generaldirektion der SNB) eine Petition an die Regierung und die Bundesversammlung eingereicht und den sofortigen Stopp der SNB-Gold-Verkäufe gefordert; Sie finden diese Dokumente, die auch zehn ausgesuchte Redaktionsleiter mit persönlichem Brief erhalten haben, über meine Homepage (www.walterhirt.ch/gold_snb.html). Darüber hinaus habe ich in meinem Beitrag für das Buch "EigenStändig - Die Schweiz ein Sonderfall" (2) diese brisante Thematik aufgegriffen und ziemlich 'heisse', aber doch wohl logische Thesen vertreten.
Die Reaktionen: In Bern ist die Petition von der "Kommission für Wirtschaft und Abgaben" des Nationalrats am 1. April 2003 'geprüft' worden, mit dem Antrag, "von der Petition ohne weitere Folge Kenntnis zu nehmen", was der Rat dann am 20. Juni 2003 auch auf diese Weise 'erledigt' hat. Am 18. März 2004 hat der Ständerat (kleine Kammer) in der neunten Sitzung der Frühjahrssession "von der Petition Kenntnis genommen, ohne ihr Folge zu geben". Immerhin sind mir die Parlament-Dokumente zusammen mit einem freundlich-knappen Begleitbrief des Kommissionssekretärs Dr. Stefan Brupbacher zugeschickt worden; sein entscheidender Satz: "Beide Räte beschlossen, von der Petition Kenntnis zu nehmen, ohne sie aber an den Bundesrat zu überweisen."
Noch viel schäbiger hat die SNB reagiert; zwei subalterne Vorzimmer-Herren in Bern namens V.Crettol und M. Paprotta schrieben am 29. Oktober 2002: "... Wir wollen uns für Ihr konstantes Interesse an der Goldpolitik der Nationalbank bedanken, auch wenn wir Ihre Meinung nicht teilen." Punkt! Und die führenden Zeitungen und Zeitschriften des Landes, die ja viel von sich selber halten? Alle haben die Petition gekonnt totgeschwiegen und die Thematik bestmöglich ausgeklammert. Kein Medienschaffender war bereit, sich allenfalls die Finger zu verbrennen - mutlos, feige, faul und angepasst!
Fazit: Der besorgte Bürger ist einsam, seine Initiativen - so berechtigt sie auch sein mögen - werden stur ignoriert, falls diese als nicht konform empfunden werden. Die 'Versager' werden sich dereinst für ihr mehr als betrübliche Verhalten zu verantworten haben!
Die Veröffentlichungen der Schweizerischen Nationalbank sind fast immer ein Anlass zum Nachdenken, manchmal zum Staunen und hie und da zum Ärgern. Der Quartalsbericht per Juni 2003 ist eine Quelle für sämtliche Regungen. Pikanterweise ist der neuste Bericht erstmals von einem Brief des Vizepräsidenten der SNB-Generaldirektion, Professor Dr. Niklaus Blattner, begleitet, der als klügster Kopf dieses Gremiums beurteilt wird. Darin macht der SNB-Vize auf eine Neuerung aufmerksam: "Die Nationalbank veröffentlicht neu jährlich einen Bericht zur Stabilität des schweizerischen Finanz-Systems. Die Publikation reiht sich ein in das in den letzten Jahren international immer häufiger gewordene "financial stability reporting" durch Zentralbanken - ein Zeichen für die steigende Bedeutung der Systemstabilität." Weshalb wohl und warum ausgerechnet jetzt?
Und weiter: "Mit dem Stabilitätsbericht informiert die Nationalbank die Öffentlichkeit über den Zustand des Finanz-Systems; sie gibt ihre Einschätzung der Systemstabilität wieder und stellt Indikatoren zur Verfügung, welche eine weiterführende Analyse ermöglichen. Der Bericht erlaubt die Identifikation von möglichen Spannungsfeldern und größeren Ungleichgewichten, welche eine Gefahr für die Systemstabilität beinhalten können." Abrufbar bei www.snb.ch unter der Rubrik Publikationen/Quartalsheft (Juni 2003).
Wenn die SNB im vollen Bewusstsein um die Gefährdung der Stabilität im Finanz-System häufig von "überschüssigen Goldreserven" spricht, die nicht mehr benötigt würden, hat die Logik ziemlich gelitten. Wenn darüber hinaus hoch dekorierte "Experten" versuchen, den Goldstandard für die kollabierende Wirtschaft verantwortlich zu machen, scheinen Ursachen und Auswirkungen durcheinander zu geraten und damit übergeordneten Interessen zu dienen. Deshalb ist die SNB auf falscher Spur, wenn sie davon spricht, ein Goldstandard wirke tendenziell deflationär, zumal sie an anderer Stelle schreibt: "Das Verhalten der Zentralbanken (Devisenumtausch in Gold, Sterilisierung von Goldzuflüssen), der Banken (höhere Rate für Reserven) und des Publikums (höhere Bargeldbestände) trugen gemeinsam dazu bei, dass sich die Geldversorgung der Weltwirtschaft schwächer entwickelte als der Goldbestand." Richtige Analysen mit falschen Folgerungen sind einer Zentralbank unwürdig und vermitteln weitherum falsche Sichtweisen!
Betrüblich ist, was die "Neue Zürcher Zeitung" zur "wirtschaftshistorischen Analyse" der SNB schreibt; Gerhard Schwarz, Leiter der Wirtschaftsredaktion, nimmt sich dieser Studie unter dem reduzierenden Titel "Deflation und Goldstandard" persönlich an. Er, der ja Vorsitzender der F.A. von Hayek-Gesellschaft e.V. ist und die zeitlosen Schriften von Rothbard, von Mises, Sennholz und anderen liberalen Köpfen kennen dürfte und schätzen müsste, beschränkt sich auf eine kurze Zusammenfassung der "Schlussbemerkungen", verzichtet auf eine kritische Würdigung und beendet seinen kurzen Artikel mit den Worten: "Der SNB-Autor Mathias Zurlinden schreibt, dass das Festhalten am Goldstandard vermutlich die Depression in der Schweiz vertieft und verlängert habe. Dieses Festhalten habe es verunmöglicht, die Deflationserwartungen zu brechen. Außerdem habe man in der Folge in der Schweiz zu verschiedenen marktfremden Maßnahmen gegriffen. So hat die Verteidigung des Goldstandards, der seinen Anhängern als Eckpfeiler einer liberalen Wirtschaftsordnung galt, letztlich zu vermehrten Staatseingriffen geführt."
Kein Wort zu den fragwürdigen Quellen des Autors: Ben S. Bernanke und Barry Eichengreen (mit 7 und 5 Erwähnungen), die dem Interventionismus huldigen, für eine Überschwemmung mit Liquidität von der Notenpresse optieren und zu den hörigen Wasserträgern der mächtig gierigen Hochfinanz gehören.
Es ist ganz einfach zu simpel und darüber hinaus falsch, den Goldstandard als eine der Kernursachen für die Grosse Depression heranziehen und missbrauchen zu wollen. Natürlich hat er die bestbekannten virtuosen Jonglagen der Politiker eingeschränkt, aber erst nachdem der Humus für die deflationäre Depression längst breit ausgelegt war: Die massive Geld- und Kreditausweitung während des "Jazz age" - in Europa besser als "Roaring Twenties" (stürmische 20er Jahre) bekannt - hat dazu geführt, dass schon in ersten Phasen der Korrektur mit Bankzusammenbrüchen das Vertrauen des Publikums wie Schnee an der Sonne weggeschmolzen ist, worauf die um sich greifende Zurückhaltung zu schwer wiegenden, sich fortsetzenden Kontraktionen geführt hat. Damals ist die Wucht der Verschuldung als wichtigste ökonomische Altlast genau so unterschätzt worden, wie dies bis zum jüngsten Tag geschieht!
Beim genauen Studium der SNB-Analyse von Mathias Zurlinden erhärtet sich der Verdacht, diese könnte eine Alibi-Übung für die Verkäufe des "überschüssigen" Goldes der SNB sein. Nur wenn sich im Volk die Ansicht durchsetzt, dieses "barbarische Metall" sei zur Verankerung der Wirtschaft nicht geeignet und von geringerem Wert als der zinstragende Verkaufserlös sowie dessen Verwendung zum Stopfen von fahrlässig verursachten volkswirtschaftlichen Löchern, hätten die Verantwortlichen eine Chance, sich eines Tages mit faulen Argumenten davonstehlen zu können, statt für ihr skandalöses Tun zur Verantwortung gezogen zu werden. Das ist wohl mit ein Grund, weshalb meine Petition an Regierung und Bundesversammlung in Bern (mit Kopie an die SNB) für einen Stopp der Goldverkäufe bestmöglich totgeschwiegen worden ist. Das heisse Eisen wird nicht angefasst, dem Volk geht ein wesentlicher Teil seines kostbaren Vermögens verloren, dafür bleibt es auf papierenen Währungen und Schuldscheinen sitzen, und die Menschen werden sich eines Tages die Augen reiben, wenn sie des epochalen Betrugs gewahr werden und die Zusammenhänge erkennen, qualifizieren und zuordnen können! Es ist jammerschade und ärgerlich, aber wohl bezeichnend, dass keine der großen politischen Parteien als 'Gold-Beschützer' aufgetreten ist; der Verteilkampf ist ihnen wichtiger!
"The Washington Agreement on Gold" wurde am 26. September 1999 feierlich von 15 Zentralbanken unterzeichnet, aufgrund dessen die jährlichen Notenbank-Goldverkäufe während fünf Jahren auf ungefähr 400 Tonnen limitiert wurden. Inzwischen hat sich der offizielle Begriff auf "Central Bank Gold Agreement" verändert (um den amerikanischen Touch zu dämpfen). Während dieser ersten fünf Jahre geben die Zentralbanken rund 2.000 Tonnen Gold an den Markt ab, die Schweiz allein etwa die Hälfte dieser Tonnage! Mit ominösen Machenschaften ist das "überschüssige" Gold auf 1.300 Tonnen quantifiziert worden; die SNB scheint wild entschlossen zu sein, die in Washington (!) vereinbarte Quote bis September ausschöpfen zu wollen und dadurch die Aktivseite ihrer Bilanz noch mehr zu schwächen. Man darf darüber rätseln, wie die SNB den erzielten Erlös verwalten lassen will - jedenfalls tauscht sie Gold fahrlässig gegen Schuldscheine von Notenbanken und Staaten, darunter vor allem Dollar-'Werte'. Das nächste Gold-Abkommen ist mit kleineren Modifikationen bereits beschlossene Sache: die Zahl der Notenbanken ist erweitert, die 'limitierte Menge' auf jährlich rund 500 Tonnen aufgestockt worden.