Die Zukunft des Goldes
10.09.2004 | Walter Hirt
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Bewusste Querschlägerei Wer aktuelle Medienberichte zum Thema Gold beurteilen und auf deren Bedeutung einordnen möchte, sollte sich die Mühe machen, die Archive bedeutender Zeitungen und Magazine zu durchforsten und vor allem die Beiträge zwischen 1974 und 1980 zu studieren. Diese waren damals genau so falsch, irreführend, hinterhältig und letztlich verlustbringend wie die neueren Kommentare seit 2000. Die fürchterlich dummen Zitate aus beiden Zeitperioden mit historischen Trendwenden im Goldmarkt wären buchfüllend, weshalb hier stellvertretend nur ein einziges verwendet und kommentiert wird:
Typisch für diese Art der "geführten Information" (siehe Kapitel "Die Medien im Schatten der Hochfinanz") ist der Artikel in der Sonntagsausgabe von "The New York Times" mit dem freundlich und positiv anmutenden Titel "New Glamour for an Old-Fashioned Asset" ("Neuer Glanz für einen altmodischen Wert") am 11. Oktober 2003. Darin wird auf die Kurssteigerungen bei Gold und Goldminen hingewiesen, aber unvermittelt und in der für die US-Ostküste typischen Manier gewarnt, die Kurse seien wohl schon zu weit fortgeschritten. Wie die meisten Artikel rund um die Welt gehört auch dieser zu den warnenden mit dem Leitmotiv "Sei-doch-bitte-vorsichtig!". Und dann folgen Argumente, die an unentschuldbarer Blödheit schwer zu übertreffen sind: "Few conventional investments are more cumbersome and costly. Gold pays no income and can be expensive to store and trading commissions are typically far higher than those for stocks and bonds."
("Nur wenige Investments sind ähnlich schwerfällig und auch kostenlastig. Gold erzeugt kein Einkommen, kann aber hohe Lagerkosten verursachen, und die Handelskommissionen sind weit höher als bei Aktien und Bonds.")
Die Wirkung solcher Artikel darf nicht unterschätzt werden, wobei für Richard Russell, den Grand Old Man der Wirtschaftsinformation, drei entscheidende Aspekte im Vordergrund stehen:
- Das zaudernde, unbedarfte, risikoscheue und unwissende Publikum wird von Gold-Anlagen fern gehalten.
- Je höher der Goldpreis 'ohne Publikum' steigt, desto massiver wird der finale Anstieg, weil zum Schluss ein Run der 'Zu-spät-Kommenden' für zusätzliche wilde Turbulenzen sorgt.
- Wie immer in der weiten Investment-Szene: "Das Publikum und die Medien fechten einen falschen Krieg".
Die Frage taucht immer öfter auf: "Falls die Goldpreise dereinst weit aus dem Ruder laufen würden, wäre doch wohl damit zu rechnen, dass Regierungen und Notenbanken, insbesondere in Washington - wie in der Vergangenheit - mit einschränkenden, restriktiven Bestimmungen einschreiten würden." Wer so gegen Gold argumentiert, appelliert an die Zaghaftigkeit und Ängstlichkeit der Menschen, zumal sich heute einige Parameter grundlegend von früheren unterscheiden: In Asien haben sich wichtige Goldmärkte entwickelt, in Ländern also, die mit massiven Druckmitteln gegen die Amerikaner vorgehen könnten, und vor allem haben wir einen organisierten 24-Stunden-Handel fast ohne Lücken an öffentlichen Märkten (Börsen).
Mit dem Jahr 2004 wird der Goldhandel lückenlos; "Gold Exchange Traded Funds" (ETFs) werden nach Australien nun auch in Großbritannien und in den USA angeboten. Dazu kommt der durchorganisierte Goldhandel in China und Indien. Der freie Handel mit physischem Gold erstreckt sich erstmals seit 41 Jahren über die ganze Welt: Jederzeit kann irgendwo auf einem freien Markt gehandelt werden, was mit den modernen Kommunikationsmitteln besonders einfach ist.
Es ist deshalb nur sehr schwer vorstellbar, dass der Besitz und Handel von Gold in den USA wiederum massiv eingeschränkt oder gar verboten werden kann, wenn Bürger in Australien, Japan, China, Indien, Europa und Südafrika frei handeln können; und der Druck von außen auf die Asiaten wird im wieder erwachten Selbstbewusstsein und Stolz der Asiaten seine Grenzen haben Da müsste zuerst eine "Weltregierung" her - und zwar als global brutal geführte Welt-Diktatur! Dass die amerikanische Hochfinanz in dieser Richtung arbeitet, ist für sensibilisierte Zeitgenossen ein offenes Geheimnis. Dass alle mitspielen würden oder sich gar unterdrücken liessen, ist zwar eine geostrategische Option, aber wohl nicht sehr wahrscheinlich.
"Focus: China's Gold-Rush"
Diese Schlagzeile der Tageszeitung "China Daily - HK Edition" vom 25. September 2003 ist der Auftakt zu einem ausführlichen Artikel, der ein paar Dimensionen absteckt, die für uns nicht nur überlegenswert sind, sondern in hohem Masse aufrüttelnd sein müssten. Denn noch immer wird in Europa die asiatische Eruption verkannt oder gar nicht zur Kenntnis genommen, weil wir so sehr mit unseren eigenen Problemen beschäftigt sind, die uns von der Politik und der schwachen Wirtschaft um die Ohren geschlagen werden. Der Beitrag ist naturgemäß etwas einseitig, insbesondere werden die innenpolitischen Probleme weitgehend ausgeklammert. Die hohe Arbeitslosigkeit Chinas, die vielen bankrotten Staatsfirmen - von denen ein großer Teil nicht geschlossen werden kann, um die Zahl der Arbeitslosen und fallierende Kredite nicht noch mehr ansteigen zu lassen - das angeschlagene Banken-System (das die angefaulten Staatsfirmen alimentieren muss) und massive Umweltschäden sind die vier schwierigsten Probleme, mit denen China in den kommenden Jahren umgehen muss, was Zerreißproben mit unbekanntem Ausgang entfachen dürfte.
Indien mit 1 Milliarde und China mit 1.3 Milliarden Menschen haben begonnen, ihre Märkte zu deregulieren und offener zu gestalten. China weist die seit Jahren weltweit schnellstwachsende Volkswirtschaft auf; und Pierre Lassonde von Newmont Mining rechnet damit, dass China künftig gegen 40% des gesamten Goldmarktes bestreiten könnte, zumal die Mittelschicht stark wächst, ständig urbaner und immer kauffreudiger wird: "Die Öffnung von Russland, Indien, China und anderer Schwellenländer ist vermutlich die größte Veränderung in der Geschichte der Menschheit mit tiefen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Implikationen", meint Lassonde. Dem ist nur noch beizufügen, dass davon insbesondere auch das Gold betroffen sein wird!
Xi Jianhua, der Goldexperte der Bank of China, berichtet von einem nationalen Gutachten, das 20% der Empfänger dazu motiviert hat, 10 bis 30% ihrer Ersparnisse in Gold anzulegen, was eine gewaltige Nachfrage generieren würde. Die privaten Sparguthaben bei chinesischen Banken betrugen Ende Juli 2003 bereits 10,61 Billionen Yuan (1,28 Bio. US$). Xi vermutet, daraus könnten bis 300 Mrd. Yuan (36,15 Mrd. US$) in die Goldmärkte abfließen, was eine Nachfrage von rund 3.000 Tonnen verursachen würde, so dass in einer ersten Tranche durchaus eine Nachfrage von 300 bis 500 Tonnen resultieren könnte.
Seit die "Shanghai Gold Exchange" (SGE) im Oktober 2002 ihre Tätigkeit aufgenommen hat, ist der Goldpreis erfreulich gestiegen. Der freie Handel von Gold ist in den Annalen der "People's Republic of China Bank" die erste vollständige Marktöffnung ihrer Geschichte. Allerdings ist die Mitgliedschaft an der SGE (noch) auf 108 Institutionen beschränkt, eingeschlossen Produzenten, Verarbeiter und Händler von Gold und Goldprodukten sowie Handelsbanken.
Li Xisheng, ein Analytiker der angesehenen "Qilu Securities", weist darauf hin, dass China als drittgrößter Gold-Konsument und viertgrößter Gold-Produzent unter einem längerfristigen Angebotsdefizit zu leiden haben wird, sobald die Nachfrage steigt, zumal China der potentiell weltgrößte Markt für Schmuckwaren sein wird - wie Chu Xiangyin, ein Mitglied des "China Council for the Promotion of International Trade" feststellt. Darüber hinaus erwartet er voller Optimismus, dass der chinesische Goldmarkt innerhalb von zehn Jahren um das Zehnfache wachsen wird, wozu er drei Punkte anführt:
Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von Gold beträgt in China 0,2 Gramm, in Indien 1 Gramm und in den Vereinigten Arabischen Emiraten 30 Gramm.
Die Nachfrage für den industriellen Verbrauch wird rasant zunehmen, weil China zum bedeutendsten Zentrum der Welt für Industriegüter heranwächst.
Das Potential für individuelle Goldanlagen, die als Alternative zu Währungen den Wohlstand bewahren sollen, sei gewaltig. Denn weltweite politische Instabilitäten und kontinuierliches Wirtschaftswachstum werden die Nachfrage nach Gold steigern.
Dazu kommt die Situation der chinesischen Zentralbank: Die inzwischen auf über 500 Mrd. US$ gestiegenen Währungsreserven sollten, so ein Vorschlag von Merrill Lynch, mit einer Ratio von 5% in Gold getauscht werden, was eine zusätzliche Nachfrage von 122 Tonnen Gold bedeuten würde (aktuell sind nur 2,6% der Währungsreserven in Gold vorhanden).
In einem Bericht über das von ihm bereiste Nepal schreibt Marc Faber auf den Internetseiten von "The Daily Reckoning" eindringlich über die "Asian Power". Einige Zahlen-Vergleiche sind beklemmend für die Gegenwart und fast wahnsinnig für die Zukunft:
China ist bereits der weltgrößte Hersteller von Textilien, Garnen, Schuhwerk, Stahl, Kühlschränken, Fernsehern, Radios, Spielzeug, Büroprodukten und Motorfahrrädern; addiert man die entsprechende Produktion von Japan, Taiwan, Südkorea und Indien, ergibt sich eine Power, die weit über spröde Statistiken hinausragt.
China ist der Welt zweitgrößter Produzent von Weizen, Grobgetreide, Tee, Blei, Rohwolle, Ölsaaten und Kohle; drittgrößter Produzent von Aluminium und Energie sowie Produzent an vierter bis sechster Stelle von Zucker, Kupfer, Edelmetallen und Rubber. Indien befindet sich unter den drei großen Produzenten für Früchte, Weizen, Gemüse, Reis, Zucker, Tee und Baumwolle. Indonesien rangiert unter den vier großen Produzenten für Reis, Kaffee. Kakao, Kupfer, Zinn und Rubber.
Beim Vergleich der Kaufkraftparitäten (PPP: Purchasing Power Parities) ergibt sich das folgende Bild: Asien mit China, Japan, Indien, Südkorea, Thailand, Indonesien, Taiwan, Philippinen, Pakistan, Bangladesh, Malaysia, Hong Kong und Vietnam haben zusammen ein kaufkraftbereinigtes BIP von 14 Billionen Dollar, also 50% mehr als die USA mit ihren 9,6 Bio. US$.
Wenn der Begriff "Asien" um Zentralasien, Australien, Neuseeland und Teile von Ost-Russland erweitert wird, entsteht der Welt größter Block mit enormer Power. Wir haben größte Mühe, uns diese Dimensionen realistisch vorzustellen. Auch Angst?
Die Staaten Asiens sitzen derzeit auf Währungsreserven von nunmehr 1 Billion US$. Allein China, Taiwan, Hong Kong, Südkorea und Singapur könnten heute damit das gesamte Zentralbank-Gold zweimal kaufen. Die cleveren Asiaten haben den Unterschied zwischen dem Wert Gold und den Papierwährungen längst erkannt, weshalb sie sukzessive den Bestand an physischem Gold aufstocken. Sie haben dabei zwei Probleme: politische Rücksichtnahme auf die Handelspartner im Westen, die man mit dem eigenständigen Ziel nach mehr Freiheit und Unabhängigkeit von der Dollar-Power und vom aufstrebenden Euro nicht verstimmen will. Dazu kommt die ökonomisch-technische Schwierigkeit bedeutender Käufer, die in feiner Dosage zugreifen müssen, um den Preis nicht selber massiv in die Höhe zu treiben. Die asiatischen Käufe haben immerhin dazu geführt, dass verdeckte Markt-Manipulationen der Hochfinanz wesentlich aufwendiger und damit schwieriger geworden sind.
Larry Edelson, der Gold-Redaktor für (Martin Weiss') "The Safe Money Report", der zu den besten Goldmarkt-Kennern gehört, hat neulich darauf hingewiesen, dass die Japaner noch immer über umgerechnet 10 Billionen Dollar Sparkapital verfügen, bisher aber noch wenig physisches Gold gekauft haben (sie engagieren sich lieber über Fonds). Würden sie dies ändern und nur 1% ihrer verfügbaren Mittel - also 10 Milliarden Dollar - in Gold anlegen, würden 26 Millionen Unzen des gelben Edelmetalls nachgefragt, was der globalen Minenproduktion von vier Jahren entspricht. Durchatmen!